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Foto: Roberto Barbosa (links) und Knud Wechterstein im Round Table Gespräch © Kojin
Foto: Roberto Barbosa (links) und Knud Wechterstein im Round Table Gespräch © Kojin

Rainbow Stories auf der Frankfurter Buchmesse

„In vielen Ländern fürchten queere Menschen um ihr Leben“

Rainbow Stories: Im Round Table Gespräch erklären Knud Wechterstein und Roberto Barbosa, warum queere Geflüchteten-Geschichten erzählt werden sollten und die Community-Unterstützung wichtiger wird.
Knud Wechterstein und Roberto Barbosa – ihr unterstützt die Veranstaltung Rainbow Stories goes Buchmesse. Was macht ihr genau und wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Roberto Barbosa: Mein Mann erzählte mir von dem Projekt Rainbow Stories, das Geschichten von queeren Geflüchteten stärker in die Öffentlichkeit bringen möchte. Dann traf ich Frank Pauli, der gemeinsam mit der Journalistin Nadia Saadi die Initiative Rainbow Stories gründete. Er erzählte mir von dem geplanten Event auf der Frankfurter Buchmesse. Zufällig suchten sie einen Videokünstler, um eine der Geschichten zu untermalen …es war ein Glücksfall, dass ich davon erfuhr. Ich sagte sofort: Ja – ich will das machen!

Knud Wechterstein: Die Grundidee ist, Geschichten von einzelnen Rainbow Refugees festzuhalten. Das Gründerteam fragte mich, ob ich das Buchmesse Event der Rainbow Stories unterstützen könne – insbesondere bei der inhaltlichen Gestaltung - in der Rolle eines Consultants oder Kurators. Da ich die Initiative absolut unterstützenswert finde, helfe ich gerne. Es begeistert mich, wie das Projekt so viele einzigartige Menschen und Künstler zusammenbringt, Kompetenz versammelt und vor allem Geschichten erzählt, zu denen es normalerweise keinen Zugang gibt.

Info
Knud Wechterstein
Knud Wechterstein ist Landeskoordinator des Rainbow Refugee Support, eines Beratungsprojektes für queere Geflüchtete der Aidshilfe Hessen. Nach dem Flüchtlingsstrom im Jahr 2015 erkannte er schnell, in welcher besonderen Gefahr LGBT-Geflüchtete auch in Deutschland schwebten - dank ihm und anderen Engagierten wurden die Rainbow Refugees überhaupt erst gegründet. „Queere Organisationen müssen unbedingt mit einbezogen werden, um faire Verfahren überhaupt zu ermöglichen“, erklärt Wechterstein. Für sein langjähriges Engagement wurde er 2023 vom Hessischen Sozialministerium als Mensch des Respekts ausgezeichnet.


Wechterstein: „Queere Menschen müssen in vielen Ländern dieser Welt um ihr Leben fürchten, manchmal auch unabhängig von der Gesetzeslage“

Warum findet ihr es wichtig, Lebensgeschichten von queeren Geflüchteten zu erzählen?
Knud Wechterstein: Insgesamt finde ich es wahnsinnig wichtig, dass solche Rainbow Stories festgehalten werden und – auch im Rahmen von Veranstaltungen – stärker in die Öffentlichkeit kommen. Vielen ist gar nicht bewusst: Queere Menschen müssen in vielen Ländern dieser Welt um ihr Leben fürchten, manchmal auch unabhängig von der Gesetzeslage. Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität werden sie in ihren Heimatländern gelyncht – nicht selten von der eigenen Familie.

In einer der Rainbow Stories, die im Oktober auch auf der Frankfurter Buchmesse vorgetragen wird, erzählt Kojin die Geschichte seiner Flucht aus dem irakischen Kurdistan. Als LGBT* musste er unter Lebensgefahr sein Land verlassen. Durch Kojins Rainbow Story habe ich das erste Mal in vollem Umfang gespürt, wie brutal der Hass gegenüber queeren Menschen sein kann. Es gibt eine Szene in seinem Dokumentarfilm, der im irakischen Kurdistan gedreht wurde, die mir noch im Detail vor Augen ist: Kojin sitzt unter einem Baum auf einem abgelegenen Feld - und trifft dort irakisch-kurdische Männer mit unterschiedlichem Hintergrund zu einem Gespräch über das Thema Homosexualität. Der Hass der Männer äußert sich unverhohlen.

Diese Situation, die hier von der Kamera festgehalten wurde, ist sicher einzigartig. Einer sagte ganz offen: In meinem Clan würde man solche Leute lebendig begraben. Fast hatte ich das Gefühl, als wäre ich selbst in dieser Situation und dachte - jetzt kannst du jederzeit umgebracht werden. Gleichzeitig habe ich gesehen, dass Kojin keine Sekunde zurückgeschreckt ist und in keinem Moment seine Würde verloren hat. Das hat mich wahnsinnig beeindruckt.

Barbosa: „Als ich die Geschichte das erste Mal las, fühlte ich mich sofort stark mit Kojin verbunden“

Roberto Barbosa: Mir ging es ähnlich. Als ich die Geschichte das erste Mal las, fühlte ich mich sofort stark mit Kojin verbunden. Auch in dem Dokumentarfilm, den Knud gerade erwähnte, spürte ich seine Entschlossenheit: Selbst wenn ich dabei sterbe, ich mache es trotzdem. Wenn du so viel Druck von außen bekommst, fühlst du dich in gewisser
Weise bereits tot. Du hast nichts mehr zu verlieren.

Wir kommen zwar aus völlig unterschiedlichen Regionen – ich aus Mexiko, er aus dem irakischen Kurdistan – aber im Grunde spielt es keine Rolle. Wenn du Part der LGBT-Community bist, machst du oft ähnliche Erfahrungen an den unterschiedlichsten Orten der Welt. Die Regierung, die Religion und die Gesellschaft in LGBT-feindlichen Ländern wenden sich gegen uns Minderheiten. Sie wollen vorgeben, was moralisch verwerflich, was richtig und falsch ist. Sie wollen Macht gewinnen, indem sie uns unterdrücken. Deshalb ist es so wichtig, zusammen zu stehen und gemeinsam zu kämpfen.

Info
Roberto Barbosa
„I am many! Nur weil ich etwas bin, kann ich trotzdem auch das Andere sein“, sagt Roberto Barbosa, der als Architekt, Video-Artist und interdisziplinärer Künstler arbeitet. In Mexiko aufgewachsen, kam er 2016 nach Deutschland, um an der Städelschule zu studieren. Nach beruflichen Aufenthalten in Kopenhagen und Rotterdam kehrte er nach Frankfurt zurück. Viele seiner künstlerischen Arbeiten beziehen sich auf seinen Background als Architekt: „Ich baue Räume als Miniaturen, um Geschichten zu verkörpern.“


Wechterstein: „Die Politik will Asylverfahren zunehmend einschränken – um sie letztendlich abzuschaffen“

Was bedeutet der Rechtsruck für Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität nach Deutschland kamen, um Schutz zu suchen?
Knud Wechterstein: Mein Eindruck ist, dass die Politik Asylverfahren zunehmend einschränken will – um sie letztendlich abzuschaffen. In Teilen wird das nicht nur von der AfD geäußert. Die jüngsten Entwicklungen erfüllen mich mit Sorge: 2023 hat die Europäische Kommission bestätigt, dass die Asylverfahren in der EU im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) neu geregelt werden sollen. Ab 2026 soll ein großer Teil der Antragstellenden ihre Asylverfahren in eigens dafür eingerichteten Zentren an den Außengrenzen Europas, sprich Italien, Griechenland, Spanien durchlaufen.

Und dies in einem hohen Tempo von 12 Wochen. In diesen 12 Wochen sollen die Menschen ihre Anhörungen haben, den Bescheid bekommen, bei Ablehnungen ins Klageverfahren gehen und - sofern sie nicht erfolgreich sind - rückgeführt werden. Natürlich wird es queeren Gefürchteten in diesem sehr schnellen Verfahren kaum gelingen, ihr Recht auf Asyl zu erhalten. Vor allem, wenn die Verfahren in einem homophoben Umfeld stattfinden. Sicher werden Geflüchtete in ihren Unterkünften dort körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt ausgesetzt sein. Aber keiner wird hingucken.

Barbosa: „Wir müssen immer weiter kämpfen“

Roberto Barbosa: Im Grunde müssen wir immer weiterkämpfen. Du kannst dich als Minderheit sehr schnell in einer schlimmen Situation wiederfinden. Alles ist sehr fragil und die Dinge ändern sich schnell. Wir müssen nur nach Italien, Polen oder Ungarn schauen. Deshalb supporte ich Organisationen wie die Rainbow Refugees, die Menschen wie
Kojin unterstützen. Es macht mich glücklich, Menschen wie Knud Wechterstein zu begegnen. Er hat so viel bewegt. Je mehr ich von solchen Menschen umgeben bin, desto besser fühle ich mich selbst.

Info
Was sind die Rainbow Stories?
Die Initiative Rainbow Stories supportet Vereine, die queere Geflüchtete unterstützen. Ziel dabei ist, durch Veranstaltungen und Aktionen die Lebensgeschichten von queeren
Refugees stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Dabei arbeiten die Initiator*innen eng mit den geflüchteten Menschen zusammen und beziehen ihre Ideen, ihre Perspektiven und ihr Know-how kontinuierlich mit ein. Das Gründerteam sind Nadia Saadi, (die auch die Rainbow Stories verfasst) und Frank Pauli. Die Arbeit für Rainbow Stories findet fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis statt. Mehr unter: rainbowstories.online

Am 18. Oktober präsentieren die Rainbow Stories Geschichten von queeren Refugees auf der Frankfurter Buchmesse, gelesen vom Schauspieler Gunnar Solka. Das Grußwort hält Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, moderiert wird die Veranstaltung von Talk-Legende Bettina Böttinger. Der Podiums-Talk beschäftigt sich mit der Frage: Grundgesetz auf dem Prüfstand – finden queere Geflüchtete künftig noch Schutz in Deutschland?

Das Event ist nur mit einer persönlichen Einladung oder einem Ticket für die Frankfurter Buchmesse zugänglich.
 
16. Oktober 2024, 11.30 Uhr
Nadia Saadi
 
 
Fotogalerie:
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