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Pavian Band
Wie im Rausch entstanden
Frank Diedrich kennt man in Frankfurt als Konzertverstalter und Gründer des Musikclubs Das Bett. Doch Diedrich ist auch Musiker und holt nun mit der Veröffentlichung einer CD der Pavian Band ein Stück Vergangenheit zurück.
JOURNAL FRANKFURT: Anfang November 2021 hast Du mit einer Nachricht überrascht, in der Du Dich auf die Suche nach den Studioaufnahmen der Pavian Band gemacht hast, bei der Du vor 40 Jahren gespielt hast. Wie kamst Du überhaupt auf die Idee, danach zu forschen und es veröffentlichen zu wollen? Wie bist Du dann fündig geworden?
Frank Diedrich: Wie haben die Original-Bänder nicht gefunden. Deswegen konnten wir nur auf Kassetten zurückgreifen, die Keyboarder Roberto noch aufgehoben hatte. Wir hatten die Idee, die Aufnahmen restaurieren zu lassen, um sie dann zu veröffentlichen. Wir fanden, dass es schade wäre die Aufnahmen weiterhin in Schubladen verschwinden zu lassen. Musik der 80er-Jahre ist momentan sehr gefragt. Das nun fertige Album mit 16-Seiten-Booklet ist im gewissen Sinne wie eine Zeitreise in den Anfang der Achtziger – mal punkig, mal NDW, mal New Wave, meistens tanzbar. Dazu Texte, die überzogen und stellenweise überraschend aktuell sind: Aufrüstung, Überwachungsstaat, Springer-Presse, Rassismus/Kolonialismus – mit Seitenhieben auf die Spießer im Land. Die Texte sollte man aber unbedingt im Zeitkontext sehen. Und wir waren jung, gerade mal Anfang Zwanzig. Heute kann ich altersweise über manche Textstellen nur schmunzeln. Diese Texte waren es letztendlich, was einer Veröffentlichung im Wege stand. Die große Plattenfirma WEA hatte starkes Interesse daran. Die Band Ideal stand vor der Auflösung und WEA suchte quasi „Nachschub“. Ob wir die Lücke hätten füllen können sei dahingestellt, aber jedenfalls eckten die Texte bei den A&R-Managern an. Deswegen sollten wir sie ändern bzw. dem NDW-Trend von „Friede, Freude, Eierkuchen" anpassen. Das passte aber gerade unserem Sänger, Gitarristen und Texter Reinhard Grams, genannt Pav, nicht. Das führte letztendlich auch zur Auflösung der Band.
Wie seid ihr mit den Aufnahmen umgegangen bis zur CD-Reife?
Die alten Kassetten-Aufnahmen wurden von Jon Caffery restauriert. Er hatte die Songs 1982 in dem damaligen Hotline-Studio im Nordend aufgenommen. Jon hatte Anfang der 80er in Manchester für Bands wie Joy Divison und Tubeway Army gearbeitet. Eine Stellenanzeige des Hotline Studios im Melody Maker lockte ihn nach Frankfurt, auch weil er die damalige Entwicklung in Deutschland in Bezug auf New Wave und Punk sehr interessant fand. Später betreute er z.B. Produktionen von Abwärts, den Einstürzenden Neubauten, den Toten Hosen und Ton Steine Scherben. Finanziert wurden die Aufnahmen unter anderem von Mike Ungefehr (2016 verstorben), der später die Kelly Family managte. Seit 1. April ist das Album auf CD erhältlich. Eine kleine Vinyl-Auflage ist geplant. Ich habe dazu mit einfachen Mitteln ein paar Videos gemacht.
Wie präsent war die Pavian Band damals und von wann bis wann war sie in welchem Rahmen aktiv? Mit welchen anderen Gruppen stand sie im Kontakt?
Die Pavian Band bestand gerade mal gut ein Jahr. Die Songs entstanden innerhalb kurzer Zeit, schnell und gemeinsam quasi wie im Rausch im Bunker-Proberaum. Unser Ziel war es, erst ein Album zu veröffentlichen und dann auf Tour zu gehen. Der einzige Auftritt an den ich mich erinnern kann, war der erste und letzte im damaligen Sinkkasten.
Wen soll die Musik heute – 40 Jahre später – erreichen und warum ist sie noch von Relevanz?
Sie könnte die erreichen, die ein Faible für die 80er-Jahre haben, bzw. für die Musik dieses Jahrzehnts. Aber nicht nur die, denn die Songs sind auch für sich gesehen erstaunlich frisch.
Ein Wort zur damaligen Zeit. Wie stellte sich die Szene in Frankfurt damals für Dich/euch dar und wie fällt der Vergleich zu heute aus? War damals alles besser?
Anfang der 80er war auch in Frankfurt ein Umbruch zu spüren. Die Rock-Pop-Musikwelt war damals wie in kaum einer anderen Stadt von der Anwesenheit der amerikanischen GIs und dem Ami-Sender AFN geprägt. Doch dann schwappte Punk und New Wave auch nach Frankfurt. Die Haare wurden kurz, der Modestil ebenso wie die Musik vieler Bands. Es entstand eine interessante neue Szene – Bands wie Vitamin, MC2, Bildstörung, FLEX-Y-BELL, Strapaze, Grabhund und Toto Lotto fallen mir da spontan ein. Das war eine regelrechte Aufbruchstimmung, die aber ziemlich schnell verebbte um dann von der aufkeimenden Techno-Welle abgelöst zu werden. Einen Vergleich zu heute aufzustellen fällt schwer, jedenfalls wurde damals mehr gewagt, heute scheint mir vieles sehr angepasst und wenig innovativ zu sein. Aber das ist ja nicht nur in Frankfurt so und die Zeiten waren halt anders in den Achtzigern.
Was machen die einzelnen Musiker heute? An eine Reunion ist aber nicht gedacht?
Pav ist leider vor zehn Jahren gestorben. Daher kommt eine Reunion nicht in Frage. Roberto lebt in der Normandie und Schlagzeuger Bodo in Bornheim. Beide sind aktive Rentner und machen keine Musik mehr. Ich bin Konzertveranstalter und übe gerade wieder Bass, um demnächst bei einer Band vorzuspielen.
Frank Diedrich: Wie haben die Original-Bänder nicht gefunden. Deswegen konnten wir nur auf Kassetten zurückgreifen, die Keyboarder Roberto noch aufgehoben hatte. Wir hatten die Idee, die Aufnahmen restaurieren zu lassen, um sie dann zu veröffentlichen. Wir fanden, dass es schade wäre die Aufnahmen weiterhin in Schubladen verschwinden zu lassen. Musik der 80er-Jahre ist momentan sehr gefragt. Das nun fertige Album mit 16-Seiten-Booklet ist im gewissen Sinne wie eine Zeitreise in den Anfang der Achtziger – mal punkig, mal NDW, mal New Wave, meistens tanzbar. Dazu Texte, die überzogen und stellenweise überraschend aktuell sind: Aufrüstung, Überwachungsstaat, Springer-Presse, Rassismus/Kolonialismus – mit Seitenhieben auf die Spießer im Land. Die Texte sollte man aber unbedingt im Zeitkontext sehen. Und wir waren jung, gerade mal Anfang Zwanzig. Heute kann ich altersweise über manche Textstellen nur schmunzeln. Diese Texte waren es letztendlich, was einer Veröffentlichung im Wege stand. Die große Plattenfirma WEA hatte starkes Interesse daran. Die Band Ideal stand vor der Auflösung und WEA suchte quasi „Nachschub“. Ob wir die Lücke hätten füllen können sei dahingestellt, aber jedenfalls eckten die Texte bei den A&R-Managern an. Deswegen sollten wir sie ändern bzw. dem NDW-Trend von „Friede, Freude, Eierkuchen" anpassen. Das passte aber gerade unserem Sänger, Gitarristen und Texter Reinhard Grams, genannt Pav, nicht. Das führte letztendlich auch zur Auflösung der Band.
Wie seid ihr mit den Aufnahmen umgegangen bis zur CD-Reife?
Die alten Kassetten-Aufnahmen wurden von Jon Caffery restauriert. Er hatte die Songs 1982 in dem damaligen Hotline-Studio im Nordend aufgenommen. Jon hatte Anfang der 80er in Manchester für Bands wie Joy Divison und Tubeway Army gearbeitet. Eine Stellenanzeige des Hotline Studios im Melody Maker lockte ihn nach Frankfurt, auch weil er die damalige Entwicklung in Deutschland in Bezug auf New Wave und Punk sehr interessant fand. Später betreute er z.B. Produktionen von Abwärts, den Einstürzenden Neubauten, den Toten Hosen und Ton Steine Scherben. Finanziert wurden die Aufnahmen unter anderem von Mike Ungefehr (2016 verstorben), der später die Kelly Family managte. Seit 1. April ist das Album auf CD erhältlich. Eine kleine Vinyl-Auflage ist geplant. Ich habe dazu mit einfachen Mitteln ein paar Videos gemacht.
Wie präsent war die Pavian Band damals und von wann bis wann war sie in welchem Rahmen aktiv? Mit welchen anderen Gruppen stand sie im Kontakt?
Die Pavian Band bestand gerade mal gut ein Jahr. Die Songs entstanden innerhalb kurzer Zeit, schnell und gemeinsam quasi wie im Rausch im Bunker-Proberaum. Unser Ziel war es, erst ein Album zu veröffentlichen und dann auf Tour zu gehen. Der einzige Auftritt an den ich mich erinnern kann, war der erste und letzte im damaligen Sinkkasten.
Wen soll die Musik heute – 40 Jahre später – erreichen und warum ist sie noch von Relevanz?
Sie könnte die erreichen, die ein Faible für die 80er-Jahre haben, bzw. für die Musik dieses Jahrzehnts. Aber nicht nur die, denn die Songs sind auch für sich gesehen erstaunlich frisch.
Ein Wort zur damaligen Zeit. Wie stellte sich die Szene in Frankfurt damals für Dich/euch dar und wie fällt der Vergleich zu heute aus? War damals alles besser?
Anfang der 80er war auch in Frankfurt ein Umbruch zu spüren. Die Rock-Pop-Musikwelt war damals wie in kaum einer anderen Stadt von der Anwesenheit der amerikanischen GIs und dem Ami-Sender AFN geprägt. Doch dann schwappte Punk und New Wave auch nach Frankfurt. Die Haare wurden kurz, der Modestil ebenso wie die Musik vieler Bands. Es entstand eine interessante neue Szene – Bands wie Vitamin, MC2, Bildstörung, FLEX-Y-BELL, Strapaze, Grabhund und Toto Lotto fallen mir da spontan ein. Das war eine regelrechte Aufbruchstimmung, die aber ziemlich schnell verebbte um dann von der aufkeimenden Techno-Welle abgelöst zu werden. Einen Vergleich zu heute aufzustellen fällt schwer, jedenfalls wurde damals mehr gewagt, heute scheint mir vieles sehr angepasst und wenig innovativ zu sein. Aber das ist ja nicht nur in Frankfurt so und die Zeiten waren halt anders in den Achtzigern.
Was machen die einzelnen Musiker heute? An eine Reunion ist aber nicht gedacht?
Pav ist leider vor zehn Jahren gestorben. Daher kommt eine Reunion nicht in Frage. Roberto lebt in der Normandie und Schlagzeuger Bodo in Bornheim. Beide sind aktive Rentner und machen keine Musik mehr. Ich bin Konzertveranstalter und übe gerade wieder Bass, um demnächst bei einer Band vorzuspielen.
Web: www.pavianband.de
7. April 2022, 12.05 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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