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Museum Angewandte Kunst zeigt Modest Fashion
„Das ist keine Kopftuch-Ausstellung“
Es herrschte großer Andrang bei der Vorbesichtigung zur neuen Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ im Museum Angewandte Kunst. Nicht besonders verwunderlich, bedenkt man die Aufmerksamkeit, die diese Ausstellung schon vor der Eröffnung auf sich zog.
Ein schwarzer Vorhang bedeckt den Eingang zum Ausstellungsraum im 2. Obergeschoss des Museum für Angewandte Kunst. Geht man durch ihn hindurch, steht man vor vier Schaufensterpuppen in langen wallenden Gewändern. „Wir wollten direkt zu Beginn deutlich machen, dass es sich um eine Fashion-Ausstellung handelt“, sagt die Kuratorin für Kostüm und Textilkunst Jill D’Alessandro. Immer wieder wird – auch von Seiten des Direktors Matthias Wagner K – betont, dass es sich „nur um eine Modeausstellung“ handele. Eine Modeausstellung, die schon im Vorfeld für Aufregung gesorgt hat – ohne, dass sie die Kritiker überhaupt gesehen hatten. Sogar Hassmails rechter Organisationen erreichten das Museum. Die Folge waren strenge Sicherheitskontrollen, die während der gesamten Ausstellungszeit durchgeführt werden sollen.
Immer wieder war auch die Rede von einer „Kopftuch-Ausstellung“, doch das ist sie eben nicht. Rund 80 Mannequins zeigen die Gewänder, etwa die Hälfte trägt eine Kopfbedeckung. Dies verdeutlicht das stereotypische Bild der muslimischen Frau, das sich in vielen Köpfen regelrecht eingebrannt hat, und welches die Schau in Frage stellen will, erklärt Koordinatorin Mahret Ifeoma Kupka. Die Mode trage ganz klar gesellschaftliche, religiöse, soziale und auch politische Aspekte in sich, sie reagiere allerdings auch darauf, „dass an manche Frauen auf Laufstegen und an Kleiderstangen lange Zeit nicht mitgedacht wurde“, ergänzt Wagner K. An 1,8 Milliarden Frauen, um genau zu sein, denn so viele tragen diese international genannte „Modest Fashion“. Übersetzt wird der Begriff häufig mit „bescheiden“, was angesichts der imposanten glitzernden und zum Teil auch farbenfrohen Kleidung – darunter auch Designerstücke von Dior und Valentino – nicht wirklich passend erscheint.
Nachdruck aus dem Buch Tehran Streetstyle mit Genehmigung der Künstlerin © Slow Factory
Ein riesiger Markt also und trotzdem ist die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ die weltweit erste umfassende Museumsausstellung, die sich dem Phänomen der zeitgenössischen muslimischen Mode widmet. Initiiert wurde sie von Max Hollein, dem früheren Direktor von Städel, Schirn und Liebighaus, im bis vor kurzem von ihm geleiteten Fine Arts Museum in San Francisco. Frankfurt ist die erste Station in Europa und die einzige in Deutschland. Neben den rund 80 Kleidungsstücken junger und etablierter Designer und Designerinnen aus den Bereichen Luxus-Mode, Streetwear, Sportswear, und Couture, die in der Mitte der Ausstellungsräumen gezeigt werden, umfasst die Präsentation zahlreiche Fotografien, die an den Wänden ringsherum hängen.
Ein Bildschirm zeigt Tweets von Modebloggerinnen, die sich kritisch mit den Bekleidungsvorschriften, den patriarchalischen Strukturen und der Fremdbestimmung auseinandersetzen. Die Video-Installation „Turbulent“ der iranischen Künstlerin Shirin Neshat aus dem Jahr 1998, thematisiert die über die Bekleidungsvorschriften hinausgehende Unterdrückung von Frauen. In der kurzen Videosequenz sieht der Betrachter, wie der Sänger Shoja Azari vor einem großen Publikum voller Inbrunst singt, während die Sängerin Sussan Deyhim in einem schwarzen Tschador gekleidet in einem Theatersaal mit heiserer Stimme eine Melodie singt, die ohne Worte auskommt. Neshat greift hier das 1979 verhängte Verbot auf, nachdem Frauen im Iran nicht mehr alleine öffentlich singen dürfen. Viele Zusammenhänge sind allerdings nur schwer fassbar, wenn man nicht an einer der angebotenen Führungen teilnimmt. Die Schau verzichtet weitestgehend auf erklärende Texte, was insofern schade ist, als dass man sich angesichts der Komplexität des Themas schnell ratlos fühlen kann.
Fotoserie von/Shot by Rick Guest @ East 2017 © Nike, Inc.
Kritik ist also durchaus auch zu finden, doch die Ausstellung kann diese nur anreißen. Nirgendwo wird deutlich, dass in Indonesien die Verschleierung der Frauen immer mehr zunimmt, wo doch die Mehrheit noch vor wenigen Jahren unverschleiert war und Jeans und kurzärmlige Oberteile trugen. Dass sich alle so plötzlich freiwillig und selbstbestimmt dazu entschieden haben, ist eher unwahrscheinlich. Verhüllungen gelten mittlerweile als moralisch rein in Indonesien. Schon Kinder müssen an manchen Orten ihr Haar bedecken und dürfen nicht mehr mit Jungen spielen. Natürlich muss man auch bei diesem Thema differenzieren, denn nicht alle Frauen, die eine Kopfbedeckung oder Verschleierung tragen, tun dies aus Zwang. Für einige ist es auch Ausdruck ihrer Religion. Sie sind selbstbestimmt und setzen sich zum Teil auch für den Feminismus ein. Doch das sind eben nur einige und nicht alle. Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man sich die Ausstellung im MAK anschaut, die dieses Thema nur anreißt und damit genau das bleibt, was sie sein will – „nur eine Modeausstellung“.
>> Contemporary Muslim Fashions, Museum Angewandte Kunst, bis 15. September 2019. Mehr Infos finden Sie hier
Immer wieder war auch die Rede von einer „Kopftuch-Ausstellung“, doch das ist sie eben nicht. Rund 80 Mannequins zeigen die Gewänder, etwa die Hälfte trägt eine Kopfbedeckung. Dies verdeutlicht das stereotypische Bild der muslimischen Frau, das sich in vielen Köpfen regelrecht eingebrannt hat, und welches die Schau in Frage stellen will, erklärt Koordinatorin Mahret Ifeoma Kupka. Die Mode trage ganz klar gesellschaftliche, religiöse, soziale und auch politische Aspekte in sich, sie reagiere allerdings auch darauf, „dass an manche Frauen auf Laufstegen und an Kleiderstangen lange Zeit nicht mitgedacht wurde“, ergänzt Wagner K. An 1,8 Milliarden Frauen, um genau zu sein, denn so viele tragen diese international genannte „Modest Fashion“. Übersetzt wird der Begriff häufig mit „bescheiden“, was angesichts der imposanten glitzernden und zum Teil auch farbenfrohen Kleidung – darunter auch Designerstücke von Dior und Valentino – nicht wirklich passend erscheint.
Nachdruck aus dem Buch Tehran Streetstyle mit Genehmigung der Künstlerin © Slow Factory
Ein riesiger Markt also und trotzdem ist die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ die weltweit erste umfassende Museumsausstellung, die sich dem Phänomen der zeitgenössischen muslimischen Mode widmet. Initiiert wurde sie von Max Hollein, dem früheren Direktor von Städel, Schirn und Liebighaus, im bis vor kurzem von ihm geleiteten Fine Arts Museum in San Francisco. Frankfurt ist die erste Station in Europa und die einzige in Deutschland. Neben den rund 80 Kleidungsstücken junger und etablierter Designer und Designerinnen aus den Bereichen Luxus-Mode, Streetwear, Sportswear, und Couture, die in der Mitte der Ausstellungsräumen gezeigt werden, umfasst die Präsentation zahlreiche Fotografien, die an den Wänden ringsherum hängen.
Ein Bildschirm zeigt Tweets von Modebloggerinnen, die sich kritisch mit den Bekleidungsvorschriften, den patriarchalischen Strukturen und der Fremdbestimmung auseinandersetzen. Die Video-Installation „Turbulent“ der iranischen Künstlerin Shirin Neshat aus dem Jahr 1998, thematisiert die über die Bekleidungsvorschriften hinausgehende Unterdrückung von Frauen. In der kurzen Videosequenz sieht der Betrachter, wie der Sänger Shoja Azari vor einem großen Publikum voller Inbrunst singt, während die Sängerin Sussan Deyhim in einem schwarzen Tschador gekleidet in einem Theatersaal mit heiserer Stimme eine Melodie singt, die ohne Worte auskommt. Neshat greift hier das 1979 verhängte Verbot auf, nachdem Frauen im Iran nicht mehr alleine öffentlich singen dürfen. Viele Zusammenhänge sind allerdings nur schwer fassbar, wenn man nicht an einer der angebotenen Führungen teilnimmt. Die Schau verzichtet weitestgehend auf erklärende Texte, was insofern schade ist, als dass man sich angesichts der Komplexität des Themas schnell ratlos fühlen kann.
Fotoserie von/Shot by Rick Guest @ East 2017 © Nike, Inc.
Kritik ist also durchaus auch zu finden, doch die Ausstellung kann diese nur anreißen. Nirgendwo wird deutlich, dass in Indonesien die Verschleierung der Frauen immer mehr zunimmt, wo doch die Mehrheit noch vor wenigen Jahren unverschleiert war und Jeans und kurzärmlige Oberteile trugen. Dass sich alle so plötzlich freiwillig und selbstbestimmt dazu entschieden haben, ist eher unwahrscheinlich. Verhüllungen gelten mittlerweile als moralisch rein in Indonesien. Schon Kinder müssen an manchen Orten ihr Haar bedecken und dürfen nicht mehr mit Jungen spielen. Natürlich muss man auch bei diesem Thema differenzieren, denn nicht alle Frauen, die eine Kopfbedeckung oder Verschleierung tragen, tun dies aus Zwang. Für einige ist es auch Ausdruck ihrer Religion. Sie sind selbstbestimmt und setzen sich zum Teil auch für den Feminismus ein. Doch das sind eben nur einige und nicht alle. Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man sich die Ausstellung im MAK anschaut, die dieses Thema nur anreißt und damit genau das bleibt, was sie sein will – „nur eine Modeausstellung“.
>> Contemporary Muslim Fashions, Museum Angewandte Kunst, bis 15. September 2019. Mehr Infos finden Sie hier
5. April 2019, 13.22 Uhr
Elena Zompi
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18. November 2024
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