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Hilferufe aus dem Umland

Spenden für das Überleben der Kultur

Die Bitte, gekaufte Tickets für die im Moment abgesagten Konzerte nicht zurückzugeben, war ein erster Hilferuf aus den – nicht nur kleineren – Kulturbetrieben. Die finanziellen Mittel sind knapp. Deshalb gibt es immer mehr Spendenaufrufe.
Unter der Überschrift „Den Hafen schultern“ berichteten wir am Freitag vor einer Woche, dass der Hafen 2 in Offenbach und auch andere Kultureinrichtungen wie etwa der Ponyhof, sich dazu entschlossen hatten, sich mit einem Spendenaufruf an die Fans ihrer „Interdisziplinären Plattform“ zu wenden, um ihre Handlungsfähigkeit aufrecht erhalten zu können. Am 2. April konnten Andrea Weiß und Alexander Braun beglückt vermelden: „Eure unglaubliche Spendenbereitschaft hilft im Monatswechsel und vermeidet Kündigungen, was uns am meisten freut – denn hoffentlich wird schon bald nichts wichtiger sein, als ein aufrecht erhaltenes Team.“ Diese bis dahin eingegangenen 13.687 Euro prangen auf unserem Bild auf der Schulter der älteren Tochter des Veranstalterpaars. Der Hintergrund dieser netten Aktion: „Diese junge Hafen-Dame erblickte die Welt am 2. April 2009 um 17.58 Uhr. Eines ihrer ersten erlernten Verben war ,repanarieren‘ – mit das wichtigste Wort in der Hafensprache“, lassen die Eltern wissen und appellieren: „Lasst bitte, bitte nicht locker. Es wird ein langer Prozess sein, bis wir wieder auf eigenen Beinen stehen. Warum das so ist, stellen wir euch in den kommenden Wochen dar.“

Gerade mal 40 Kilometer liegen zwischen Frankfurt und Aschaffenburg. Ohne Stau auf der A 3 ist man in einem halben Stündchen in Unterfranken. In den Colos-saal, der zwei Mal den Spielstätten-Programmpreis „Applaus“ (2015, 2018) und zudem den „Backstage Club Award“ (2029) gewann, fahren viele Frankfurterinnen und Frankfurter, denn hier kann man viele Bands sehen, die Musikgeschichte geschrieben haben, aber eher selten bis nie in Frankfurter Clubs angeboten werden. Ein wichtiges Glied in der Kette. „Ausgerechnet am Freitag, den 13. März ist in unserem Land das Tourneegewerbe, das Konzertbusiness, ja die ganze Bühnenkultur schlagartig und komplett zusammen gekracht. Nichts ging mehr“, heißt es auf der Website des Clubs www.colossaal.de, auf der Claus Berninger skizziert, was seit diesem Termin an Arbeit zu bewältigen war. „Planen ins Blaue hinein. Ohne Sicherheit. Keine/r weiß, wie lange das Virus noch wütet und wie lange die behördlichen Maßnahmen sein müssen bzw. je nach Sichtweise überhaupt von den Menschen erduldet werden. Ergebnis: Nicht nur das komplette Aprilprogramm wird nicht stattfinden, auch im Mai sind schon erste Veranstaltungen verschoben und ob der Rest überhaupt stattfinden kann und darf, steht völlig in den Sternen.“ Schließlich wird mittlerweile schon darüber gerätselt, ob im Sommer überhaupt irgendetwas stattfinden kann.“

„Ich kann es nicht anders sagen: diese Entwicklung ist für unsere Firma mit über 30 Mitarbeitern eine sehr bedrohliche Situation, zumal ich auf keinen Fall auch nur einen meiner fünfzehn Festangestellten entlassen werde. Das wunderbare, eingespielte Colos-Saal-Team ist nicht einfach auszutauschen. Wir machen keinen Cent Einnahmen mehr, da es derzeit nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Branche quasi keine Ticketverkäufe mehr gibt. Aber wir haben erhebliche laufende Kosten, die jeden Monat auf uns zukommen. Das halten wir so vielleicht ein paar Wochen noch durch, bei hoher Kreditaufnahme vielleicht noch ein paar weitere Wochen. Aber dann wird es irgendwann zappenduster“, erklärt Berninger. „Nach zwei Wochen des Zögerns haben wir uns daher entschlossen, unsere Besucher um Unterstützung zu bitten. Bislang war ich jahrzehntelang stolz auf unsere Unabhängigkeit, denn wir haben immer ohne irgendwelche staatlichen oder kommunalen Kulturzuschüsse gewirtschaftet. Aber jetzt sind wir an einem Punkt, an dem es ohne Finanzunterstützung nicht mehr geht. Daher haben wir uns zu einer Crowdfunding-Kampagne (www.gofundme.com/f/der-colossaal-braucht-eure-unterstutzung) entschlossen, die seit Sonntag läuft und bitten Euch, die Freunde des Colos-Saal und Real Music Lovers darum, uns mit einer Spende zu unterstützen.“

Auch aus Darmstadt erreicht uns ein Hilferuf. „Unterstützt das Theater im Pädagog!“. Marco Demel und Thomas Waldherr haben die Initiative ins Leben gerufen. „Das sympathische Theater im rustikalen Gewölbekeller ist aus der Darmstädter Kulturszene nicht mehr wegzudenken. Es bietet Raum für Theater, Diskussionen, Kabarett, Travestie, Musik und auch für private Feiern. Nun ist es in der Corona-Krise in Not geraten“, schreiben die Beiden. Waldherr ist Theaterleiter Klaus Lavies, den er einen „richtigen Möglichmacher“ nennt, sehr verbunden. Denn dank ihm konnte der Riesen-Bob-Dylan-Fan dort seine beliebte Americana-Reihe realisieren. „Nun wollen wir etwas zurückgeben. Die Corona-Krise trifft das ,Theater im Pädagog‘ und auch Klaus persönlich. Daher haben wir dieses Crowdfunding-Projekt für das Theater im Pädagog gestartet. Im ersten Schritt wollen wir bis Ende April 2000 Euro sammeln. Wer also mithelfen will, dass dieses einzigartige Theater erhalten bleibt, den bitten wir um Spenden. Auf unserer Crowdfunding-Seite (www.startnext.com/unterstuetzt-das-paedagog) sind eine Reihe von Dankeschön-Paketen aufgelistet, aus denen Ihr wählen könnt.“ Schauen Sie sich ruhig einmal um auf den Webseiten Ihrer Lieblingsveranstalter, wer darüber hinaus noch Unterstützung braucht.
 
Fotogalerie:
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6. April 2020, 10.38 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
 
 
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Text: Andreas Dosch / Foto: © No Other Land
 
 
 
 
 
 
 
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