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Gesammelte Preziosen
Soundtracks zur Entschleunigung
Viel zu selten nimmt man sich mal ein Stündchen, um Musik zu genießen, die einfach nur Ruhe und Stille ausstrahlt. Jetzt wäre für diese Auswahl gesammelter Preziosen tatsächlich mal Zeit. Erstaunlich wie oft der Name Thomas Bartlett fällt.
Tara Nome Doyle: Alchemy, Martin Hossbach/Kompakt
Wenn die Eltern aus Irland und Norwegen kommen, ist es ein Leichtes, sich auf die Nebel der irischen Torfmoore und das Magische der norwegischen Fabelwälder zu beziehen. Aber dann braucht es doch das Talent, die Eindrücke dieser unterschiedlichen Landschaften und Kulturen sowie ihre Magie in Musik zu verwandeln. Erst Anfang 20 hat die Berlinerin im Umfeld von Kat Frankie, Max Rieger (Die Nerven) und mit David Specht (Isolation Berlin) als Produzenten neun äußerst poetische, meditative und intensive Songs eingespielt.
Dominique Fils-Aimé: Stay Tuned!, Modulor Records/Groove Attack
Die Kanadierin mit haitianischen Wurzeln könnte sich alleine auf eine Bühne stellen und ein Konzert a-cappella singen – allein aufgrund ihrer Aura wäre das Publikum hin und weg. Trotz bis zu acht Mitstreitern im Studio (am auffälligsten: Trompeter Hichem Khalfa) sorgt allein schon Fils-Aimés bluesige Soulstimme für wohlige Schauer und hat immer den nötigen Raum zur Entfaltung im weiten Feld zwischen Jazz, Afro-Karibischem und Gospel. Ihre Texte sind eine Auseinandersetzung mit der Widerstandsfähigkeit der Menschheit im Angesicht von Gefahr und Unterdrückung.
Caoimhín Ó Raghallaigh & Thomas Bartlett, Realworld/PIAS
Für die mit Flügel und Geige eingespielten, minimalistisch gehaltenen Stimmungsbilder können sich die beiden Mitglieder der Band The Gloaming auf ein blindes Verständnis verlassen. So entfalten die improvisierten, tagträumerischen, dahinfließenden Meditationen auch eine Magie der Stille. Bartlett war übrigens auch beteiligt am epochalen St. Vincent-Album „Masseducation“.
Martin Kohlstedt: Ströme, Warner classics
Als experimentierfreudiger Pianist war er neben seiner Solo-Arbeit immer auch der Elektronik zugewandt, höre „Strom“. Seinem dritten, 2017 veröffentlichten Studioalbum lässt er jetzt „Ströme“ folgen und begibt sich auf neues Terrain. Denn sein Flügelspiel erklingt hier im Kontext von gleich 70 Stimmen. Mit dem Gewandhaus Chor Leipzig hat der Thüringer seine Idee modularer Musik neu ausgestaltet, voller Hingabe hat sie fast geistlichen Charakter.
St. Vincent: Masseduction, Caroline/Universal Music
Richtig. Ein Album dieser Künstlerin mit diesem Titel hatten wir schon im Oktober 2017 im Blatt. Auch wenn die Songs identisch sind, ist „Masseduction“ eine komplett andere Platte. Denn Annie Clark kann nicht nur tanzbare Pop-Avantgarde. Hier interpretiert sie ihre autobiografisch-faktisch-fiktionalen Songs mit ihrem Pianisten Thomas Bartlett „stripped to the bone“ fast ohne Glamour. Wer nun ein reines Balladenalbum erwartet, dem sei versichert: ein Multitalent mit solch eigener Handschrift bleibt immer besonders. Bestes Beispiel: „Sugarboy“ mit einem klassischen Klavier zu treibendem Rhythmus, Minimal Music-Ästhetik und Electro-Appeal, obwohl akustisch eingespielt.
Masayoshi Fujita: Book Of Life, Erased Tapes/ Indigo
Natürlich kann man sich die Musik, die der Japaner in Berlin komponiert, auch Piano Solo und gerne auch „prepared“ vorstellen. Doch damit punkten schon viele seiner Erased Tapes-Labelmates, allen voran Lubomyr Melnyk, Ólafur Arnalds und Nils Frahm. Fujita kommt vom Schlagzeug und hat sich dem Vibraphon und seinen vielfältigen Klangmöglichkeiten verschrieben. Zwischen Anleihen bei impressionistischer Programmmusik und Minimal Music-Assoziationen kreiert er perkussive und schwebende Klänge und setzt Themen wie „Fog“, „Sadness“ oder „Cloud Of Light“ in kleine Tondichtungen um.
Oh Land: Family Tree, Awal Recordings/Rough Trade
Das war ein cleverer Schachzug. Für ihr neues Album „Family Tree“ holte sich Nanna Øland Fabricius Produzent Thomas Bartlett an ihre Seite. Wer die akustische Version von St. Vincents „Masseducation“ im Ohr hat, ahnt welche Intimität ihn hier erwartet. Auch wenn die junge Dänin die Höhen und Tiefen, Trennung, Scheidung, Mutterschaft, oft auch fast filmisch und orchestriert inszeniert, die Klarheit und Emotionalität ihrer Stimme ziehen die Zuhörer und Zuhörerinnen regelrecht in ihre Welt hinein. Man teilt Schmerz und Freude mit ihr.
Marina Baranova: Unfolding Debussy, Neue Meister/Edel
Zum 100. Todestag des französischen Komponisten am 25. März ist die CD-Produktion der deutsch-ukrainischen Pianistin Marina Baranova sicherlich eine ganz besondere Hommage. Sie legt die Musik des Impressionisten offen, lässt sie sich neu und anders entfalten, setzt Motive aus Romantik und Moderne in Kontext mit Klangverfremdungen, Improvisation, Remix-Ästhetik und gesprochener Poesie für noch mehr Farbenreichtum zwischen Flügel und Midi-Keyboards. So erweckt sie sogar einen Klassiker wie „Clair de lune“ zu neuem Leben.
Wenn die Eltern aus Irland und Norwegen kommen, ist es ein Leichtes, sich auf die Nebel der irischen Torfmoore und das Magische der norwegischen Fabelwälder zu beziehen. Aber dann braucht es doch das Talent, die Eindrücke dieser unterschiedlichen Landschaften und Kulturen sowie ihre Magie in Musik zu verwandeln. Erst Anfang 20 hat die Berlinerin im Umfeld von Kat Frankie, Max Rieger (Die Nerven) und mit David Specht (Isolation Berlin) als Produzenten neun äußerst poetische, meditative und intensive Songs eingespielt.
Dominique Fils-Aimé: Stay Tuned!, Modulor Records/Groove Attack
Die Kanadierin mit haitianischen Wurzeln könnte sich alleine auf eine Bühne stellen und ein Konzert a-cappella singen – allein aufgrund ihrer Aura wäre das Publikum hin und weg. Trotz bis zu acht Mitstreitern im Studio (am auffälligsten: Trompeter Hichem Khalfa) sorgt allein schon Fils-Aimés bluesige Soulstimme für wohlige Schauer und hat immer den nötigen Raum zur Entfaltung im weiten Feld zwischen Jazz, Afro-Karibischem und Gospel. Ihre Texte sind eine Auseinandersetzung mit der Widerstandsfähigkeit der Menschheit im Angesicht von Gefahr und Unterdrückung.
Caoimhín Ó Raghallaigh & Thomas Bartlett, Realworld/PIAS
Für die mit Flügel und Geige eingespielten, minimalistisch gehaltenen Stimmungsbilder können sich die beiden Mitglieder der Band The Gloaming auf ein blindes Verständnis verlassen. So entfalten die improvisierten, tagträumerischen, dahinfließenden Meditationen auch eine Magie der Stille. Bartlett war übrigens auch beteiligt am epochalen St. Vincent-Album „Masseducation“.
Martin Kohlstedt: Ströme, Warner classics
Als experimentierfreudiger Pianist war er neben seiner Solo-Arbeit immer auch der Elektronik zugewandt, höre „Strom“. Seinem dritten, 2017 veröffentlichten Studioalbum lässt er jetzt „Ströme“ folgen und begibt sich auf neues Terrain. Denn sein Flügelspiel erklingt hier im Kontext von gleich 70 Stimmen. Mit dem Gewandhaus Chor Leipzig hat der Thüringer seine Idee modularer Musik neu ausgestaltet, voller Hingabe hat sie fast geistlichen Charakter.
St. Vincent: Masseduction, Caroline/Universal Music
Richtig. Ein Album dieser Künstlerin mit diesem Titel hatten wir schon im Oktober 2017 im Blatt. Auch wenn die Songs identisch sind, ist „Masseduction“ eine komplett andere Platte. Denn Annie Clark kann nicht nur tanzbare Pop-Avantgarde. Hier interpretiert sie ihre autobiografisch-faktisch-fiktionalen Songs mit ihrem Pianisten Thomas Bartlett „stripped to the bone“ fast ohne Glamour. Wer nun ein reines Balladenalbum erwartet, dem sei versichert: ein Multitalent mit solch eigener Handschrift bleibt immer besonders. Bestes Beispiel: „Sugarboy“ mit einem klassischen Klavier zu treibendem Rhythmus, Minimal Music-Ästhetik und Electro-Appeal, obwohl akustisch eingespielt.
Masayoshi Fujita: Book Of Life, Erased Tapes/ Indigo
Natürlich kann man sich die Musik, die der Japaner in Berlin komponiert, auch Piano Solo und gerne auch „prepared“ vorstellen. Doch damit punkten schon viele seiner Erased Tapes-Labelmates, allen voran Lubomyr Melnyk, Ólafur Arnalds und Nils Frahm. Fujita kommt vom Schlagzeug und hat sich dem Vibraphon und seinen vielfältigen Klangmöglichkeiten verschrieben. Zwischen Anleihen bei impressionistischer Programmmusik und Minimal Music-Assoziationen kreiert er perkussive und schwebende Klänge und setzt Themen wie „Fog“, „Sadness“ oder „Cloud Of Light“ in kleine Tondichtungen um.
Oh Land: Family Tree, Awal Recordings/Rough Trade
Das war ein cleverer Schachzug. Für ihr neues Album „Family Tree“ holte sich Nanna Øland Fabricius Produzent Thomas Bartlett an ihre Seite. Wer die akustische Version von St. Vincents „Masseducation“ im Ohr hat, ahnt welche Intimität ihn hier erwartet. Auch wenn die junge Dänin die Höhen und Tiefen, Trennung, Scheidung, Mutterschaft, oft auch fast filmisch und orchestriert inszeniert, die Klarheit und Emotionalität ihrer Stimme ziehen die Zuhörer und Zuhörerinnen regelrecht in ihre Welt hinein. Man teilt Schmerz und Freude mit ihr.
Marina Baranova: Unfolding Debussy, Neue Meister/Edel
Zum 100. Todestag des französischen Komponisten am 25. März ist die CD-Produktion der deutsch-ukrainischen Pianistin Marina Baranova sicherlich eine ganz besondere Hommage. Sie legt die Musik des Impressionisten offen, lässt sie sich neu und anders entfalten, setzt Motive aus Romantik und Moderne in Kontext mit Klangverfremdungen, Improvisation, Remix-Ästhetik und gesprochener Poesie für noch mehr Farbenreichtum zwischen Flügel und Midi-Keyboards. So erweckt sie sogar einen Klassiker wie „Clair de lune“ zu neuem Leben.
3. April 2020, 12.16 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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Text: Andreas Dosch / Foto: © No Other Land
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