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Frittenmoni – Eine Verrückte(n) Oper
Was ist normal, was unnormal?
Am 8. April sollte die Uraufführung der „Frittenmoni – Eine Verrückte(n) Oper“ über die Bühne des Neuen Theaters Höchst gehen. Doch auch die Premiere von Andreas August Scheuflers Opus magnum fiel der Covid-19-Pandemie zum Opfer.
JOURNAL FRANKFURT: Die „Frittenmoni“ sollte im April auf die Bühne des Neuen Theaters Höchst kommen. Haben Sie sich mit Ihrer Oper eine Art Lebentraum erfüllt und wie lange haben Sie daran gearbeitet?
August Scheufler: Kein Lebenstraum! Die Träume ändern sich. Aber die Idee, eine Oper zu schreiben kam mir vor ca. zehn Jahren. Ich dachte, wenn du noch eine Oper komponieren willst, dann musst du jetzt bald mal anfangen. Dann zog ich mich mit Büchern in die Pampa zurück und fing mit dem Libretto an. Und alles war Neuland und aufregend.
Wie haben Sie Ihren Brotjob und die Arbeit als Maler, Autor, Solokünstler und Mitglied der Frankfurt City Bluesband koordiniert und noch die Zeit für die Entwicklung der „Frittenmoni“ gefunden?
Der Brotjob war seit 1997 der eines Krankenpfleger in der Psychiatrie und der immer mit halber Stelle. Das bedeutet zwar wenig Geld – das brauche ich eh nicht – aber viel Muße für alle Projekte der Welt. Vielleicht sollte man die Zeit der freien Improvisation mit den Leuten des Forums Improvisierter Musik (F.I.M.) und unter anderem der Band Parallelaktion erwähnen, die mir das Gehirn freipustete für prägende musikalische Experimente. Aber die „Frittenmoni“ war in den letzten Jahren das, was alles Anderes hat in den Hintergrund treten lassen.
Welche Klippen mussten Sie umschiffen? Mit der Idee einer Oper rennt man ganz sicher keine offene Türen ein und ein solches Projekt mit vielen Mitwirkenden will auch finanziert sein?
Oh ja, ein heißes Thema. Organisation ist nicht mein Ding und da musste ich mir einiges draufschaffen und habe sogar einige Geldgeber gefunden. Was für ein Schreibkram. Ich musste auch einen Batzen Gespartes selber reinstecken. Man gönnt sich ja sonst nix. Zehn Orchestermusiker, ein Dirigent, vier Solisten, zwanzig Choristen, Probenräume wollen nicht nur gefunden, sondern auch bezahlt sein.
Sie gehen sehr offensiv mit Ihren Inspirationsquellen um. Ohne Ihre 20 Jahre als Pfleger in der psychiatrischen Abteilung einer Klinik wäre die „Verrückte(n) Oper“ weit weniger authentisch geworden? Wie viele der realen Person, auf die Sie da getroffen sind, finden sich in den Figuren wieder, wieviel von Ihrer Story ist fiktiv?
Die Handlung ist – wie heißt es immer so schön? – frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig. Aber es wurde mir von Fachleuten mehrfach bestätigt, dass die Darstellung nah an der psychiatrischen Realität liegt, das heißt es könnte so oder ähnlich vorgekommen sein. Ohne die zwanzig Jahre in der Klinik wäre ich natürlich nicht auf die Geschichte gekommen.
Ein Wort zu den Rollen, Wer ist die „Frittenmoni“ und welche wichtigen Figuren gibt es da noch?
Frittenmoni verkauft im Frankfurter Bahnhofsviertel Pommes und wird wegen einer drogeninduzierten Psychose in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Ihr Freund ist der Zuhälter und Dealer Kevin (der in unserer gekürzten Fassung leider gestrichen werden musste). Raimund ist der empathische Krankenpfleger. Da steckt ein Stück von mir drin. Er verliebt sich in die Patientin Moni und muss scheitern.
Die Frage wer ist hier eigentlich verrückt und wer nicht, ist sicher ein Hinweis darauf, wie unsere Gesellschaft mit solchen Wahrnehmungen umgeht und wie sich oft auch die Perspektiven verschieben. Zu welchem Schluss sind Sie nach zwanzig Jahren gekommen – was heißt verrückt, wie würden Sie es definieren?
Verrückt nennt der Volksmund Menschen, die seltsame Sachen sagen, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen haben. Das Wort wird aber auch gebraucht, um Menschen zu diffamieren, die anders denken bzw. von der Norm abweichende Ideen haben. Zwischen diesen beiden Bedeutungen zu unterscheiden fällt nicht immer leicht. Ist ein verrückter Einfall Ausdruck einer (künstlerischen) Kreativität oder einer krankhaften (behandlungsbedürftigen) Wahrnehmung? Dieses Feld der Unschärfe, der Verschiebungen, der Verrückungen war für mich in der Psychiatrie immer faszinierend.
Hat Ihre Oper eine „Botschaft“?
Bloß keine Botschaft! Aber wenn man nach der Vorstellung z.B. darüber nachdenken würde, was normal, was unnormal, was krank bzw. gesund ist und wenn man sich gut unterhalten hat, wäre das schön.
Sie geben mit dem Hinweis auf Brecht/Weill und Richard Strauss auch musikalische Vorbilder offen preis. Die „Dreigroschenoper“ mischt sich mit dem „Rosenkavalier“. Kann man also von Kunstmusik mit Unterhaltungscharakter sprechen?
Könnte man so sehen. Ich schreibe, was ich hören möchte und was es so noch nicht gibt. Dazu habe ich viele Partituren studiert und ich mixe mir was aus dem, was mir gefällt an meinen Lieblingen Strawinsky, Strauss, Eisler, Weill, Schostakowitsch, Bartok usw. und ich habe das Gefühl, es ist etwas Einzigartiges und Neues dabei herausgekommen.
Sie haben als Spezifikum Ihrer Oper Dialekt und lokale Anspielungen genannt. Warum ist Ihnen dieses Kolorit wichtig?
Ich könnte ja sagen, weil ich en Frankfurter Bub bin oder mit soziokulturellen Begriffen klingeln. Aber eigentlich fand ich im „Rosenkavalier“ den Wiener Schmäh so nett und fragte mich, ob das nicht auch mit Hessisch funktioniert. Und man kann mit Dialekt so wunderbar eine Figur charakterisieren.
Ob sich der Ausweichtermin am 10. Juni realisieren lässt, steht noch in den Sternen. „Dann eben im Herbst oder im nächsten Frühjahr“, sagt Scheufler.
Dieses Interview ergänzt einen Beitrag, der ursprünglich in der Ausgabe 05/2020 des JOURNAL FRANKFURT erschienen ist.
August Scheufler: Kein Lebenstraum! Die Träume ändern sich. Aber die Idee, eine Oper zu schreiben kam mir vor ca. zehn Jahren. Ich dachte, wenn du noch eine Oper komponieren willst, dann musst du jetzt bald mal anfangen. Dann zog ich mich mit Büchern in die Pampa zurück und fing mit dem Libretto an. Und alles war Neuland und aufregend.
Wie haben Sie Ihren Brotjob und die Arbeit als Maler, Autor, Solokünstler und Mitglied der Frankfurt City Bluesband koordiniert und noch die Zeit für die Entwicklung der „Frittenmoni“ gefunden?
Der Brotjob war seit 1997 der eines Krankenpfleger in der Psychiatrie und der immer mit halber Stelle. Das bedeutet zwar wenig Geld – das brauche ich eh nicht – aber viel Muße für alle Projekte der Welt. Vielleicht sollte man die Zeit der freien Improvisation mit den Leuten des Forums Improvisierter Musik (F.I.M.) und unter anderem der Band Parallelaktion erwähnen, die mir das Gehirn freipustete für prägende musikalische Experimente. Aber die „Frittenmoni“ war in den letzten Jahren das, was alles Anderes hat in den Hintergrund treten lassen.
Welche Klippen mussten Sie umschiffen? Mit der Idee einer Oper rennt man ganz sicher keine offene Türen ein und ein solches Projekt mit vielen Mitwirkenden will auch finanziert sein?
Oh ja, ein heißes Thema. Organisation ist nicht mein Ding und da musste ich mir einiges draufschaffen und habe sogar einige Geldgeber gefunden. Was für ein Schreibkram. Ich musste auch einen Batzen Gespartes selber reinstecken. Man gönnt sich ja sonst nix. Zehn Orchestermusiker, ein Dirigent, vier Solisten, zwanzig Choristen, Probenräume wollen nicht nur gefunden, sondern auch bezahlt sein.
Sie gehen sehr offensiv mit Ihren Inspirationsquellen um. Ohne Ihre 20 Jahre als Pfleger in der psychiatrischen Abteilung einer Klinik wäre die „Verrückte(n) Oper“ weit weniger authentisch geworden? Wie viele der realen Person, auf die Sie da getroffen sind, finden sich in den Figuren wieder, wieviel von Ihrer Story ist fiktiv?
Die Handlung ist – wie heißt es immer so schön? – frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig. Aber es wurde mir von Fachleuten mehrfach bestätigt, dass die Darstellung nah an der psychiatrischen Realität liegt, das heißt es könnte so oder ähnlich vorgekommen sein. Ohne die zwanzig Jahre in der Klinik wäre ich natürlich nicht auf die Geschichte gekommen.
Ein Wort zu den Rollen, Wer ist die „Frittenmoni“ und welche wichtigen Figuren gibt es da noch?
Frittenmoni verkauft im Frankfurter Bahnhofsviertel Pommes und wird wegen einer drogeninduzierten Psychose in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Ihr Freund ist der Zuhälter und Dealer Kevin (der in unserer gekürzten Fassung leider gestrichen werden musste). Raimund ist der empathische Krankenpfleger. Da steckt ein Stück von mir drin. Er verliebt sich in die Patientin Moni und muss scheitern.
Die Frage wer ist hier eigentlich verrückt und wer nicht, ist sicher ein Hinweis darauf, wie unsere Gesellschaft mit solchen Wahrnehmungen umgeht und wie sich oft auch die Perspektiven verschieben. Zu welchem Schluss sind Sie nach zwanzig Jahren gekommen – was heißt verrückt, wie würden Sie es definieren?
Verrückt nennt der Volksmund Menschen, die seltsame Sachen sagen, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen haben. Das Wort wird aber auch gebraucht, um Menschen zu diffamieren, die anders denken bzw. von der Norm abweichende Ideen haben. Zwischen diesen beiden Bedeutungen zu unterscheiden fällt nicht immer leicht. Ist ein verrückter Einfall Ausdruck einer (künstlerischen) Kreativität oder einer krankhaften (behandlungsbedürftigen) Wahrnehmung? Dieses Feld der Unschärfe, der Verschiebungen, der Verrückungen war für mich in der Psychiatrie immer faszinierend.
Hat Ihre Oper eine „Botschaft“?
Bloß keine Botschaft! Aber wenn man nach der Vorstellung z.B. darüber nachdenken würde, was normal, was unnormal, was krank bzw. gesund ist und wenn man sich gut unterhalten hat, wäre das schön.
Sie geben mit dem Hinweis auf Brecht/Weill und Richard Strauss auch musikalische Vorbilder offen preis. Die „Dreigroschenoper“ mischt sich mit dem „Rosenkavalier“. Kann man also von Kunstmusik mit Unterhaltungscharakter sprechen?
Könnte man so sehen. Ich schreibe, was ich hören möchte und was es so noch nicht gibt. Dazu habe ich viele Partituren studiert und ich mixe mir was aus dem, was mir gefällt an meinen Lieblingen Strawinsky, Strauss, Eisler, Weill, Schostakowitsch, Bartok usw. und ich habe das Gefühl, es ist etwas Einzigartiges und Neues dabei herausgekommen.
Sie haben als Spezifikum Ihrer Oper Dialekt und lokale Anspielungen genannt. Warum ist Ihnen dieses Kolorit wichtig?
Ich könnte ja sagen, weil ich en Frankfurter Bub bin oder mit soziokulturellen Begriffen klingeln. Aber eigentlich fand ich im „Rosenkavalier“ den Wiener Schmäh so nett und fragte mich, ob das nicht auch mit Hessisch funktioniert. Und man kann mit Dialekt so wunderbar eine Figur charakterisieren.
Ob sich der Ausweichtermin am 10. Juni realisieren lässt, steht noch in den Sternen. „Dann eben im Herbst oder im nächsten Frühjahr“, sagt Scheufler.
Dieses Interview ergänzt einen Beitrag, der ursprünglich in der Ausgabe 05/2020 des JOURNAL FRANKFURT erschienen ist.
26. April 2020, 13.01 Uhr
Detlef Kinsler
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