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Artenvielfalt im Frankfurter Kunstverein
Kunst und Wissenschaft: Algenhäuschen, Tier-Pilz-Symbiosen und Blumengemälde
Im Frankfurter Kunstverein reichen sich in der Ausstellung „Bending the Curve“ Kunst und Wissenschaft die Hand, um die Artenvielfalt zu bewahren. Die Besucher erwartet die eine oder andere Überraschung.
Die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels sind längst spürbar, über seine Folgen wird tagtäglich in der Öffentlichkeit gesprochen. Ein wichtiger Aspekt wird dabei jedoch noch häufig übergangen: die Bedrohung der Artenvielfalt. Genau diesem Thema widmet sich die neue künstlerisch-wissenschaftliche Ausstellung „Bending the Curve“ im Frankfurter Kunstverein.
Zusammen mit dem Senckenberg Biodiversität und Klima-Forschungszentrum (SBIK-F) und dem Zoo Frankfurt habe der Kunstverein an der Ausstellung seit zwei Jahren gearbeitet, sagt Franziska Nori, Mit-Kuratorin und mitzuständig für den künstlerischen Anteil. Dabei seien bis zu 200 Menschen involviert gewesen. Während der Vorbereitungen sei klar geworden, dass vor allem Künste das Wissen über Artenvielfalt und auch Artensterben bildhaft erzählen können, was Wissenschaften zuvor gewonnen haben.
Und genau das bietet sich den Besucherinnen und Besuchern auch: Die Ausstellung, die in mehrere Bereiche eingeteilt ist, sei als „Parcours der Möglichkeiten“ gestaltet, in dem wissenschaftliche und künstlerische Exponate ausgestellt werden, erzählt Nori weiter. Bereits im Eingangsbereich können auf einem Bildschirm Tierbewegungen auf der ganzen Welt anhand von roten Linien nachvollzogen werden. Dafür wurden den Tieren eine Art Fitnessarmband angelegt. Nicht nur ein ungemeiner Gewinn für die Verhaltensbiologie, findet Thomas Wikelski vom Max-Planck-Institut, sondern auch für die Besucher, um die teils enorm langen Wanderungen und Überschneidungen von Tieren zu verstehen.
Kunst trifft Wissenschaft im Frankfurter Kunstverein: Algen statt Leder und als Kunstobjekt
Ein Stockwerk höher findet sich ein ganz besonderes Ausstellungsstück: ein zeltähnliches Gebilde aus Algen (siehe Foto). Die Gestalterin Julia Lohmann hat es gebildet. Sie selbst sagt, dass die Alge „ihre Muse und ihre Methode“ geworden sei, nachdem sie die Ozeanpflanze bei Arbeiten in Japan als Material für sich entdeckt hätte. Ihr Schwerpunkt ist dabei die Wiederherstellung von Balance zwischen Natur, Mensch und Tierwelt. So könnten Algen etwa aufs Wasser gelegt verschiedene Giftstoffe binden, oder auch als Ersatzmaterial für Kleidung dienen.
Das Erstaunliche: Von der Konsistenz und der Struktur her erinnert das Material tatsächlich an Leder. Das begehbare Algenhäuschen und andere Algenexponate dürfen nämlich – was ansonsten oft nicht erlaubt ist – berührt werden. Dadurch solle das Museum als Raum dienen, um intensiver nachzudenken und mit anderen zusammenzukommen, statt die Stücke nur allein zu begutachten.
Artenvielfalt: Digitale Gemälde zeigen, wie sich die Welt aus Insektensicht darstellt
Gleich gegenüber im Ausstellungsbereich hängen mehrere Bilder der Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg, die bewusst in einen „Dialog treten sollen“ zu den Arbeiten von Lohmann, sagt Nori. Auf ihnen sind nämlich oberirdische Welten zu entdecken: Farbenfrohe Blumenlandschaften, alle aus der Perspektive von Bestäubern, mal von unten aus der Sicht einer Ameise, von oben wie von Fluginsekten. Erstellt wurden die digitalen Gemälde mit dem Pollinator Pathmaker, einem für jeden zugängliches Projekt, welches hier zu finden ist. Damit können ortsspezifische Gärten gestaltet werden, die gewollt eine nicht-menschliche Perspektive von Bestäuberinsekten fokussiert.
Mit Insekten geht es auch auf dem nächsten Stock weiter, denn dort erwartet die Besucher das große Krabbeln. In kleinen durchsichtigen Kästen, die wiederum mit Röhren verbunden sind, tummeln sich unzählige Blattschneiderameisen. Johannes Köhler vom Frankfurter Zoo hat die Installation erarbeitet und spricht über die Besonderheiten der kleinen Krabbler: Die Ameisen leben in Symbiose mit einem Pilz. Diesen „füttern“ sie mit den kleingeschnittenen Blättern und erhalten im Gegenzug „kleine Kügelchen“ mit Nährstoffen, die wiederum als Nahrung für die eigenen Larven dienen. Stirbt der Pilz, so ist auch die Ameisenpopulation bedroht. Wie Köhler erzählt, würden die Ameisen immer wieder für Verwunderung bei den Zoobesuchern und vielerlei Gesprächsstoff sorgen.
Eine ähnliche Wirkung ist auch im Kunstverein nicht zu leugnen. Das Treiben der Insekten zieht viel Aufmerksamkeit auf sich und besonders die Zusammenarbeit – für die es keinen Anführer oder eine Ordnungsinstanz benötige, so Köhler – lässt einen vor den Kästen verharren.
Die Blattschneiderameisen sind ein echter Hingucker © red
Info
„Bending the Curve“ startet am 13. Oktober und läuft bis zum 3. März 2024. Der Eintritt kostet 10 Euro, ermäßigt 6 Euro. Für weitere Informationen können Sie hier nachschauen.
Zusammen mit dem Senckenberg Biodiversität und Klima-Forschungszentrum (SBIK-F) und dem Zoo Frankfurt habe der Kunstverein an der Ausstellung seit zwei Jahren gearbeitet, sagt Franziska Nori, Mit-Kuratorin und mitzuständig für den künstlerischen Anteil. Dabei seien bis zu 200 Menschen involviert gewesen. Während der Vorbereitungen sei klar geworden, dass vor allem Künste das Wissen über Artenvielfalt und auch Artensterben bildhaft erzählen können, was Wissenschaften zuvor gewonnen haben.
Und genau das bietet sich den Besucherinnen und Besuchern auch: Die Ausstellung, die in mehrere Bereiche eingeteilt ist, sei als „Parcours der Möglichkeiten“ gestaltet, in dem wissenschaftliche und künstlerische Exponate ausgestellt werden, erzählt Nori weiter. Bereits im Eingangsbereich können auf einem Bildschirm Tierbewegungen auf der ganzen Welt anhand von roten Linien nachvollzogen werden. Dafür wurden den Tieren eine Art Fitnessarmband angelegt. Nicht nur ein ungemeiner Gewinn für die Verhaltensbiologie, findet Thomas Wikelski vom Max-Planck-Institut, sondern auch für die Besucher, um die teils enorm langen Wanderungen und Überschneidungen von Tieren zu verstehen.
Ein Stockwerk höher findet sich ein ganz besonderes Ausstellungsstück: ein zeltähnliches Gebilde aus Algen (siehe Foto). Die Gestalterin Julia Lohmann hat es gebildet. Sie selbst sagt, dass die Alge „ihre Muse und ihre Methode“ geworden sei, nachdem sie die Ozeanpflanze bei Arbeiten in Japan als Material für sich entdeckt hätte. Ihr Schwerpunkt ist dabei die Wiederherstellung von Balance zwischen Natur, Mensch und Tierwelt. So könnten Algen etwa aufs Wasser gelegt verschiedene Giftstoffe binden, oder auch als Ersatzmaterial für Kleidung dienen.
Das Erstaunliche: Von der Konsistenz und der Struktur her erinnert das Material tatsächlich an Leder. Das begehbare Algenhäuschen und andere Algenexponate dürfen nämlich – was ansonsten oft nicht erlaubt ist – berührt werden. Dadurch solle das Museum als Raum dienen, um intensiver nachzudenken und mit anderen zusammenzukommen, statt die Stücke nur allein zu begutachten.
Gleich gegenüber im Ausstellungsbereich hängen mehrere Bilder der Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg, die bewusst in einen „Dialog treten sollen“ zu den Arbeiten von Lohmann, sagt Nori. Auf ihnen sind nämlich oberirdische Welten zu entdecken: Farbenfrohe Blumenlandschaften, alle aus der Perspektive von Bestäubern, mal von unten aus der Sicht einer Ameise, von oben wie von Fluginsekten. Erstellt wurden die digitalen Gemälde mit dem Pollinator Pathmaker, einem für jeden zugängliches Projekt, welches hier zu finden ist. Damit können ortsspezifische Gärten gestaltet werden, die gewollt eine nicht-menschliche Perspektive von Bestäuberinsekten fokussiert.
Mit Insekten geht es auch auf dem nächsten Stock weiter, denn dort erwartet die Besucher das große Krabbeln. In kleinen durchsichtigen Kästen, die wiederum mit Röhren verbunden sind, tummeln sich unzählige Blattschneiderameisen. Johannes Köhler vom Frankfurter Zoo hat die Installation erarbeitet und spricht über die Besonderheiten der kleinen Krabbler: Die Ameisen leben in Symbiose mit einem Pilz. Diesen „füttern“ sie mit den kleingeschnittenen Blättern und erhalten im Gegenzug „kleine Kügelchen“ mit Nährstoffen, die wiederum als Nahrung für die eigenen Larven dienen. Stirbt der Pilz, so ist auch die Ameisenpopulation bedroht. Wie Köhler erzählt, würden die Ameisen immer wieder für Verwunderung bei den Zoobesuchern und vielerlei Gesprächsstoff sorgen.
Eine ähnliche Wirkung ist auch im Kunstverein nicht zu leugnen. Das Treiben der Insekten zieht viel Aufmerksamkeit auf sich und besonders die Zusammenarbeit – für die es keinen Anführer oder eine Ordnungsinstanz benötige, so Köhler – lässt einen vor den Kästen verharren.
Die Blattschneiderameisen sind ein echter Hingucker © red
„Bending the Curve“ startet am 13. Oktober und läuft bis zum 3. März 2024. Der Eintritt kostet 10 Euro, ermäßigt 6 Euro. Für weitere Informationen können Sie hier nachschauen.
13. Oktober 2023, 12.59 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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