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Homophobe Gewalt
„Das Gefühl der Unsicherheit findet sich in keiner Statistik wieder“
Vergangenen Samstagabend kam es auf der Zeil zu einem Angriff auf eine transexuelle Person. Vorfälle wie dieser seien jedoch kein Einzelfall, sagt Jessica Purkhardt von der Aidshilfe Frankfurt. Gerade die Konstablerwache sei ein Ort, an dem sich viele unsicher fühlten.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Purkhardt, anlässlich des Trans Day of Remembrance, bei dem weltweit der Opfer von Trans*feindlichkeit gedacht wird, findet auch in Frankfurt am Freitag eine Kundgebung statt. Soll dabei auch der Angriff auf eine transexuelle Person vom vergangenen Samstag aufgegriffen werden?
Jessica Purkhardt: Ja definitiv. Natürlich ist die Lage von queeren Personen in vielen Ländern schlimmer, teilweise sogar lebensbedrohlich, aber auch in Deutschland ist das Ganze immer noch ein Thema – auch in Frankfurt. Das zeigen auch Vorfälle, wie es am Samstag auf der Zeil geschehen ist. Es geschehen noch viele mehr – die meisten geraten jedoch nicht in die Öffentlichkeit. Die Statistik mag die eine Seite sein, die Rückmeldungen aus der Community ist jedoch eine ganz andere.
Woran liegt es, dass die Dunkelziffer so hoch ist?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen geht nicht jede Person transparent mit dem Thema um oder hat sich bereits geoutet, zum anderen haben viele auch schon schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Viele haben das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Vorfälle, wie sie sich am Samstag auf der Zeil ereignet haben, auch als solche benannt und öffentlich gemacht werden. Genau dann wird aus einer einfachen Prügelei nämlich ein Hassverbrechen. Es geht dabei vor allem darum, für mehr Sensibilität in der Gesellschaft zu sorgen.
In einem Statement zu dem Vorfall auf der Zeil benennen Sie diese als sogenannte „No-Go-Area“ für queere Menschen, die Polizei verneint dies jedoch. Woher kommt diese Diskrepanz?
Wenn queere Menschen bereits Orte meiden, an denen sie sich unsicher fühlen, bleiben diese natürlich auch frei von Straftaten. Doch es gibt Orte mitten in der Stadt, zentrale Orte wie die Konstablerwache, an denen sich bestimmte Personengruppen nicht sicher fühlen. Ich bekomme oft die Rückmeldung aus unserer Community, dass Leute inzwischen bestimmte Vermeidungsstrategien entwickelt haben. Sie wählen etwa andere Laufwege, nehmen ein Taxi oder gehen lieber zu zweit bis gar nicht mehr vor die Tür. Einfach gesagt: Es können zwei Menschen zur gleichen Zeit an einem Platz sein, die Reaktionen darauf sind oftmals ganz unterschiedliche. Das Gefühl der Unsicherheit vieler Menschen findet sich dementsprechend in keiner Statistik wieder.
Und die Konstablerwache ist einer dieser Orte?
Ja. Das liegt nicht daran, dass die Konstablerwache ein Ort ist, an dem sich homophobe Menschen explizit treffen. Doch sie ist ein Nadelöhr und ein Punkt, an dem seit Jahren die LGBTIQ*-Szene zusammenkommt, darüber hinaus ist sie auch ein Verkehrsknotenpunkt; es existiert die Nähe zur Zeil und zu den Veranstaltungsorten. Abends treffen dann dort Welten aufeinander.
Was könnte dabei helfen, dass sich die Situation dort ändert?
Es geht darum, nicht einfach nur „Frankfurt ist bunt“ oder „Homophobie hat hier keinen Platz“ zu sagen und Ampelpärchen zu schalten. Neben der generellen Sensibilisierung in der Öffentlichkeit wäre einer der Bausteine sicherlich, mehr Polizeipräsenz zu zeigen, sicht- und ansprechbar zu sein. Natürlich löst das das generelle Problem in der Gesellschaft nicht – es verhindert aber vielleicht, dass Menschen belästigt, beschimpft oder mit Flaschen beworfen werden.
>> Am Freitag, dem 20. November, findet der Trans Day of Remembrance statt – ein Tag an dem weltweit der Opfer von Trans*feindlichkeit gedacht wird. In Frankfurt ist ab 16 Uhr eine Kundgebung der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI) an der Hauptwache geplant.
Jessica Purkhardt: Ja definitiv. Natürlich ist die Lage von queeren Personen in vielen Ländern schlimmer, teilweise sogar lebensbedrohlich, aber auch in Deutschland ist das Ganze immer noch ein Thema – auch in Frankfurt. Das zeigen auch Vorfälle, wie es am Samstag auf der Zeil geschehen ist. Es geschehen noch viele mehr – die meisten geraten jedoch nicht in die Öffentlichkeit. Die Statistik mag die eine Seite sein, die Rückmeldungen aus der Community ist jedoch eine ganz andere.
Woran liegt es, dass die Dunkelziffer so hoch ist?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen geht nicht jede Person transparent mit dem Thema um oder hat sich bereits geoutet, zum anderen haben viele auch schon schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Viele haben das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Vorfälle, wie sie sich am Samstag auf der Zeil ereignet haben, auch als solche benannt und öffentlich gemacht werden. Genau dann wird aus einer einfachen Prügelei nämlich ein Hassverbrechen. Es geht dabei vor allem darum, für mehr Sensibilität in der Gesellschaft zu sorgen.
In einem Statement zu dem Vorfall auf der Zeil benennen Sie diese als sogenannte „No-Go-Area“ für queere Menschen, die Polizei verneint dies jedoch. Woher kommt diese Diskrepanz?
Wenn queere Menschen bereits Orte meiden, an denen sie sich unsicher fühlen, bleiben diese natürlich auch frei von Straftaten. Doch es gibt Orte mitten in der Stadt, zentrale Orte wie die Konstablerwache, an denen sich bestimmte Personengruppen nicht sicher fühlen. Ich bekomme oft die Rückmeldung aus unserer Community, dass Leute inzwischen bestimmte Vermeidungsstrategien entwickelt haben. Sie wählen etwa andere Laufwege, nehmen ein Taxi oder gehen lieber zu zweit bis gar nicht mehr vor die Tür. Einfach gesagt: Es können zwei Menschen zur gleichen Zeit an einem Platz sein, die Reaktionen darauf sind oftmals ganz unterschiedliche. Das Gefühl der Unsicherheit vieler Menschen findet sich dementsprechend in keiner Statistik wieder.
Und die Konstablerwache ist einer dieser Orte?
Ja. Das liegt nicht daran, dass die Konstablerwache ein Ort ist, an dem sich homophobe Menschen explizit treffen. Doch sie ist ein Nadelöhr und ein Punkt, an dem seit Jahren die LGBTIQ*-Szene zusammenkommt, darüber hinaus ist sie auch ein Verkehrsknotenpunkt; es existiert die Nähe zur Zeil und zu den Veranstaltungsorten. Abends treffen dann dort Welten aufeinander.
Was könnte dabei helfen, dass sich die Situation dort ändert?
Es geht darum, nicht einfach nur „Frankfurt ist bunt“ oder „Homophobie hat hier keinen Platz“ zu sagen und Ampelpärchen zu schalten. Neben der generellen Sensibilisierung in der Öffentlichkeit wäre einer der Bausteine sicherlich, mehr Polizeipräsenz zu zeigen, sicht- und ansprechbar zu sein. Natürlich löst das das generelle Problem in der Gesellschaft nicht – es verhindert aber vielleicht, dass Menschen belästigt, beschimpft oder mit Flaschen beworfen werden.
>> Am Freitag, dem 20. November, findet der Trans Day of Remembrance statt – ein Tag an dem weltweit der Opfer von Trans*feindlichkeit gedacht wird. In Frankfurt ist ab 16 Uhr eine Kundgebung der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI) an der Hauptwache geplant.
19. November 2020, 11.30 Uhr
Sina Eichhorn
Sina Eichhorn
Geboren 1994 in Gelnhausen. Nach einem Studium der Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen seit Oktober 2018 beim Journal Frankfurt. Zunächst als Redakteurin, seit 2021 Chefin vom Dienst. Mehr von Sina
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