Ein Jahr nach der Räumung des „Instituts für vergleichende Irrelevanz“ (IvI) haben Aktivisten am Ostersonntag zwei Häuser besetzt. Eines der Häuser ist bereits geräumt, das andere soll bis 1. Mai genutzt werden.
Lukas Gedziorowski /
Rauch zieht über den Hof des ehemaligen Atelierfrankfurt-Gebäudes in der Hohenstaufenstraße. Vor den Hochhausfassaden von Tower 185 und Messeturm sitzt etwa ein Dutzend junger Menschen am Feuer, das sie in zwei Grillschalen entfacht haben, auf zwei Tischen stehen Lebensmittel und Getränke fürs Frühstück. Das leerstehende Gebäude ist verziert mit Luftballons und Transparenten: „Still using Leerstand“ steht auf einem, „Besetzt“ auf einem anderen.
Sarah, eine der Aktivistinnen, freut sich. Seit 40 Stunden hält sich die Gruppe in dem Gebäude auf, seit 17 Uhr am Ostersonntag, um genau zu sein – damit hat sie länger durchgehalten als andere Besetzungen. Zeitgleich ist auch ein Haus in der Weilburger Straße, ebenfalls im Gallus, besetzt worden, beide Aktionen haben Menschen aus dem ehemaligen Institut für vergleichende Irrelevanz (IvI) durchgeführt. Das autonome Kulturzentrum im Kettenhofweg war ziemlich genau vor einem Jahr – nach einem Jahrzehnt der Duldung – von der Polizei geräumt worden. Jetzt ist „IvI Resurrection“ angesagt, Auferstehung – ein „schlechter Osterwitz“, wie Gruppensprecherin Sarah ironisch sagt. Doch das Anliegen ist ernst: Die Aktivisten wollen ein neues autonomes Zentrum für „subkulturelle Nischenprojekte“.
Das Haus in der Weilburger Straße wurde am Ostermontag nach einem Polizeieinsatz freiwillig geräumt, die Besetzer sind in die Hohenstaufenstraße gezogen. In der Nacht wurde eine Party gefeiert, 200 bis 300 Personen sollen nach Angaben von Sarah gekommen sein, Stapel von Getränkekisten zeugen davon. Der Veranstaltungsraum ist mit Folie dekoriert, jetzt will sich die Gruppe etwas häuslicher einrichten, etwa mit Möbeln. Die Gruppe hat ein Kulturprogramm zusammengestellt, geplant sind autonome Tutorien, eine Filmvorführung, ein Konzert. Bis zum 1. Mai hoffen die Besetzer bleiben zu können. Eine Zwischennutzung, da die Eigentümerin des Gebäudes, die CA Immo, das Gebäude bald abreißen lassen will. „Wir wollen mit der CA Immo kommunizieren“, sagt Sarah. „Wir sind zu einem Kompromiss bereit.“ Laut Medienberichten hat aber die CA Immo einen Strafantrag gegen die Besetzer gestellt, eine Räumung steht damit kurz bevor. Doch von Polizei ist am Dienstagvormittag nichts zu sehen.
Dass die Wahl der Besetzer auf das ehemalige Atelierfrankfurt gefallen ist, hat zwei Gründe: Zum einen, dass es am Rand des Europaviertels liegt. „Das Europaviertel steht für alles, was wir an der Frankfurter Stadtentwicklung Scheiße finden“, sagt Sarah. Da der Wohnraum dort überwiegend für Gutverdienende gemacht sei, hielten die Aktivisten dieses Viertel nicht für sinnvoll angesichts des fehlenden und immer knapper werdenden Wohnraums für Geringverdiener. Zum anderen sei das Gebäude für das Kulturprogramm gut geeignet, da es eine moderne Ausstattung und einen großen Veranstaltungsraum habe.
Seit der Räumung des IvI ist einiges passiert: IvI-nahe Gruppen wie „Leerstelle“ und „Blauer Block“ haben mehrere Gebäude besetzt, etwa in einer leerstehenden Villa in der Georg-Voigt-Straße, es wurden Partys im öffentlichen Raum organisiert, auch eine Kundgebungsreihe gegen Rassismus fand statt. Nur eines ist nicht eingetroffen: Es gibt immer noch kein neues IvI. Das wolle man ändern, sagt Sarah. Die verschiedenen Gruppen, die einst in dem autonomen Kulturzentrum versammelt waren, wollten einen gemeinsamen Raum, um sich besser austauschen zu können. Diesen zu finden sei möglich, so die Sprecherin, wenn nur der Wille bestehe, doch sie ist skeptisch, dass die Stadt diesen aufbringt. „Solange es kein IvI gibt“, sagt Sarah, „wird es weitere Besetzungen geben.“
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