Das Wahrzeichen im Frankfurter Süden steht wieder – neben dem Henninger Turm entsteht ein ganzes Stadtviertel. Jetzt gibt es Führungen über die Baustelle. Wir waren bei einer dabei.
Nicole Nadine Seliger /
Frankfurt, Brauerei, Radrennen – das verbinden viele Frankfurter mit dem Henninger Turm. Seit seiner Fertigstellung 1961 gehörte der Betonbau am Hainer Weg zum Panorama Frankfurts und war untrennbar mit der Stadt und deren Ruf als Brauerei-Standort verbunden. Einmal im Jahr zog er auch beim beliebten Radrennen alle Blicke auf sich: Bis 2008 fieberten Zuschauer beim Ein-Tages-Klassiker „Rund um den Henninger Turm“ mit. Besucher konnten da schon lange nicht mehr die grandiose Aussicht über Frankfurt genießen. Wegen Problemen mit dem Brandschutz wurde der Turm 2002 für die Öffentlichkeit geschlossen. Mit dem Verkauf der Marke Henninger und der Stilllegung des Brauereibetriebs verlor der markante Bau zunehmend an Bedeutung. Als das ehemalige Getreidesilo der Henninger Brauerei 2013 abgerissen wurde, verschwand mit dem Ausflugsziel auch ein Wahrzeichen aus dem Stadtbild.
Nur wenige Meter vom ursprünglichen Standort entfernt, begannen im Jahr darauf die Arbeiten auf der großen Baustelle im Frankfurter Süden. Am Sachsenhäuser Berg wird seither ein Areal mit Eigentumswohnungen und Geschäften der Nahversorgung gebaut. Blickfang ist der neue Henninger Turm, der als Wohnturm wieder auf der Bildfläche erscheint.
Optisch orientiert sich der neue Turm klar an seinem Vorgänger und doch unterscheidet sich das Gebäude grundlegend. Aus der Ferne gesehen, erscheint die Oberfläche des Gebäudes strukturiert und einheitlich, doch bei näherer Betrachtung wird die aufgebrochene Fassade sichtbar. Während die Nordseite das Muster des alten Turms widerspiegelt, unterstreichen die anderen Seiten dank der individuell angebrachten Balkone und Wintergärten den modernen Charakter. Christoph Schaab aus dem Vertrieb der Immobiliengesellschaft Actris Henninger Turm GmbH spricht gar von einer „lebendigen Fassade“.
Mit seinen 140 Metern überragt der Bau das alte Wahrzeichen um 20 Meter, doch das charakteristische Fässchen auf dem Dach des Turms bleibt. Versprühte der alte Turm aus Beton und Stahl eher nüchternen Nachkriegs-Charme, verwendeten die Architekten diesmal hellen und dunklen Jura-Naturstein. Die moderne Bauart korrespondiert mit dem energetischen Konzept: Durch Geothermie sollen die Energiekosten des Hauses gering gehalten werden. Der größte Unterschied ist wohl die Nutzung des Gebäudes: Wo über Jahrzehnte Getreide zum Bierbrauen lagerte, können Anfang nächsten Jahres 208 Eigentumswohnungen auf insgesamt 40 Etagen bezogen werden.
Fast alle der exklusiven Apartments mit Balkon und Wintergarten sind laut der Immobiliengesellschaft bereits vermittelt. Separat vermarktet werden die vier Penthäuser im Fass-Aufsatz oberhalb des Turms. Schaab betont, dass es für viele potentielle Käufer aus der Umgebung ein besonderer Reiz sei, in dem ehemaligen Wahrzeichen zu wohnen. Bei Quadratmeterpreisen ab 6500 Euro wird allerdings schnell klar, dass sich nicht jeder heimat- und nostalgieverbundene Interessent diesen Wunsch erfüllen kann. Wer kaufkräftig genug ist, bekommt einen Concierge-Service, bequemen Zugang zur turmeigenen Tiefgarage und vor allem einen atemberaubenden Blick auf die Stadt und das Rhein-Main-Gebiet. Bei klarer Sicht ist es möglich, bis zum Odenwald und zum Spessart zu schauen. Bei klarster Sicht sogar darüber hinaus.
Für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben die oberen Stockwerke des Fasses. Ein separater Aufzug bringt die Besucher in wenigen Sekunden hinauf auf knapp 140 Meter Höhe. Neben einer Aussichtsplattform beherbergen die obersten Etagen wie früher ein Restaurant. Den drehbaren Fußboden gibt es nun nicht mehr, doch eine spektakuläre Sicht auf Frankfurt und Umgebung ist dank bodentiefer Fenster garantiert. Eine großzügige Außenterrasse in luftiger Höhe verspricht einen Restaurantbesuch, für den man schwindelfrei sein sollte. Mit dem gebürtigen Frankfurter Christian Mook zieht ein Szene-Gastronom ein, der eine „anspruchsvolle, aber nicht abgehobene Küche“ anbieten will, wie Schaab verrät. Name und Einzelheiten zum Restaurant sollen erst Ende des Jahres bekannt gegeben werden. Die Historie des Sachsenhäuser Bergs als Standort von Brauereien wird dagegen in der Brauhaus-Gastronomie im Podium des Turms fortgesetzt.
Ein breiter Boulevard soll in Zukunft das prestigeträchtige Gebäude mit den umliegenden Wohnhäusern in den sogenannten Stadtgärten verbinden. In den vier- bis fünfgeschossigen Bauten sollen in den kommenden Jahren weitere 800 Wohnungen entstehen. Der erste Bauabschnitt ist bereits fertig, bis 2019/2020 sollen die drei weiteren folgen. Wo jetzt noch Baufahrzeuge am Werk sind, sollen dann auch Grünflächen zwischen den Häusern für ein schönes Ambiente sorgen. Dank eines halb öffentlichen Parks können auch Frankfurter, die nicht am Sachsenhäuser Berg wohnen, das neue Viertel kennenlernen. Der Henninger Turm wird damit wieder in aller Munde sein, aber künftig weniger mit dem Bierbrauen als mit exklusivem Wohnen in Verbindung gebracht.
>> Exklusive Baustellen-Führungen / Henninger Turm Nur nach Voranmeldung, Eintritt: 15,-, Infos und Buchung: www.frankfurter-stadtevents.de