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IAA und Atelier Markgraph
Hinter den Kulissen der Mercedes-Halle
Seit 20 Jahren wird die Mercedes-Halle in Frankfurt konzipiert und designed. Roland Lambrette vom Gestaltungsbüro Atelier Markgraph will dennoch nicht über die Vergangenheit sprechen. Ein Rundgang durch die Gegenwart.
Sicher, da unten liegen unzählige LED, tausende Kabel, die Effekte sind beeindruckend, der Sound perfekt abgestimmt, die Innenarchitektur bis ins Detail geplant, die Festhalle nicht wiederzuerkennen mit Rolltreppen und Autos auf drei Ebenen. Roland Lambrette sagt aber: "Wichtig ist die Redaktion." Das hört man als Journalist natürlich gern. Er sagt es aber nicht deswegen. "Es kommt darauf an, sich genau zu überlegen, wie man die Botschaft vermittelt. Letztlich geht es hier nur um Kommunikation." Deswegen in der Mitte und über mehrere Galerien von allen Seiten gut einzusehen: eine mehrfach gebrochene Bühne, auf der die Autos über Animationen fahren, auf denen ihnen virtuelle Blitze folgen, Spotlights aufreißen, wo plötzlich eine überlebensgroße Opernsängerin ein tonnenschweres Auto mit ihrer Hand zu umschmeicheln scheint. Das ältere Ehepaar vor uns wendet sich von der Show kurz ab, schaut sich an, überlegt kurz und dreht sich dann um, um einen der vielen Wagen des Stuttgarter Autokonzerns etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. "Genauso soll es sein", sagt Lambrette und freut sich. Genau wie darüber, dass es nach dem Ende der 15-minütigen Vorführung, die sich dutzendemale am Tag wiederholt, Szenenapplaus gibt.
Roland Lambrette gehört zum Atelier Markgraph, ein Jahr zuvor begannen er und sein Team zusammen mit dem Team bei Mercedes, den Architekten und Lichtplanern mit der Arbeit. Wieder einmal. Es ist die zwölfte IAA, bei der das Frankfurter Gestaltungsbüro für Mercedes-Benz mitwirkt. 20 Jahre. Lambrette ist seit Anbeginn dabei. "Aber eigentlich habe ich kein großes Interesse über die Vergangenheit zu sprechen", sagt er. Viel relevanter seien doch andere Fragen: Was fasziniert das Publikum jedes Mal aufs Neue an dieser Internationalen Automobilausstellung? Warum werden Messen wie diese wichtiger in einer Welt, die zunehmend nach Digitalien übersiedelt? Und nicht zuletzt: Was fasziniert ihn, den Designer, jedes Mal aufs Neue an dieser Arbeit?
Vor gut sechs Wochen begann der Aufbau, begann die Verwandlung einer Konzerthalle in einen multimedialen Schau- und Erklärraum. "Viele Leute von außerhalb denken ja, die Festhalle sähe immer so aus." Das Team schwillt in den Monaten kurz vor der Eröffnung auf gut 20 Leute an, dazu kommen noch Film- und Post-Production-Firmen, kommen die vielen Mitarbeiter von Daimler-Benz selbst, kommen auch Catering-Firmen und Freelancer wie Chris Cuhls. Der steht im Regieraum mit einigen Kollegen vor Monitoren und Reglern, gesteuert wird das Video- und Soundsystem durch die Software v4, auch sie kommt aus Frankfurt von der Firma Meso. "Auf meiner Visitenkarte steht die Jobbeschreibung Ablaufregisseur", sagt Cuhls und dann erklärt er Lambrette, warum das Ende der Show eine kaum spürbare Sekunde früher kommt. "Die Arbeit an den Feinheiten wird bis zum Ende der Messe nicht aufhören", sagt Roland Lambrette als wir aus dem Regieraum wieder heraus sind.
Ein paar Schritte schlendern wir mit dem Besucherstrom, trotz der Menschenmassen sieht nichts nach Hektik aus, die tatsächlichen und potentiellen Kunden von Mercedes sollen flanieren, sollen sich berieseln, inspirieren, informieren lassen. Wer einmal in der Halle drin ist, fährt mit der Rolltreppe ganz nach oben auf die zweite Ebene und begibt sich auf einen ca 600 Meter langen Rundgang über die Ausstellungsebenen. Verschreckt das nicht manche? "Wir verlieren ganz wenige. Und wenn, dann gleich unten am Eingang. Dort erhält der Besucher einen ersten Überblick über den Stand und kann selbst entscheiden, ob er den Ausstellungsrundgang antreten möchte. Aber schauen Sie sich die anderen Hallen an: Die Menschen wissen nicht genau, wo sie eigentlich hinschauen sollen, oder sie haben hinterher das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. Das passiert hier nicht. Uns ist es wichtig, dass der Besucher jederzeit Orientierung hat und das wertvolle Gut der Aufmerksamkeit selbst einteilen kann." Für ihn, den Gestalter mit AAA-Pass, gibt es natürlich Auswege. Rechts durch eine unscheinbare Tür, hinab in den Maschinenraum der Festhalle.
In den endlos erscheinenden Fluren begegnen uns Hostessen und Köche, Sicherheitsleute und Hausmeister, Tontechniker und Putzfrauen. Schließlich gelangen wir durch eine weitere Tür in den dunklen Backstage-Bereich, zwei Fachleute überwachen die Bühnentechnik hinter blinkenden Servern aus denen Ethernet-Kabel quillen, ihre Ausrüstung bauen sie auch bei Rockkonzerten auf, bei The Killers waren sie zuletzt, wie sie erzählen. Das wenige Licht hinter der Bühne kommt von vereinzelten Scheinwerfern und von Monitoren auf denen beständig Countdowns heruntergezählt werden, immer wieder, den ganzen Tag lang, wichtige Zeichen für die zwölf Präzisionsfahrer, die dann von ihren Sesseln aufspringen, und in einen CLA, in einen Smart oder ein altes Haifisch-Flossenmodell steigen und losfahren, stets unfallfrei, "auf die", sagt Roland Lambrette, "können wir uns immer verlassen", der Faktor Mensch kann ein sehr beruhigender sein.
Dass das so ist, liegt auch an einer blonden Frau, die in der Pause zwischen zwei Shows sagt: "Ok, jetzt haben wir acht Minuten Zeit." Sandra Kier koordiniert die Fahrer nicht nur, sie kauft sie auch ein für diese drei Wochen IAA. "Die müssen nicht nur ihr Handwerk beherrschen, wenn man so lange mit jemanden am Stück arbeitet, will man auch einfach nette Menschen um sich herum haben", sagt sie. Das Geschäft von Frau Kier ist ein weltweites, ihr Zuhause in Solingen sieht sie nicht oft, "umso mehr freut man sich dann, wenn man mal wieder da ist." Gleich nach der IAA geht es aber schon weiter Richtung Spanien und Portugal, Drehs für Auto-Werbefilme stehen an, aber auch bei Hollywoodfilmen ist die Stuntfrau dabei, vergangenes Jahr war sie bei RED 2 dabei, der Untertitel des Hollywoodstreifens mit Bruce Willis, Helen Mirren und John Malkovich: "The best never rest." Würde ja auch gut aufs Leben von Sandra Kier passen.
Anders als im Actionfilm geht es bei Mercedes-Benz darum, die Autos eben grade nicht zu beschädigen. Und nicht zu schnell zu fahren. Und an den richtigen Stellen in der Halle zum Stehen zu kommen. Und so zu fahren, dass die Animationen an den Wänden und im Boden wie auch die Musik die Fahrt begleiten. "Das ist schwieriger als es aussieht", sagt sie in die Dunkelheit hinein.
Wir gehen wieder ans Licht, aus der Festhalle heraus, die Parallelwelt liegt hinter uns. Wird es in zwanzig Jahren noch die IAA geben, Herr Lambrette? "Die Messe", sagt der, "existiert hier in Frankfurt seit über 750 Jahren." Im Übrigen gehe es bei einer Messe immer um Innovation. Wolf Lotter – Mitbegründer von brand eins – vertritt die These, dass großzügige Investitionen, und dazu gehören Messen, Voraussetzung für Innovation sind. Beziehungsweise, anders gefragt: Ein Jahr Vorbereitung für zwei Wochen Show – ist es das wert? "Die Branche ist so getaktet, alles läuft auf diesen einen Punkt hinaus." Der Rhythmus der IAA gebe den Rhythmus der Industrie vor, bestimme ihre Innovationsfähigkeit. Auch für die Gestaltung habe die IAA Vorteile. "Wir bauen hier nichts für die Ewigkeit, das macht die Entscheidungswege leichter – und damit die Freiheit größer, Sachen auszuprobieren, die sonst unmöglich sind." Bei der Autoschau kommen kreativer und finanzieller Spielraum zusammen. "Das ist nicht nur eine Messe für Autoliebhaber. Es ist auch eine Messe für Architekten, Gestalter, Lichtdesigner, Motiondesigner, Computerspezialisten. Manchmal wünschte ich mir, hier noch mehr Besucher aus diesen Bereichen zu sehen." Wer die Hallen anschaut, die von Audi, die von BMW, VW oder eben auch die von Mercedes, der wird denken: ein bisschen wahnsinnig ist das alles schon. Wie ein Feuerwerk, von dem erst nur Rauch übrigbleibt und Reflexe auf der Netzhaut, und schließlich nichts als schlichte Erinnerungen. "Es muss nicht immer schneller und immer actiongeladener werden, wenn ich allein schon die Worte 'Adrenalin pur' höre... nein, es geht um die Vermittlung von Inhalten. Mercedes sind die mit den Autos, die selbständig vor Fußgängern halten. So einfach ist eine der Botschaften, die unsere Show vermittelt." Wer möchte kann tiefer in die Themen einsteigen, kann seine Kinder auf einen Wissensparcour schicken, während er mit einem Stuttgarter Autodesigner über die fließenden Formen der S-Klasse debattiert. Kommunikation, darum geht es. Die braucht Raum. Und zwar keinen virtuellen.
Roland Lambrette gehört zum Atelier Markgraph, ein Jahr zuvor begannen er und sein Team zusammen mit dem Team bei Mercedes, den Architekten und Lichtplanern mit der Arbeit. Wieder einmal. Es ist die zwölfte IAA, bei der das Frankfurter Gestaltungsbüro für Mercedes-Benz mitwirkt. 20 Jahre. Lambrette ist seit Anbeginn dabei. "Aber eigentlich habe ich kein großes Interesse über die Vergangenheit zu sprechen", sagt er. Viel relevanter seien doch andere Fragen: Was fasziniert das Publikum jedes Mal aufs Neue an dieser Internationalen Automobilausstellung? Warum werden Messen wie diese wichtiger in einer Welt, die zunehmend nach Digitalien übersiedelt? Und nicht zuletzt: Was fasziniert ihn, den Designer, jedes Mal aufs Neue an dieser Arbeit?
Vor gut sechs Wochen begann der Aufbau, begann die Verwandlung einer Konzerthalle in einen multimedialen Schau- und Erklärraum. "Viele Leute von außerhalb denken ja, die Festhalle sähe immer so aus." Das Team schwillt in den Monaten kurz vor der Eröffnung auf gut 20 Leute an, dazu kommen noch Film- und Post-Production-Firmen, kommen die vielen Mitarbeiter von Daimler-Benz selbst, kommen auch Catering-Firmen und Freelancer wie Chris Cuhls. Der steht im Regieraum mit einigen Kollegen vor Monitoren und Reglern, gesteuert wird das Video- und Soundsystem durch die Software v4, auch sie kommt aus Frankfurt von der Firma Meso. "Auf meiner Visitenkarte steht die Jobbeschreibung Ablaufregisseur", sagt Cuhls und dann erklärt er Lambrette, warum das Ende der Show eine kaum spürbare Sekunde früher kommt. "Die Arbeit an den Feinheiten wird bis zum Ende der Messe nicht aufhören", sagt Roland Lambrette als wir aus dem Regieraum wieder heraus sind.
Ein paar Schritte schlendern wir mit dem Besucherstrom, trotz der Menschenmassen sieht nichts nach Hektik aus, die tatsächlichen und potentiellen Kunden von Mercedes sollen flanieren, sollen sich berieseln, inspirieren, informieren lassen. Wer einmal in der Halle drin ist, fährt mit der Rolltreppe ganz nach oben auf die zweite Ebene und begibt sich auf einen ca 600 Meter langen Rundgang über die Ausstellungsebenen. Verschreckt das nicht manche? "Wir verlieren ganz wenige. Und wenn, dann gleich unten am Eingang. Dort erhält der Besucher einen ersten Überblick über den Stand und kann selbst entscheiden, ob er den Ausstellungsrundgang antreten möchte. Aber schauen Sie sich die anderen Hallen an: Die Menschen wissen nicht genau, wo sie eigentlich hinschauen sollen, oder sie haben hinterher das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. Das passiert hier nicht. Uns ist es wichtig, dass der Besucher jederzeit Orientierung hat und das wertvolle Gut der Aufmerksamkeit selbst einteilen kann." Für ihn, den Gestalter mit AAA-Pass, gibt es natürlich Auswege. Rechts durch eine unscheinbare Tür, hinab in den Maschinenraum der Festhalle.
In den endlos erscheinenden Fluren begegnen uns Hostessen und Köche, Sicherheitsleute und Hausmeister, Tontechniker und Putzfrauen. Schließlich gelangen wir durch eine weitere Tür in den dunklen Backstage-Bereich, zwei Fachleute überwachen die Bühnentechnik hinter blinkenden Servern aus denen Ethernet-Kabel quillen, ihre Ausrüstung bauen sie auch bei Rockkonzerten auf, bei The Killers waren sie zuletzt, wie sie erzählen. Das wenige Licht hinter der Bühne kommt von vereinzelten Scheinwerfern und von Monitoren auf denen beständig Countdowns heruntergezählt werden, immer wieder, den ganzen Tag lang, wichtige Zeichen für die zwölf Präzisionsfahrer, die dann von ihren Sesseln aufspringen, und in einen CLA, in einen Smart oder ein altes Haifisch-Flossenmodell steigen und losfahren, stets unfallfrei, "auf die", sagt Roland Lambrette, "können wir uns immer verlassen", der Faktor Mensch kann ein sehr beruhigender sein.
Dass das so ist, liegt auch an einer blonden Frau, die in der Pause zwischen zwei Shows sagt: "Ok, jetzt haben wir acht Minuten Zeit." Sandra Kier koordiniert die Fahrer nicht nur, sie kauft sie auch ein für diese drei Wochen IAA. "Die müssen nicht nur ihr Handwerk beherrschen, wenn man so lange mit jemanden am Stück arbeitet, will man auch einfach nette Menschen um sich herum haben", sagt sie. Das Geschäft von Frau Kier ist ein weltweites, ihr Zuhause in Solingen sieht sie nicht oft, "umso mehr freut man sich dann, wenn man mal wieder da ist." Gleich nach der IAA geht es aber schon weiter Richtung Spanien und Portugal, Drehs für Auto-Werbefilme stehen an, aber auch bei Hollywoodfilmen ist die Stuntfrau dabei, vergangenes Jahr war sie bei RED 2 dabei, der Untertitel des Hollywoodstreifens mit Bruce Willis, Helen Mirren und John Malkovich: "The best never rest." Würde ja auch gut aufs Leben von Sandra Kier passen.
Anders als im Actionfilm geht es bei Mercedes-Benz darum, die Autos eben grade nicht zu beschädigen. Und nicht zu schnell zu fahren. Und an den richtigen Stellen in der Halle zum Stehen zu kommen. Und so zu fahren, dass die Animationen an den Wänden und im Boden wie auch die Musik die Fahrt begleiten. "Das ist schwieriger als es aussieht", sagt sie in die Dunkelheit hinein.
Wir gehen wieder ans Licht, aus der Festhalle heraus, die Parallelwelt liegt hinter uns. Wird es in zwanzig Jahren noch die IAA geben, Herr Lambrette? "Die Messe", sagt der, "existiert hier in Frankfurt seit über 750 Jahren." Im Übrigen gehe es bei einer Messe immer um Innovation. Wolf Lotter – Mitbegründer von brand eins – vertritt die These, dass großzügige Investitionen, und dazu gehören Messen, Voraussetzung für Innovation sind. Beziehungsweise, anders gefragt: Ein Jahr Vorbereitung für zwei Wochen Show – ist es das wert? "Die Branche ist so getaktet, alles läuft auf diesen einen Punkt hinaus." Der Rhythmus der IAA gebe den Rhythmus der Industrie vor, bestimme ihre Innovationsfähigkeit. Auch für die Gestaltung habe die IAA Vorteile. "Wir bauen hier nichts für die Ewigkeit, das macht die Entscheidungswege leichter – und damit die Freiheit größer, Sachen auszuprobieren, die sonst unmöglich sind." Bei der Autoschau kommen kreativer und finanzieller Spielraum zusammen. "Das ist nicht nur eine Messe für Autoliebhaber. Es ist auch eine Messe für Architekten, Gestalter, Lichtdesigner, Motiondesigner, Computerspezialisten. Manchmal wünschte ich mir, hier noch mehr Besucher aus diesen Bereichen zu sehen." Wer die Hallen anschaut, die von Audi, die von BMW, VW oder eben auch die von Mercedes, der wird denken: ein bisschen wahnsinnig ist das alles schon. Wie ein Feuerwerk, von dem erst nur Rauch übrigbleibt und Reflexe auf der Netzhaut, und schließlich nichts als schlichte Erinnerungen. "Es muss nicht immer schneller und immer actiongeladener werden, wenn ich allein schon die Worte 'Adrenalin pur' höre... nein, es geht um die Vermittlung von Inhalten. Mercedes sind die mit den Autos, die selbständig vor Fußgängern halten. So einfach ist eine der Botschaften, die unsere Show vermittelt." Wer möchte kann tiefer in die Themen einsteigen, kann seine Kinder auf einen Wissensparcour schicken, während er mit einem Stuttgarter Autodesigner über die fließenden Formen der S-Klasse debattiert. Kommunikation, darum geht es. Die braucht Raum. Und zwar keinen virtuellen.
Fotogalerie: Mercedes-Benz auf der IAA
20. September 2013, 19.23 Uhr
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