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Leerstelle: Ein Hausbesetzer im Gespräch

"Städteplanung sollte sich nicht über die Bürger hinwegsetzen"

John C. engagiert sich bei der Gruppe Leerstelle, die vor kurzem eine leerstehende Villa in Bockenheim für vier Stunden besetzt hielt. Im Interview spricht er über Gentrifizierung, die Wohnbaupolitik und geplante Aktionen.
Journal Frankfurt: Am 15. März haben Sie und etliche Mitstreiter eine leerstehende Villa in der Georg-Voigt-Straße besetzt. Das Haus gehört der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding. Wie sind Sie auf die Liegenschaft gekommen?
John C.: Ein Nachbarhaus wurde schon zu Weihnachten temporär für eine Party besetzt. So haben wir erstmals Wind von den Objekten bekommen. Die Villen stehen auf dem 18 Hektar großen Gebiet des sogenannten Kulturcampus', wir begreifen unsere Besetzung als Protest gegen die Ansiedlung elitärer Kultureinrichtungen auf dem Gelände und damit auch gegen die forcierte Mietsteigerung in Bockenheim. Den Bürgern wurde immer wieder versprochen, dass ihre Wünsche bei der Bebauung berücksichtigt würden, doch davon war in den letzten Monaten nur noch wenig zu spüren. Es macht den Eindruck, dass es der ABG vor allem um Rentabilität geht.

Jetzt wurde gerade das Philosophicum an eine Initiative für alternatives und soziales Wohnen verkauft, obwohl es höhere Angebote von anderen Investoren gab. Ist da noch von einer Profitorientierung der ABG zu sprechen?
Alles in allem wirkt der Verkauf eher wie ein PR-Coup der ABG, um ihr in letzter Zeit doch sehr angegriffenes Image zu retten. Auch wenn die städtische Politik das jetzt als einen großen Erfolg ihrer Planung und des offenen Dialogs feiern sollte, ist diese Wendung doch wohl eher den solidarischen Protesten, den Hausbesetzungen und vor allem dem vehementen Engagement der Projektgruppe selbst zuzuschreiben. Es wird deutlich, dass sich die Städteplanung nicht einfach über die Interessen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger hinwegsetzen kann.

ABG-Chef Frank Junker bestreitet, dass die Villen, wie Sie es in einer Mitteilung ausdrückten, luxussaniert werden sollen. Man orientiere sich am Mietspiegel. Kann man der mehrheitlich städtischen Gesellschaft wirklich Spekulation vorwerfen?
Fakt ist, dass der Mietspiegel in Bockenheim steigt – nicht zuletzt weil angrenzende Viertel wie das Westend, aber auch das neue Europaviertel das Gebiet mit „aufwerten“. Die Mieten sind zuletzt um 20 Prozent gestiegen. Die Frage ist also eher, wie man den Begriff Luxuswohnung definiert. Für den Mittelstand ist es jedenfalls schwierig, für ärmere Schichten schlicht unmöglich, die derzeitigen Mieten im Viertel zu bezahlen. Auch viele der an der Hausbesetzung beteiligten Aktivisten sind Opfer der Frankfurter Wohnraumpolitik, sie müssen aus Frankfurt wegziehen, weil sie Wohnungen in der Stadt nicht mehr bezahlen können.

Wie muss man sich Ihre Gruppe vorstellen? Wie organisieren Sie sich?
Ich würde es mal als dynamische Kooperation bezeichnen. Von einer festen Gruppe kann man da nicht sprechen. Vor allem sind wir Studenten, Auszubildende, aber auch Schüler. Begonnen hat es mit der Aktion "Schlaflos in Frankfurt" im Oktober 2011, als ein leerstehendes Haus in der Schumannstraße 60 besetzt wurde. Es entstand eine neue Ära von Hausbesetzungen in Frankfurt. Damals wurde offenkundig, dass alternative studentische Projekte nicht nur auf dem neuen Campus der Universität im Westend scheitern, sondern ihr Raum auch in der Stadt selbst beschnitten wird. Ein Prozess, der mit der Räumung des Instituts für vergleichende Irrelevanz (IvI) seinen bisherigen Höhepunkt fand. Dagegen wenden wir uns.

Das von Ihnen besetzte Haus war nach vier Stunden wieder geräumt. Wären Sie gerne länger geblieben?

Wir hatten vieles geplant und einiges initiiert. Es gab bereits ein behelfsmäßig eingerichtetes Café und eine Ausstellung. Am Abend sollte es mit einem Vortrag über das IvI-Projekt weitergehen, seit der Räumung dort sind viele Kunst- und Kulturprojekte wie etwa die Translib ohne Raum und wirkliche Möglichkeiten. Wir sind gespannt, wie lange die ABG braucht, um mit den Bauarbeiten zu beginnen – denn daran zeigt sich, wie lange wir das Haus zumindest temporär hätten nutzen können.

Es gibt noch genug Leerstand in Frankfurt – warum einigen Sie sich nicht mit
Hausbesitzern über solche temporären Nutzungen?

Eine dauerhafte Nutzung ist unser Ziel, das Temporäre und die Absprachen mit Vermietern oder der Stadt sorgen ja gerade dafür, dass es Einschränkungen gibt und wirklich autonome Kulturarbeit eben nicht möglich ist. Die leeren Worte, mit denen auch Oberbürgermeister Peter Feldmann am Montag nach der Besetzung auf einer Podiumsdiskussion unsere Ziele lobte, bleiben aber wohl folgenlos. Er betonte zwar die Notwendigkeit des selbstverwalteten Raums, erachtet allerdings die vorhandenen Räume als ausreichend. Explizit genannt hat er das Café Exzess oder das Klapperfeld, aber das sind eben nur sehr kleine und von der räumlichen Struktur und ihrer Geschichte her eingeschränkte Möglichkeiten, die es in Frankfurt gibt.

ABG-Chef Junker hat uns gegenüber angekündigt, gegen Sie Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Haben Sie schon Post bekommen?
Die Aktivisten, die polizeilich erfasst wurden, haben noch keinen Schriftsatz bekommen. Es wäre nebenbei bemerkt auch nicht zu verstehen, wenn eine städtische Wohnungsbaugesellschaft gegen politischen Protest juristisch vorginge und diesen so kriminalisiere.

Herr Junker betont, er habe Sie mehrfach zum Verlassen des Gebäudes aufgerufen. Dem seien Sie nicht nachgekommen.

Angebote für Zwischennutzungen oder sonstige Gesprächsangebote hat er ausgeschlagen. Er hat uns gesagt: "In 15 Minuten seid ihr da draußen, sonst wird es ungemütlich."Und ungemütlich ist es dann ja auch geworden. Die Polizei wurde, nachdem sie mehrere Türen durchbrochen hatte, von uns mit Konfetti und Luftschlangen begrüßt, um unsere Gewaltfreiheit zu unterstreichen. Einige Aktivisten wurden von den Polizisten gleich
auf den Boden geworfen, andere setzten sich daraufhin auch, damit ihnen nicht das gleiche geschieht. Sie wurden mit Taschenlampen geblendet, was die Situation sehr unübersichtlich machte. Ein von uns auf den Balkon gebrachter Generator blies Abgase in den Raum, die Bitten, ihn auszustellen, wurden von der Polizei abgelehnt. Nach einiger Zeit beschlossen die Beamten, die Personenkontrolle im Nebenraum
durchzuführen und holten einzelne Aktivisten aus der Gruppe heraus, dabei wurden sie über den Boden geschleift, einer Person wurde gezielt auf die Hand getreten. Bei der Personenkontrolle wurden die Aktivisten am ganzen Körper abgefilmt. So harmlos und friedlich, wie das in einigen Artikeln zu lesen war, ging es nicht ab.

Was haben Sie nun vor? Planen Sie weitere Hausbesetzungen?

Am Donnerstag sind wir erstmal bei der Demonstration gegen die aktuelle Politik auf und um den Kulturcampus mit einem Redebeitrag vertreten. Aber sicher ist auch: Solange die Stadt ihre Politik in Bezug auf Wohnungsbau und alternative Kulturprojekte nicht ändert, wird es immer wieder Gruppen geben, die sich leerstehende Immobilien aneignen. Diese Stadt hat eine lange Geschichte selbstverwalteter Projekte, doch der Raum dafür ist immer kleiner geworden. Die Bürgerhäuser der Stadtteile stehen seit der Umwandlung in Saalbauten, also in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eben nicht mehr allen Bürgern offen. Das ist nur ein Beispiel, das zeigt, warum es Proteste wie Hausbesetzungen immer wieder geben wird, solange die Stadt keinen Raum länger zur Verfügung stellt oder die Aneignung nicht toleriert.

Soll die Stadt Ihnen jetzt ein Haus schenken und dann ist Ruhe – oder wie ist das zu verstehen?

Nein, es muss aber möglich sein, den massiven Leerstand in dieser Stadt zu nutzen. Das IvI gab es fast zehn Jahre - und es hat gezeigt, dass sich autonome Projekte problemlos in den städtischen Raum einfügen können.
 
Fotogalerie:
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2. April 2014, 14.31 Uhr
Interview: Nils Bremer
 
 
 
 
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