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Am Rande des Naxosviertels im Ostend
Zu Besuch bei den Gentrifizierungsopfern in der Wingertstraße
Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) setzt sich für Mieter in der Wingertstraße 21 ein. Das Haus soll dem aufgewerteten Naxosviertel angepasst werden - gegen den Willen der Mieter.
Mit dem Bau der Europäischen Zentralbank hat das Ostend einen Auftrieb erfahren. Das zeigt sich auch in der Wingertstraße, wo viele Gebäude gut in Schuss sind und die ABG auf dem benachbarten Naxosgelände 116 Miet- und Eigentumswohnungen errichtet hat. Günstig sind die Mieten dort nicht, warum auch in einem aufstrebenden Viertel? Da geht noch was, dachten sich wohl auch die neuen Eigentümer der Wingertstraße 21, die Rohleder & Paz GbR, als sie das Gebäude mit zehn Wohnungen vor zwei Jahren erstanden.
Bald schon wurden die Mieter mit den Plänen der Eigentümer vertraut gemacht, Umbauten zu Lofts und einem Penthouse seien geplant, sagt Thomas Heinzelmann-Ekoos, der seit 1999 in dem Gebäude wohnt und dort auch bleiben möchte. Doch die verbliebenen sechs Wohnparteien stören den Eigentümer. Die Bewohner haben als Haus- und Lebensgemeinschaft einen Verein gegründet und wehren sich wie ein gallisches Dorf gegen die Vertreibung. An ihren Balkonen und Wohnungstüren haben sie kreative Schilder aufgehängt, worauf zu lesen ist: „Wir bleiben! Jetzt erst recht!“. Dabei machen es ihnen die Vermieter nicht einfach, wovon sich am Freitagnachmittag Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) selbst ein Bild machte.
Der Eigentümer entfernt Flurfenster
Einen Bauantrag hat die GbR in der Tasche, den Beginn der Arbeiten hatten die Besitzer jedoch nicht gemeldet. Dennoch steht vor der Fassade des Klinkerhauses ein monströses Gerüst. Die Schuppen im Hinterhof sollen schon abgerissen worden sein. Im Flur weht ein eisiger Wind – kein Wunder, der Hauseigentümer hat die Fenster herausnehmen lassen, billigend in Kauf nehmend, dass die Mieter frieren und ihre Heizkosten in die Höhe schnellen. Ein Sinnbild für „kalte Entmietung“. Die Bauaufsicht hat angeblich einen Baustopp verfügt und veranlasst, dass die Fenster mit blauer Plane verhängt werden, ein geringer Schutz vor den Minusgraden, aber immerhin. Noch etwas fällt auf: An einem Briefkasten sind zwölf Namensschilder zu lesen, die auf osteuropäische Bewohner schließen lassen. „Hier ist ein ständiges Kommen und Gehen, wir wissen nicht, wer in der Wohnung wirklich alles wohnt. Jedenfalls wird im Treppenhaus geraucht und im Keller gekocht, dass die Gerüche durchs ganze Haus ziehen“, sagt die Bewohnerin Almuth Meyer, der die Menschen nur Leid tun. Ob es sich um einen Fall von Überbelegung handelt, kann sie nicht sagen. Aber vielleicht sollen die neuen Bewohner abschrecken, denn offenbar sind die alten Bewohner im Weg. „Dabei zahlen wir dem Eigentümer doch allmählich seine Anschaffungskosten“, sagt Heinzelmann-Ekoos.
Mehr Miete – keine Leistung
Wir erfahren: Die erste Amtshandlung sei eine Mieterhöhung um 50 Euro gewesen. Das habe man hingenommen, die Wohnungsmieten entsprächen dem Mietspiegel. Allerdings wurden alle Dienstleistungen, für die gezahlt werden, eingestellt. Kein Winterdienst, kein Gärtner mehr, der Fahrradkeller sei abgeschafft, der Gemeinschaftsvertrag fürs Kabelfernsehen sei gekündigt worden, sagt Almuth Meyer. „Wir organisieren uns jetzt selbst.“ Den Vorgarten haben die Bewohner auf eigene Kosten angelegt. Aber der ist durch das Gerüst zerstört worden. 2,8 Millionen Euro fordere der Eigentümer in Annoncen für das Haus, zuvor habe er von Plänen gesprochen, die Eigentumswohnungen einzeln verkaufen zu wollen. Die Bewohner hätten daraufhin beschlossen, als Verein das Haus für 2 Millionen Euro zu kaufen. Konzepte für die Finanzierung lägen vor. Doch von dem angeblich zweimal abgegebenen Angebot will der Hausbesitzer nichts wissen. Gegenüber der FAZ äußerten sich die medienscheuen Hausbesitzer einmal abfällig über die Mieter, das seien arbeitslose Querulanten.
Spekulanten ohne Gnade
„Wir sind keine Nerds und keine Querulanten“, sagt Thomas Heinzelmann-Ekoos, der jedenfalls berufstätig ist. „Wir sind eine eingeschworene Hausgemeinschaft, aber jeder muss für sich sehen, wie weit er das ertragen kann. Auf vielen Schultern verteilt trägt man Lasten leichter“ Zwei Mieter seien bereits ausgezogen. „Was ist Wohn- und Lebensraum wert?“, fragt Heinzelmann-Ekoos. „Selbst wenn man mir 50 000 Euro bietet, ich will hier wohnen bleiben“, sagt der zweifache Familienvater, der seit den 1970er-Jahren in dem Viertel lebt. Der Mieter prangert die Schräglage an, die entstehe, weil Investoren mit Spekulationsabsicht Häuser schon für mehr Geld kauften als sie wert seien und dementsprechend resolut ihre Interessen notfalls auf dem Rücken der Mieter durchsetzten. Die Eigentümer würden jedenfalls nicht das Gespräch mit den Bewohnern suchen, man kommuniziere über Anwälte.
Der FAZ gegenüber rechtfertigte sich Eigentümer Edwin Rohleder so: "Wir machen nichts Böses." Man wolle nur renovieren, umbauen und Wohnraum schaffen, Häuser erhalten, investieren und Geld verdienen.
Das sagt der Oberbürgermeister
Thomas Heinzelmann-Ekoos freut sich zumindest, dass der Fall Wingertstraße die Aufmerksamkeit von Oberbürgermeister Peter Feldmann gefunden hat. „Feldmann hatte von Anfang an das Mietthema auf der Agenda und ist ein seriöser Gesprächspartner. Er macht sich die Mühe und schaut sich das selbst an.“ Ja, die Sorgen und Nöte, die hat sich Feldmann am Freitag angehört, wurde von den Mietern zum Kaffee eingeladen. Am Samstag hatte die Parteikollegin Ulli Nissen gar zu einer Mahnwache vor der Wingertstraße geladen. Die Öffentlichkeit ist den Bewohnern gewiss. Doch die anstehende Milieuschutzsatzung für das Gebiet, die werde zu spät kommen und vermutlich nicht mal greifen, muss auch Feldmann bei seinem Besuch eingestehen. „Wo steht die Stadt? Auf der Seite der Vermieter oder auf der Seite der Vertreiber?“, fragt Feldmann. Es sei keine Entmietung, viel mehr eine Vertreibung. „Was mich ärgert, ist, dass der Herzug der EZB schon so lange bekannt war und dass nicht reagiert wurde.“ Die Milieuschutzsatzung komme erst, obwohl man für Entscheidungen so viel Zeit gehabt habe, kritisiert er die Politik der schwarz-grünen Stadtregierung. „Ohne den Druck durch meine Anwesenheit geht es vielleicht nicht.“ Es gebe eine perverse Entwicklung in der Stadt. Mietzahler würden als arbeitslose Querulanten verunglimpft. „Das ist nicht in Ordnung! Da haben einige Menschen ihren Anstand verloren!“ sagt Feldmann und ermutigt: „Bleiben Sie standhaft!“ Tröstende Worte und Verständnis lindern das Leid, ob Feldmann den Bewohnern helfen kann, wird sich weisen.
Bald schon wurden die Mieter mit den Plänen der Eigentümer vertraut gemacht, Umbauten zu Lofts und einem Penthouse seien geplant, sagt Thomas Heinzelmann-Ekoos, der seit 1999 in dem Gebäude wohnt und dort auch bleiben möchte. Doch die verbliebenen sechs Wohnparteien stören den Eigentümer. Die Bewohner haben als Haus- und Lebensgemeinschaft einen Verein gegründet und wehren sich wie ein gallisches Dorf gegen die Vertreibung. An ihren Balkonen und Wohnungstüren haben sie kreative Schilder aufgehängt, worauf zu lesen ist: „Wir bleiben! Jetzt erst recht!“. Dabei machen es ihnen die Vermieter nicht einfach, wovon sich am Freitagnachmittag Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) selbst ein Bild machte.
Der Eigentümer entfernt Flurfenster
Einen Bauantrag hat die GbR in der Tasche, den Beginn der Arbeiten hatten die Besitzer jedoch nicht gemeldet. Dennoch steht vor der Fassade des Klinkerhauses ein monströses Gerüst. Die Schuppen im Hinterhof sollen schon abgerissen worden sein. Im Flur weht ein eisiger Wind – kein Wunder, der Hauseigentümer hat die Fenster herausnehmen lassen, billigend in Kauf nehmend, dass die Mieter frieren und ihre Heizkosten in die Höhe schnellen. Ein Sinnbild für „kalte Entmietung“. Die Bauaufsicht hat angeblich einen Baustopp verfügt und veranlasst, dass die Fenster mit blauer Plane verhängt werden, ein geringer Schutz vor den Minusgraden, aber immerhin. Noch etwas fällt auf: An einem Briefkasten sind zwölf Namensschilder zu lesen, die auf osteuropäische Bewohner schließen lassen. „Hier ist ein ständiges Kommen und Gehen, wir wissen nicht, wer in der Wohnung wirklich alles wohnt. Jedenfalls wird im Treppenhaus geraucht und im Keller gekocht, dass die Gerüche durchs ganze Haus ziehen“, sagt die Bewohnerin Almuth Meyer, der die Menschen nur Leid tun. Ob es sich um einen Fall von Überbelegung handelt, kann sie nicht sagen. Aber vielleicht sollen die neuen Bewohner abschrecken, denn offenbar sind die alten Bewohner im Weg. „Dabei zahlen wir dem Eigentümer doch allmählich seine Anschaffungskosten“, sagt Heinzelmann-Ekoos.
Mehr Miete – keine Leistung
Wir erfahren: Die erste Amtshandlung sei eine Mieterhöhung um 50 Euro gewesen. Das habe man hingenommen, die Wohnungsmieten entsprächen dem Mietspiegel. Allerdings wurden alle Dienstleistungen, für die gezahlt werden, eingestellt. Kein Winterdienst, kein Gärtner mehr, der Fahrradkeller sei abgeschafft, der Gemeinschaftsvertrag fürs Kabelfernsehen sei gekündigt worden, sagt Almuth Meyer. „Wir organisieren uns jetzt selbst.“ Den Vorgarten haben die Bewohner auf eigene Kosten angelegt. Aber der ist durch das Gerüst zerstört worden. 2,8 Millionen Euro fordere der Eigentümer in Annoncen für das Haus, zuvor habe er von Plänen gesprochen, die Eigentumswohnungen einzeln verkaufen zu wollen. Die Bewohner hätten daraufhin beschlossen, als Verein das Haus für 2 Millionen Euro zu kaufen. Konzepte für die Finanzierung lägen vor. Doch von dem angeblich zweimal abgegebenen Angebot will der Hausbesitzer nichts wissen. Gegenüber der FAZ äußerten sich die medienscheuen Hausbesitzer einmal abfällig über die Mieter, das seien arbeitslose Querulanten.
Spekulanten ohne Gnade
„Wir sind keine Nerds und keine Querulanten“, sagt Thomas Heinzelmann-Ekoos, der jedenfalls berufstätig ist. „Wir sind eine eingeschworene Hausgemeinschaft, aber jeder muss für sich sehen, wie weit er das ertragen kann. Auf vielen Schultern verteilt trägt man Lasten leichter“ Zwei Mieter seien bereits ausgezogen. „Was ist Wohn- und Lebensraum wert?“, fragt Heinzelmann-Ekoos. „Selbst wenn man mir 50 000 Euro bietet, ich will hier wohnen bleiben“, sagt der zweifache Familienvater, der seit den 1970er-Jahren in dem Viertel lebt. Der Mieter prangert die Schräglage an, die entstehe, weil Investoren mit Spekulationsabsicht Häuser schon für mehr Geld kauften als sie wert seien und dementsprechend resolut ihre Interessen notfalls auf dem Rücken der Mieter durchsetzten. Die Eigentümer würden jedenfalls nicht das Gespräch mit den Bewohnern suchen, man kommuniziere über Anwälte.
Der FAZ gegenüber rechtfertigte sich Eigentümer Edwin Rohleder so: "Wir machen nichts Böses." Man wolle nur renovieren, umbauen und Wohnraum schaffen, Häuser erhalten, investieren und Geld verdienen.
Das sagt der Oberbürgermeister
Thomas Heinzelmann-Ekoos freut sich zumindest, dass der Fall Wingertstraße die Aufmerksamkeit von Oberbürgermeister Peter Feldmann gefunden hat. „Feldmann hatte von Anfang an das Mietthema auf der Agenda und ist ein seriöser Gesprächspartner. Er macht sich die Mühe und schaut sich das selbst an.“ Ja, die Sorgen und Nöte, die hat sich Feldmann am Freitag angehört, wurde von den Mietern zum Kaffee eingeladen. Am Samstag hatte die Parteikollegin Ulli Nissen gar zu einer Mahnwache vor der Wingertstraße geladen. Die Öffentlichkeit ist den Bewohnern gewiss. Doch die anstehende Milieuschutzsatzung für das Gebiet, die werde zu spät kommen und vermutlich nicht mal greifen, muss auch Feldmann bei seinem Besuch eingestehen. „Wo steht die Stadt? Auf der Seite der Vermieter oder auf der Seite der Vertreiber?“, fragt Feldmann. Es sei keine Entmietung, viel mehr eine Vertreibung. „Was mich ärgert, ist, dass der Herzug der EZB schon so lange bekannt war und dass nicht reagiert wurde.“ Die Milieuschutzsatzung komme erst, obwohl man für Entscheidungen so viel Zeit gehabt habe, kritisiert er die Politik der schwarz-grünen Stadtregierung. „Ohne den Druck durch meine Anwesenheit geht es vielleicht nicht.“ Es gebe eine perverse Entwicklung in der Stadt. Mietzahler würden als arbeitslose Querulanten verunglimpft. „Das ist nicht in Ordnung! Da haben einige Menschen ihren Anstand verloren!“ sagt Feldmann und ermutigt: „Bleiben Sie standhaft!“ Tröstende Worte und Verständnis lindern das Leid, ob Feldmann den Bewohnern helfen kann, wird sich weisen.
2. März 2015, 11.25 Uhr
Nicole Brevoord
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig Mehr von Nicole
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