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Notmütterdienst aus Frankfurt
In den Genen liegt das Kümmern
Mona Damian leitet den Notmütterdienst aus Frankfurt in dritter Generation. Ein Gespräch über Hilfe in Notlagen und Bockenheim als Lebensmittelpunkt.
In der Ecke von Mona Damians Altbau-Büro steht eine große, üppig-grüne Pflanze. Sie habe diese damals über eBay Kleinanzeigen geschenkt bekommen und aufgepäppelt, erklärt sie. Seit sie hier ihren Platz hat, entwickele sich die Pflanze prächtig.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Damian, liegt Ihnen das Kümmern in den Genen?
Mona Damian: Ich glaube schon. Ich wollte es allerdings erst nicht wahrhaben.
Sie leiten den Notmütterdienst in dritter Generation. Ihre Großeltern haben diesen gegründet.
Ja, das stimmt. Der Verein wurde am 20. Oktober 1969 gegründet, wir feiern in diesem Jahr also unseren 55. Geburtstag. Mein Großvater ist leider kurz nach der Gründung verstorben.
Wie haben Sie die Arbeit Ihrer Großmutter erlebt?
In den heutigen Büroräumen befand sich die Wohnung meiner Oma, die hier lebte und arbeitete. Meine Mutter half von Beginn an mit, daher war ich als Kind auch oft dabei. Mein Interesse an der Arbeit entwickelte sich erst später. Als junger Mensch konnte ich mir erst einmal nicht vorstellen, in den Familienbetrieb einzusteigen, sondern wollte etwas Eigenes machen.
„Bockenheim ist mein Lebensmittelpunkt“
Und was war das?
Ich wollte mich erstmal selbst ausprobieren, bin viel gereist und habe mich dann in Frankfurt für Jura eingeschrieben. Die juristische Materie hat mich schon immer interessiert.
Sie sind also in Bockenheim geblieben?
Ja, das ist immer noch mein Lebensmittelpunkt. Ich wohne auch um die Ecke und mein Sohn geht hier zur Schule. Ich liebe Bockenheim und wollte hier auch nie weg. Was mein Jura-Studium betrifft, habe ich irgendwann gemerkt, dass ich mich mit dem späteren Berufsbild nicht identifizieren kann.
Warum?
Ich wollte mit Menschen arbeiten und konnte mir das Arbeitsumfeld in der Kanzleiwelt immer weniger vorstellen. Vielmehr wünschte ich mir eine sinnstiftende Tätigkeit, in der man Gutes tun und anderen helfen kann. Natürlich gab es auch den Wunsch meiner Eltern, dass ich in ihre Fußstapfen trete und der Verein weiterhin besteht. Die Entscheidung mein Studium abzubrechen ist mir nicht leichtgefallen, da ich bereits in der Examensvorbereitung war.
Dennoch wechselte ich nach 10 Semestern Jura ins Soziologiestudium und machte anschließend meinen Master in Sozialmanagement. Bereits während des Studiums arbeitete ich nebenbei im Notmütterdienst. Nach meinem Abschluss 2016 übernahm ich die Leitung und meine Mutter konnte in ihre wohlverdiente Rente gehen.
Notmütterdienst kümmert sich nicht bloß um Mütter
Zu Ihnen kommen Menschen, die Hilfe brauchen. Wie nehmen Sie diese Menschen auf?
Mit viel Einfühlungsvermögen. Denn oft haben diese Menschen gerade Schicksalsschläge erlebt und wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht. Vielen ist nicht bekannt, welche Leistungen ihnen in einer solchen Situation zustehen. Daher beraten wir zunächst und klären, ob ein Kostenträger in Frage kommt. Anschließend nehmen wir den Auftrag entgegen und suchen nach einer geeigneten Betreuungsperson, die die Familie in der Notlage unterstützt.
Welche Notlagen sind das?
Ganz unterschiedliche. Zum Beispiel, wenn Alleinerziehende ins Krankenhaus kommen und sich niemand um das Kind kümmern kann oder wenn ein Elternteil verstirbt. Mittlerweile kümmern wir uns auch um alte Menschen, die nicht im Heim sondern zu Hause betreut werden wollen. Oder wir helfen Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit im Alltag. Gegründet wurde der Notmütterdienst aber, um Kinder zu betreuen. Vor 55 Jahren war das in Deutschland völlig unbekannt, dass Kinder von Externen betreut wurden.
Enge Zusammenarbeit zwischen Notmütterdienst und Stadt
Wie kam es denn zur Gründung des bis heute gemeinnützigen Vereins?
Meine Oma kam in die Situation, dass mein Opa für längere Zeit ins Krankenhaus musste. Sie hatte drei kleine Kinder zu Hause und merkte, dass sie das allein nicht schafft. Es gab keine familiäre Unterstützung in der Nähe. Sie hat daraufhin alleinstehende Frauen, es waren oft Witwen, angesprochen, ob sie ihr nicht helfen könnten.
Das hat sich rumgesprochen, viele haben gemerkt, was für eine tolle Sache das ist. So entstand ein Netzwerk aus Frauen, die durch ganz Deutschland gereist sind, um Familien zu unterstützen. Als mein Großvater aus dem Krankenhaus kam, haben sie den Verein gegründet. Mit der Zeit entstanden weitere Geschäftsstellen in anderen Städten, die von Mitgliedern unserer Familie ins Leben gerufen wurden. Die Wurzeln des Notmütterdienstes sind aber in Frankfurt-Bockenheim.
1969 in Frankfurt-Bockenheim unweit der Uni – war die Vereinsgründung etwas, was in die damalige Zeit gepasst hat?
Ja. Das war ja die Zeit der Studentenbewegung, bei der die Uni in Bockenheim ein Ort war, wo für politische und soziale Veränderungen gekämpft wurde. Die Gründung des Notmütterdienstes war etwas, das es bis dato nicht gab und daher auch ein mutiger Schritt meiner Großeltern. Die Stadt Frankfurt zeigte sich dankbar und es ergab sich schnell eine bis heute gute Zusammenarbeit auf städtischer Ebene. Einige Jahre später erhielt meine Oma für die Gründung das Bundesverdienstkreuz.
„Das beste Heim ist das eigene Heim“
Wo sehen Sie die Kontinuitäten in der Arbeit bis heute?
Der Bedarf an unserer Dienstleistung wächst stetig. Die Menschen werden älter und es gibt immer mehr Alleinstehende ohne familiäres Netzwerk. Dazu kommt der Personalmangel in Kranken- und Pflegeeinrichtungen. Schon damals sagte meine Oma „Das beste Heim ist das eigene Heim“. Die Betreuung zu Hause solange es noch geht, wird immer wichtiger und nachgefragter.
Deshalb sind wir ständig auf der Suche nach geeigneten Betreuungskräften. Wir arbeiten schon immer mit Selbständigen zusammen, das heißt, man kann sich die Zeiten frei einteilen und Einsätze aussuchen, die zu einem passen. Das hat viele Vorteile. Außerdem kann die Tätigkeit so erfüllend sein, oft erfährt man eine wahnsinnige Dankbarkeit in den Familien.
Info
Der Notmütterdienst e.V. (NMD) wurde im Jahr 1969 von den Eheleuten Hesser als gemeinnützige Organisation ins Leben gerufen. Heute werden neben der Kinderbetreuung unter anderem auch Seniorenbetreuung oder Alltagshilfe angeboten. Circa 350 Betreuungspersonen in selbstständiger Tätigkeit arbeiten für den NMD in Frankfurt. Weitere Informationen und Kontakt finden Sie hier.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Damian, liegt Ihnen das Kümmern in den Genen?
Mona Damian: Ich glaube schon. Ich wollte es allerdings erst nicht wahrhaben.
Sie leiten den Notmütterdienst in dritter Generation. Ihre Großeltern haben diesen gegründet.
Ja, das stimmt. Der Verein wurde am 20. Oktober 1969 gegründet, wir feiern in diesem Jahr also unseren 55. Geburtstag. Mein Großvater ist leider kurz nach der Gründung verstorben.
Wie haben Sie die Arbeit Ihrer Großmutter erlebt?
In den heutigen Büroräumen befand sich die Wohnung meiner Oma, die hier lebte und arbeitete. Meine Mutter half von Beginn an mit, daher war ich als Kind auch oft dabei. Mein Interesse an der Arbeit entwickelte sich erst später. Als junger Mensch konnte ich mir erst einmal nicht vorstellen, in den Familienbetrieb einzusteigen, sondern wollte etwas Eigenes machen.
Und was war das?
Ich wollte mich erstmal selbst ausprobieren, bin viel gereist und habe mich dann in Frankfurt für Jura eingeschrieben. Die juristische Materie hat mich schon immer interessiert.
Sie sind also in Bockenheim geblieben?
Ja, das ist immer noch mein Lebensmittelpunkt. Ich wohne auch um die Ecke und mein Sohn geht hier zur Schule. Ich liebe Bockenheim und wollte hier auch nie weg. Was mein Jura-Studium betrifft, habe ich irgendwann gemerkt, dass ich mich mit dem späteren Berufsbild nicht identifizieren kann.
Warum?
Ich wollte mit Menschen arbeiten und konnte mir das Arbeitsumfeld in der Kanzleiwelt immer weniger vorstellen. Vielmehr wünschte ich mir eine sinnstiftende Tätigkeit, in der man Gutes tun und anderen helfen kann. Natürlich gab es auch den Wunsch meiner Eltern, dass ich in ihre Fußstapfen trete und der Verein weiterhin besteht. Die Entscheidung mein Studium abzubrechen ist mir nicht leichtgefallen, da ich bereits in der Examensvorbereitung war.
Dennoch wechselte ich nach 10 Semestern Jura ins Soziologiestudium und machte anschließend meinen Master in Sozialmanagement. Bereits während des Studiums arbeitete ich nebenbei im Notmütterdienst. Nach meinem Abschluss 2016 übernahm ich die Leitung und meine Mutter konnte in ihre wohlverdiente Rente gehen.
Zu Ihnen kommen Menschen, die Hilfe brauchen. Wie nehmen Sie diese Menschen auf?
Mit viel Einfühlungsvermögen. Denn oft haben diese Menschen gerade Schicksalsschläge erlebt und wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht. Vielen ist nicht bekannt, welche Leistungen ihnen in einer solchen Situation zustehen. Daher beraten wir zunächst und klären, ob ein Kostenträger in Frage kommt. Anschließend nehmen wir den Auftrag entgegen und suchen nach einer geeigneten Betreuungsperson, die die Familie in der Notlage unterstützt.
Welche Notlagen sind das?
Ganz unterschiedliche. Zum Beispiel, wenn Alleinerziehende ins Krankenhaus kommen und sich niemand um das Kind kümmern kann oder wenn ein Elternteil verstirbt. Mittlerweile kümmern wir uns auch um alte Menschen, die nicht im Heim sondern zu Hause betreut werden wollen. Oder wir helfen Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit im Alltag. Gegründet wurde der Notmütterdienst aber, um Kinder zu betreuen. Vor 55 Jahren war das in Deutschland völlig unbekannt, dass Kinder von Externen betreut wurden.
Wie kam es denn zur Gründung des bis heute gemeinnützigen Vereins?
Meine Oma kam in die Situation, dass mein Opa für längere Zeit ins Krankenhaus musste. Sie hatte drei kleine Kinder zu Hause und merkte, dass sie das allein nicht schafft. Es gab keine familiäre Unterstützung in der Nähe. Sie hat daraufhin alleinstehende Frauen, es waren oft Witwen, angesprochen, ob sie ihr nicht helfen könnten.
Das hat sich rumgesprochen, viele haben gemerkt, was für eine tolle Sache das ist. So entstand ein Netzwerk aus Frauen, die durch ganz Deutschland gereist sind, um Familien zu unterstützen. Als mein Großvater aus dem Krankenhaus kam, haben sie den Verein gegründet. Mit der Zeit entstanden weitere Geschäftsstellen in anderen Städten, die von Mitgliedern unserer Familie ins Leben gerufen wurden. Die Wurzeln des Notmütterdienstes sind aber in Frankfurt-Bockenheim.
1969 in Frankfurt-Bockenheim unweit der Uni – war die Vereinsgründung etwas, was in die damalige Zeit gepasst hat?
Ja. Das war ja die Zeit der Studentenbewegung, bei der die Uni in Bockenheim ein Ort war, wo für politische und soziale Veränderungen gekämpft wurde. Die Gründung des Notmütterdienstes war etwas, das es bis dato nicht gab und daher auch ein mutiger Schritt meiner Großeltern. Die Stadt Frankfurt zeigte sich dankbar und es ergab sich schnell eine bis heute gute Zusammenarbeit auf städtischer Ebene. Einige Jahre später erhielt meine Oma für die Gründung das Bundesverdienstkreuz.
Wo sehen Sie die Kontinuitäten in der Arbeit bis heute?
Der Bedarf an unserer Dienstleistung wächst stetig. Die Menschen werden älter und es gibt immer mehr Alleinstehende ohne familiäres Netzwerk. Dazu kommt der Personalmangel in Kranken- und Pflegeeinrichtungen. Schon damals sagte meine Oma „Das beste Heim ist das eigene Heim“. Die Betreuung zu Hause solange es noch geht, wird immer wichtiger und nachgefragter.
Deshalb sind wir ständig auf der Suche nach geeigneten Betreuungskräften. Wir arbeiten schon immer mit Selbständigen zusammen, das heißt, man kann sich die Zeiten frei einteilen und Einsätze aussuchen, die zu einem passen. Das hat viele Vorteile. Außerdem kann die Tätigkeit so erfüllend sein, oft erfährt man eine wahnsinnige Dankbarkeit in den Familien.
Der Notmütterdienst e.V. (NMD) wurde im Jahr 1969 von den Eheleuten Hesser als gemeinnützige Organisation ins Leben gerufen. Heute werden neben der Kinderbetreuung unter anderem auch Seniorenbetreuung oder Alltagshilfe angeboten. Circa 350 Betreuungspersonen in selbstständiger Tätigkeit arbeiten für den NMD in Frankfurt. Weitere Informationen und Kontakt finden Sie hier.
6. September 2024, 10.10 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
Schülke >>
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