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Gesichter der Stadt: Christoph Gérard Stein

Haltung zeigen

Unlängst war der Frankfurter Schauspieler Christoph Gérard Stein im Rhein-Main-Gebiet in mehrere Produktionen involviert, die sich mit Rassismus und Ausländerfeindlichkeit beschäftigen. Zuletzt drehte er im Ostend den teils autobiografisch geprägten Kurzfilm „O Father“. 
JOURNAL FRANKFURT: Worum dreht es sich bei Ihrem jüngsten Film?
Christoph Gérard Stein: Im Mittelpunkt steht das mongolische Mädchen Mika, das mit ihrem Vater nach Frankfurt zog und der sich als Reinigungskraft durchschlägt. Dafür ist er völlig überqualifiziert, aber er macht es, um Geld zu verdienen. Im Verlauf der Geschichte begegnen die beiden hier diversen Figuren und erleben Alltagsrassismus. Ich spiele Jeff, der in dem Haus lebt, in dem der Vater putzt. Ab und zu nimmt der Vater seine Tochter mit, damit sie Zeit miteinander verbringen. Es gibt eine Begegnung zwischen Jeff und den beiden, die in eine Auseinandersetzung mündet. Das Mädchen vergaß in der Corona-Zeit, die Maske aufzusetzen, was der Stein des Anstoßes ist. Jeff versteht sich zwar als tolerant und Gutmensch, doch es entwickelt sich ein Konflikt. Das alles bekommt das Kind mit. Das zeigt, wie dünn das Eis ist und in welcher Situation wir uns befinden. Die Regisseurin Ariana Gansuh kenne ich schon einige Jahre. Sie ist auch Schauspielerin. Es handelt sich um ihr erstes Projekt auf der Regieseite. Der Kurzfilm soll später bei diversen Festivals eingereicht werden.

Auch am historischen Kurzfilm „Die Macht der Entscheidung“ des Freien Theaters Wiesbaden, der kürzlich beim Exground Premiere hatte, waren Sie beteiligt. Es handelte sich einst um ein Theaterprojekt. Waren Sie damals schon dabei?
Nein, da war ich noch nicht beteiligt. Ich kenne Barbara Haker, die es initiiert hat, aus der Theaterszene. Sie hatte mich bei der Verfilmung auf dem Schirm.

Ihre Figur, Pfarrer Borngässer, wird als Antagonist eingeführt. Daher war es überraschend, dass in den Endtafeln auf seine Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten hingewiesen wird.
Recherchiert man, stößt man auf Borngässers Wandel. Anfangs vertrat er schon vehement die Propaganda der Nazis. Als er älter wurde, hat er sich ein Stück weit verändert. Ich kann nur für mich vermuten, dass er einen Lernprozess durchwandelte. Figuren sind keineswegs nur schwarz und weiß. Es existiert stets auch ein Zwischenraum.

Ist es Zufall, dass Sie an mehreren Projekten beteiligt waren, in denen es um Zivilcourage geht, oder wählen Sie Ihre Beteiligung nach kritischen Gesichtspunkten aus?
Es ist nicht so, dass ich gezielt nach gesellschaftskritischen oder politischen Projekten schaue. Es ergibt sich einfach. Wahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass ich mich dafür interessiere, dass ich meinen Blick dafür offen halte und mich solche Themen ansprechen. Zum Beispiel kenne ich seit einigen Jahren den Verein für Toleranz und Zivilcourage „Fabian Salars Erbe“ in Bensheim. Den Verein gründete eine Freundin von mir mit persischem Hintergrund, die ihren Bruder vor einigen Jahren verlor. Er wurde verprügelt, auf der Straße liegen gelassen und dann noch überfahren. Ich kannte den Bruder auch. Es geschah mitten in Bensheim, aber es schritt niemand ein. Das macht etwas mit einem, natürlich auch mit mir. Der Verein organisiert Aufklärungsarbeit, etwa in Schulklassen, und unterstützt künstlerische Projekte. Zusammen mit dem Verein stellte ich ein Theaterprojekt auf die Beine. Das Stück hieß „Bash“ von Neil LaBute und thematisiert in einer der drei Geschichten Alltagsrassismus. Auch dort wird eine Figur totgeprügelt. Das kann man als Anlass nehmen, um diese Fragen zu diskutieren. Das finde ich wichtig. Es geht mir nicht darum, sich parteipolitisch zu engagieren, sondern darum, Haltung zu zeigen, sich einzumischen und auf Missstände hinzuweisen.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit den Mainzer Kammerspielen?
Regisseur Ulrich Sommer arbeitete schon einmal mit mir. Das Stück hieß damals „Chaim und Adolf“, aufgeführt im Darmstädter Mollerhaus. Wie der Name schon suggeriert, gibt es einen Adolf auf der schlechten Seite, den ich spielte. Dann fragte er mich, ob ich bei seinem neuen Stück „Die meisten Afrikaner können nicht schwimmen“ mitwirken will – eine politische, sehr böse Satire. Das fand ich reizvoll. Mir geht es immer um die Themen. Natürlich freue ich mich, wenn ich Figuren darstellen kann, die etwas zwielichtig sind und eine dunkle Seite haben.

Das fiel mir schon bei Ihrer Rollenwahl auf.
Das hat schon etwas Reizvolles. Klar, man steht immer gerne auf der guten Seite. Aber im Spiel sind die negativen Charaktere, die Antagonisten schon spannender.

Dann gibt es noch den in Frankfurt gedrehten Spielfilm „Am Ende des Schweigens“ über die Homosexuellen-Verfolgung in den Fünfzigern. Welchen Part übernahmen Sie dort?
Ich spielte Wolfgang Lauinger, von dem man nicht genau weiß, ob er homosexuell war. Er hatte Zugang zur Szene und kannte viele junge Männer, die er bei sich übernachten ließ. Zudem war er Jude. Das Verfahrene in seiner Situation war es, dass er als Jude schon mit denselben Strafverfolgern zu tun hatte wie später zur Zeit der Homosexuellen-Prozesse. Diese Situation kann man sich kaum vorstellen, es wieder mit denselben Leuten zu tun zu bekommen, immer noch im gleichen Job. Soweit ich weiß, blieb er ein sehr optimistischer Mensch und ließ sich nicht seine Hoffnungen, seinen guten Glauben an den Menschen nehmen. Auch das ist ein Charakter, der ungewöhnlich ist und aus der Reihe fällt, was mir gefällt.

In der Schmiere konnte man Sie so schon erleben.
Ich glaube, ich bin ein neugieriger, offener Mensch. Mich interessieren immer wieder neue Herausforderungen. Ich sehe mich nicht als Kabarettist, aber da spielt der politische Aspekt ebenfalls eine Rolle. Die Geschichten sollen unterhalten und lustig sein, aber schön ist es, wenn das Lachen im Hals hängen bleibt.

Gibt es schon neue Projekte?
Ja, aber es ist im Moment erst angedacht. Es gibt den Fotografen und Filmemacher Caspar Arnhold in Frankfurt, der sich lange mit Menschen auf der Straße auseinandergesetzt hat. Er recherchierte ausführlich, da er ein Filmprojekt realisieren möchte. Das Ganze basiert auf realen Fällen. Es gab vor einigen Jahren einen Obdachlosen, der zu Tode kam. Es existiert dazu bereits ein Drehbuch. Das fand ich spannend, als er davon erzählte. Man schaut nicht richtig hin, man schaut vorbei und mischt sich nicht ein. Man weiß gar nicht, ob derjenige Mensch überhaupt noch lebt.

Zur Person: Christoph Gérard Stein, geb. 1971 in Goslar, ist freier Schauspieler mit deutsch-französischen Wurzeln. Nach Aufenthalten in Frankreich und der Schweiz zog es ihn nach Frankfurt. Seine Schauspielausbildung erhielt er am Plot Schauspielstudio. Darüber hinaus absolvierte er ein Studium der Humanmedizin.
 
16. Februar 2023, 11.58 Uhr
Gregor Ries
 
 
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