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Demokratie gestalten

130 Jahre Volksbildung

Die Frankfurter Volkshochschule setzt sich seit über hundert Jahren für die Weiterbildung von Bürgerinnen und Bürgern ein – und will das auch in Zukunft tun. Denn Fähigkeit, sich beteiligen zu können, ist wichtig für jede Demokratie. Ein Gastbeitrag.
Wissen ist Macht. Darauf können wir uns vermutlich schnell einigen. Wir leben im Informationszeitalter in einer Gesellschaft, in der mit Wissen und Informationen Wahlen und sogar Kriege gewonnen werden. Doch Technologien haben die Entwicklung nur beschleunigt. Mit Informationshoheit wird bereits seit Jahrhunderten Herrschaft ausgeübt. Demokratie als Herrschaft des Volkes setzt darum zwangsläufig transparente Informationsweitergabe und eine mitarbeitende und mitdenkende Öffentlichkeit voraus, die das entsprechende Grundwissen hat, die Informationen auch einzuordnen. Das ist unser Auftrag. Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, sich eine fundierte Meinung über sich selbst und die Gesellschaft zu bilden und zu verstehen, wie man diese in den demokratischen Prozess einbringt. Mich treibt das auch persönlich an. Denn die Fähigkeit, sich zu beteiligen, ist nicht nur fundamental für jede Demokratie, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Mit der Weimarer Reichsverfassung, die vor 100 Jahren das erste demokratische Staatswesen in Deutschland begründete, wurde in Artikel 148 die Förderung der Volkshochschule als Teil des Volksbildungswesens zu einer wichtigen bildungspolitischen Verpflichtung erhoben. Ziel war es, der Arbeiterschicht geistige Weiterbildung zu ermöglichen. Was zuvor in Arbeiterbildungsvereinen und später dann im „Ausschuß für Volksvorlesung“ geleistet worden ist, ist damit staatlicher Auftrag geworden.

Um sich ihren Platz im demokratischen Gemeinwesen zu bewahren, mussten sich die Volkshochschulen in den letzten 130 Jahren immer wieder neu erfinden. Denn Weiterbildung wirkt unmittelbar. Die Angebote müssen sich permanent an den konkreten und aktuellen Bedarfen orientieren, da die Freiwilligkeit der Angebote ein hohes Maß an Attraktivität voraussetzt. Wir müssen und wir wollen jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer durch Qualität überzeugen.

Wissen ist Macht. Und Bildung stärkt das Miteinander.

Der Aufstieg durch Bildung ist eine Erfolgsgeschichte und zugleich eine Mär. Denn die reale Verteilung von Lebenschancen und Lebensrisiken, d.h. Vermögen in unserer Gesellschaft verändert sich durch Bildungsgerechtigkeit nicht wesentlich. Aber Bildung versetzt das Individuum in die Lage, seine Rolle in der Gesellschaft besser zu erkennen und sich selbst zu emanzipieren. Und zwar bis ins hohe Alter. Mit beruflichen Qualifikationsangeboten werden zudem neue Chancen eröffnet – ein Leben lang. Dabei ist das gemeinsame Lernen die entscheidende Qualität und Ressource der Volkshochschulen.

Denn bei allen Vorzügen separiert uns die digitale Welt auch voneinander. Zum einen wortwörtlich: Zugänge erhält man separat und individuell über das eigene Endgerät in einem eigenen, selbst gewählten Raum. Zum anderen, weil nicht alle Schritt halten mit den technologischen Entwicklungen. Die Volkshochschulen müssen sich wieder einmal neu erfinden, sich neuen Bildungskonzepten und Technologien öffnen und dabei alle Menschen im Blick behalten. Aber sie haben auch einen entscheidenden Vorteil. Mit fast 1 000 Standorten in ganz Deutschland sind sie vor Ort sichtbar und präsent. Sie sind ein sogenannter Dritter Ort, ein Ort der Begegnung.

Und Begegnung ist in einer Stadt wie Frankfurt von besonderer Bedeutung. Über 50 Prozent der Bevölkerung haben eine persönliche oder familiäre Einwanderungsgeschichte. Damit wächst der Bedarf, Akzeptanz zu fördern, Diversitätskompetenzen zu vermitteln und bestehende Bildungskonzepte rassismuskritisch zu hinterfragen. Einfacher gesagt: Zusammenhalt und Miteinander brauchen Wissen über das, was den eigenen Mitmenschen wichtig ist. Dabei setzt das gemeinsame Lernen auch eine klare Haltung voraus: Persönlich hat mich auch meine Tätigkeit als Kursleiter für Deutsch als Fremdsprache und die Arbeit mit geflüchteten Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien geprägt. Menschen, denen oftmals durch die jeweils andere Bevölkerungsgruppe durch kriegerische Handlungen, Vertreibung und Segregation großes Leid wiederfahren war, saßen nun im DaF-Kurs als Geflüchtete nebeneinander. Die Arbeit in der Gruppe war oft nicht einfach. Als Kursleiter habe ich darauf bestanden, dass alle Vorurteile an der Tür abgegeben werden. Das macht Volkshochschule für mich aus: Offenheit für alle Menschen und Themen, Begegnung auf Augenhöhe und sich gegenseitig auch mal helfen, wenn man nicht weiter weiß.

Die VHS gestaltet Demokratie in Frankfurt.

Nicht nur für die deutsche Demokratiegeschichte, auch lokal bei uns in Frankfurt war und ist die Volkshochschule Sozialisationsagentur, Forum und Transformationsmotor, und zwar seit der ersten Veranstaltung am 16. Januar 1891.

Seitdem hat die Volkshochschule die Frankfurter Stadtgesellschaft durch ihre bewegte Nachkriegsgeschichte begleitet. Wegmarken waren unter anderem die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen und eine Ausstellung in der Paulskirche über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse. In den 1960er-Jahren hat die Volkshochschule eine entscheidende Rolle bei der Integration der sogenannten Gastarbeiter gespielt, einerseits durch die Ausweitung des Sprachkursangebots, andererseits durch die Organisation politischer Bildungsveranstaltungen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. Und 1968 war die Volkshochschule mit ihren „Frauen-Foren“ am Puls der Zeit.

Heute bieten wir 5 000-6 000 Kurse jährlich an. Etwa 1 000 Kursleitungen sind unsere Brücke in die Communitys in Frankfurt. Mit 50 000-60 000 Besucherinnen und Besuchern ist die Volkshochschule Frankfurt die größte öffentliche Weiterbildungseinrichtung Hessens..

Die Paulskirche als Ort für die VHS in Frankfurt

In diesem Jahr feiern wir 175 Jahre Paulskirchenversammlung. Die Paulskirche war als eine Institution der deutschen Demokratiegeschichte häufig Ursprung, Forum und Fixpunkt der Debatten in der VHS. Gleichzeitig ist die Paulskirche noch kein Ort für alle. Es müssen darum gezielt Zugänge für alle gesellschaftlichen Gruppen geschaffen werden. Vor dem Hintergrund unseres Bildungsauftrags verstehen wir genau das als unsere Aufgabe. Darum werden wir in der Woche des Paulskirchenjubiläums vom 18. bis 21. Mai 2023 mit einem vielfältigen Programm im Stadthaus in der Neuen Altstadt präsent sein. Aber auch darüber hinaus finden Sie in unserem Programm mit dem Titel „Demokratie gestalten“ viele Kurse rund um unsere Demokratie.

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Zur Person: Danijel Dejanovic wurde 1967 in Schweden geboren. Als er fünf Jahre alt war, zogen die Eltern mit der Familie in den Kreis Offenbach. Während seines Studiums der Politikwissenschaften an der Uni Frankfurt begann er in der Erwachsenenbildung zu jobben, gab Kurse in Deutsch als Fremdsprache, Englisch und Informationstechnik (IT). Es folgte ein Studium zum Informatik‐Betriebswirt und 2007 der Aufstieg in die Leitung des Fachbereichs Arbeit und Beruf und die Position des stellvertretenden
Direktors der VHS Frankfurt. Im Fernstudium erlangte Dejanovic den Master
in Erwachsenenbildung. Ab 2019 war er Leiter an zwei hessischen Volkshochschulen bis zu seiner Rückkehr als neuer Direktor der Volkshochschule Frankfurt im Dezember 2021.

Dieser Text ist als Teil unserer „Demokratie gestalten“-Reihe anlässlich des Paulskirchenjubiläums entstanden und auch in der Februar-Ausgabe (2/23) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
 
9. Februar 2023, 12.59 Uhr
Danijel Dejanovic
 
 
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