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Kommentar zur Landtagswahl

Freier Fall der Volksparteien?

Am Sonntag hat Bayern gewählt und den beiden großen Volksparteien ein historisches Tief beschert. Nun schauen alle nach Hessen – CDU und SPD stehen vor einer Herausforderung, auch in Frankfurt.
Wirklich überrascht haben die Ergebnisse der Landtagswahl in Bayern am Sonntag wohl niemanden: die CSU hat die absolute Mehrheit verloren, die Grünen haben Grund zu feiern und die SPD – nun, über die will man eigentlich lieber gar nicht sprechen. Dass die beiden großen Volksparteien einen Absturz erlebt haben, der peinlicher kaum sein könnte, ist erfreulich und bedauerlich zugleich. Erfreulich, da er doch ein deutliches Signal an SPD und CDU/CSU sendet, das die Verantwortlichen zwingen sollte, endlich einen Wandel in den verkrusteten Parteistrukturen herbeizuführen. Bedauerlich, da zu viele der verloren gegangenen Stimmen dem rechten Rand zufallen. Mit 10,2 Prozent konnte sich die AfD noch vor der SPD positionieren, die nicht einmal die 10-Prozent-Marke knackte. Die Freien Wähler sind sogar drittstärkste Kraft. Ein linkes Lager ist praktisch nicht vorhanden: Die Linken sind, wie erwartet, an der 5-Prozent-Hürde gescheitert, die Grünen haben weniger Stimmen dazu gewonnen, als die SPD verloren hat.

Doch was sagt uns das für Hessen? In zwei Wochen wird in unserem Bundesland gewählt – müssen wir einen ähnlichen Sturz der Volksparteien erwarten? Laut den aktuellen Umfragewerten würde die derzeit regierende schwarz-grüne Koalition keine Mehrheit erhalten. Die CDU wird aller Wahrscheinlichkeit nach an Stimmen einbüßen müssen – wenn auch nicht in dem dramatischen Maße, in dem es ihre bayerische Schwesternpartei erleben musste – während die Grünen dazu gewinnen werden. Für eine Fortsetzung von Schwarz-Grün wird es knapp. Möglich wäre dafür eine Große Koalition – im Gegensatz zur Bayern-SPD zeigen sich die Sozialdemokraten um Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel zuversichtlich.

„Die beiden Volksparteien haben in Bayern eine historische Niederlage erlitten. Das Ergebnis für die SPD ist dramatisch und deprimierend. Und auch die CSU stürzt in einer nie dagewesenen Art und Weise ab und verliert ihre absolute Mehrheit. Hessen ist nicht Bayern. Die Ausgangslage für die Hessenwahl in 14 Tagen ist völlig anders. Hessen ist ein Land, in dem die Wahlergebnisse immer knapp sind. Und ich wage die Prophezeiung, dass wir in zwei Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen sehen werden,“ heißt es in einer Mitteilung des Landesverbandes der hessischen SPD. Die Angst geht auch bei den hessischen Genossen um. Im ehemals roten München haben die Grünen die Sozialdemokraten fast komplett verdrängt, droht in Frankfurt, trotz rotem Oberbürgermeister, eine ähnlich rasante Wählerwanderung gen Grün?

Zwar ist es um CDU und SPD in Hessen besser bestellt, als um ihre bayerischen Ableger, dennoch müssen sich die Volksparteien mit der Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels auseinandersetzen. So bunt und vielfältig Hessen sein mag, auch hierzulande sind die Politikverdrossenheit und ein daraus resultierender Rechtsruck erkennbar. Um dem zu begegnen, müssen sich die demokratischen Parteien klar positionieren, gemeinsame Lösungen finden und vor allem die Kritik ihrer Wähler ernst nehmen. Das weiß, zumindest in der Theorie, auch die SPD, wie Bundestagsabgeordnete Ulli Niessen durchklingen lässt: „Wir müssen die Eitelkeiten in der Regierungskoalition einstellen und unsere Anstrengungen intensiv auf die Sacharbeit konzentrieren.“

Ob in Hessen nun letztendlich Schwarz-Grün, Schwarz-Rot oder sogar Rot-Rot-Grün das Rennen macht – ein klarer Regierungsauftrag sieht anders aus. Das Ergebnis der Bayernwahl ist ein Weckruf, den die hiesigen Landesverbände der Volksparteien hoffentlich ernst genug nehmen, um den Umbruch herbeizuführen, den unsere Demokratie dringend benötigt, um auch in Zukunft Bestand zu haben.
 
Fotogalerie:
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15. Oktober 2018, 11.06 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
 
 
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