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Editorial 1/24
Diese Ausgabe ist ein Zeichen der Solidarität
Seit dem 12. Jahrhundert gibt es jüdisches Leben in unserer Stadt. Unsere jüdischen Mitbürger sind aktuell jedoch nicht nur in Trauer und Sorge um ihre Angehörigen, sondern vor allem in Angst. Das Editorial zur Januar-Ausgabe.
Liebe Leserinnen und Leser,
seit dem 12. Jahrhundert gibt es jüdisches Leben in unserer Stadt. In den Jahrhunderten trugen Jüdinnen und Juden erheblich zur geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung Frankfurts bei. Einen tiefen Einschnitt bildete die Zeit des Nationalsozialismus. Jüdisches Leben sollte vollkommen ausgelöscht werden. Bis 1933 hatte Frankfurt mit 30 000 Menschen die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland. 12 000 wurden verschleppt, die meisten umgebracht. Die Ereignisse des 7. Oktobers bilden eine weitere Zäsur. Unsere jüdischen Mitbürger sind seitdem nicht nur in Trauer und Sorge um ihre Angehörigen und Freunde, sondern vor allem in Angst. Sie werden mit Vorurteilen und Stereotypen konfrontiert. Oft steckt dahinter unverhohlener Antisemitismus, manchmal auch mangelndes Wissen.
Die Ausgabe, die Sie in den Händen halten, ist ein Zeichen der Solidarität. Wir zeigen Jüdinnen und Juden, die in Frankfurt zu Hause sind, und Orte ihres Lebens. Es ist eine Aufforderung, diese Orte zu besuchen und mit den Menschen zu sprechen. Viele von ihnen vermissen ein klares Signal unserer Gesellschaft. „Ich muss nicht dafür demonstrieren, dass ich mit meiner Kippa auf die Straße gehen kann, das müssen Sie machen“, sagte mir Majer Szanckower, der Verwalter der Jüdischen Friedhöfe Frankfurts. Und er sagte außerdem etwas, das mich sehr nachdenklich gemacht hat: „Vor dem 7. Oktober habe ich mich nicht unsicher gefühlt.“
Das Jüdische Museum in Frankfurt feierte Jubiläum
Das Jüdische Museum hat im vergangenen November ein Jubiläum gefeiert: Es wurde am 9. November 1988 als erste kommunale Gedächtniseinrichtung für deutsch-jüdische Geschichte und Kultur in Frankfurt eröffnet. Ich freue mich über den Gastbeitrag von Direktorin Mirjam Wenzel in unserer Reihe „Demokratie gestalten“, die darin die Entwicklung des Jüdischen Museums reflektiert. Auf unserem Titelbild sehen Sie Ariel Schlesingers Skulptur „Untitled“, die er für den Vorplatz des Jüdischen Museums geschaffen hat. Die Aluminium-Arbeit besteht aus zwei Bäumen, von denen einer im Boden verpflanzt ist und der andere seine Wurzeln gen Himmel streckt. Es ist eine Spiegelung und eine Metapher: eine gleichzeitige Verbundenheit und Entwurzelung, Erinnerung und Leben. Das jüdische Leben wird immer zu Frankfurt gehören.
Ich wünsche Ihnen ein friedliches neues Jahr, das uns allen Gutes bringen soll.
seit dem 12. Jahrhundert gibt es jüdisches Leben in unserer Stadt. In den Jahrhunderten trugen Jüdinnen und Juden erheblich zur geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung Frankfurts bei. Einen tiefen Einschnitt bildete die Zeit des Nationalsozialismus. Jüdisches Leben sollte vollkommen ausgelöscht werden. Bis 1933 hatte Frankfurt mit 30 000 Menschen die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland. 12 000 wurden verschleppt, die meisten umgebracht. Die Ereignisse des 7. Oktobers bilden eine weitere Zäsur. Unsere jüdischen Mitbürger sind seitdem nicht nur in Trauer und Sorge um ihre Angehörigen und Freunde, sondern vor allem in Angst. Sie werden mit Vorurteilen und Stereotypen konfrontiert. Oft steckt dahinter unverhohlener Antisemitismus, manchmal auch mangelndes Wissen.
Die Ausgabe, die Sie in den Händen halten, ist ein Zeichen der Solidarität. Wir zeigen Jüdinnen und Juden, die in Frankfurt zu Hause sind, und Orte ihres Lebens. Es ist eine Aufforderung, diese Orte zu besuchen und mit den Menschen zu sprechen. Viele von ihnen vermissen ein klares Signal unserer Gesellschaft. „Ich muss nicht dafür demonstrieren, dass ich mit meiner Kippa auf die Straße gehen kann, das müssen Sie machen“, sagte mir Majer Szanckower, der Verwalter der Jüdischen Friedhöfe Frankfurts. Und er sagte außerdem etwas, das mich sehr nachdenklich gemacht hat: „Vor dem 7. Oktober habe ich mich nicht unsicher gefühlt.“
Das Jüdische Museum hat im vergangenen November ein Jubiläum gefeiert: Es wurde am 9. November 1988 als erste kommunale Gedächtniseinrichtung für deutsch-jüdische Geschichte und Kultur in Frankfurt eröffnet. Ich freue mich über den Gastbeitrag von Direktorin Mirjam Wenzel in unserer Reihe „Demokratie gestalten“, die darin die Entwicklung des Jüdischen Museums reflektiert. Auf unserem Titelbild sehen Sie Ariel Schlesingers Skulptur „Untitled“, die er für den Vorplatz des Jüdischen Museums geschaffen hat. Die Aluminium-Arbeit besteht aus zwei Bäumen, von denen einer im Boden verpflanzt ist und der andere seine Wurzeln gen Himmel streckt. Es ist eine Spiegelung und eine Metapher: eine gleichzeitige Verbundenheit und Entwurzelung, Erinnerung und Leben. Das jüdische Leben wird immer zu Frankfurt gehören.
Ich wünsche Ihnen ein friedliches neues Jahr, das uns allen Gutes bringen soll.
29. Dezember 2023, 11.30 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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