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Claudia Andujar im MMK 1
Die Kamera als Mittel zum Dialog
Die Ausstellung "Claudia Andujar. Morgen darf nicht gestern sein" zeigt das Werk einer äußerst spannenden Fotografin und Aktivistin. In der Schweiz geboren, lebt sie in Brasilien und setzt sich seitdem für die Yanomami ein.
Man sieht ihren Fotografien immer an, wo sie steht, die Perspektive spielt eine wichtige Rolle in ihrem Werk. Das spiegelt sich nicht nur in ihren Fotografien, sondern in ihrem gesamten Oeuvre wieder. Denn Claudia Andujar ist nicht nur Künstlerin, sie ist auch Aktivistin. Und sie weiß sehr genau, wo sie steht. Die Ausstellung Claudia Andujar. Morgen darf nicht gestern sein im MMK gibt einen umfangreichen Einblick in das Werk der Fotografin. Die Schweizerin Andujar kam 1955 nach Sao Paulo, Brasilien - ohne auch nur ein Wort Portugiesisch zu sprechen. Die Kamera stellte für sie das einzige Mittel zum Dialog dar. Besonders in ihrer Ankunftszeit beobachtete sie das Zeitgeschehen Brasiliens durch ihre Kamera und begleitete dessen Konflikte. Bewegte Zeiten waren das: Die bürgerlich konservative Bevölkerung demonstrierte gegen den linken Staatspräsident, kurz bevor die Militärdiktatur 1964 an die Macht kam. Noch als eher stille Beobachterin, der Sprache nicht mächtig, begleitete sie die Proteste.
Claudia Andujar, Marcha da Família com Deus pela Liberdade, São Paulo, 1964
Doch ab den 1970ern wurde sie selbst aktiv. Als Fotografin arbeitete sie für verschiedene brasilianische und US-amerikanische Magazine. 1971 führte sie eine Reise in das Amazonasgebiet zu dem indigenen Volk der Yanomami. Die Existenz der Yanomami wurde in den Siebzigern von der Regierung negiert. Das Volk wurde durch die Invasion in ihren Lebensraum bedroht. Andujar begann sich zu engagieren. Sie trat für ihren Schutz ein und gründete 1978 zusammen mit einem Missionar und einem Ethnologen die Kommission Pro-Yanomami. Besonders Gesundheitsschutz und die Anerkennung durch die Regierung standen dabei auf der Agenda. Andujar blieb neun Jahre bei den Yanomami.
Claudia Andujar, Urihi-a, 1974
Ihr Einsatz fand seinen Höhepunkt in einer Impfkampagne. Dabei entstand ihre bis heute wichtigste Serie "Marcados" (dt. Markiert). Die Yanomami wurden gegen die Krankheiten geimpft, die die Goldminenarbeiter einschleppten. Dafür machte Andujar Porträtaufnahmen der Yanomami in verschiedenen Dörfern im Amazonasgebiet. Da die Yanomami traditionell keine Namen verwenden, wurden ihnen zur Identifizierung für den Impfausweis Nummern um den Hals gehängt. Den Titel bekam die Serie erst, als sie 20 Jahre später auf der Biennale von São Paulo ausgestellt wurde.
Claudia Andujar, from the series Marcados, 1981–1983
Die mit Nummern markierten Personen wecken historische Assoziationen, die eng mit Andujars eigener Lebensgeschichte verknüpft sind. Andujar und ihre Mutter konnten zwar dem Holocaust entfliehen, doch ihre gesamte jüdische Familie väterlicherseits wurde im Konzentrationslager ermordet. "Das waren für mich die für den Tod Markierten. Was ich versucht habe mit den Yanomami zu machen, war, sie für das Leben, für das Überleben zu markieren", sagt sie. Dabei sind eindringliche Porträts entstanden, denen man die enge Verbindung der Fotografin mit den Porträtierten anmerkt.
Claudia Andujar, from the series Marcados, 1981–1983
Doch die Ausstellung zeigt nicht nur die beeindruckenden Aufnahmen der "Marcados". Sie zeigt das Werk einer Künstlerin, die ihr Leben im Spannungsfeld zwischen der Metropole São Paulos und dem Amazonasgebiet verbrachte. Auch Aufnahmen vom Leben in der Stadt oder den heutigen Yanomami in westlicher Kleidung sind zu sehen. Andujar zeichnet in ihrem Schaffen ein zeitlich weites Panorama Brasiliens, das von der Stadt bis zur Natur reicht, in dem politisches Engagement eng mit künstlerischer Praxis verschmilzt. Eine eindrucksvolle Ausstellung, die das Werk einer spannenden Künstlerin und leidenschaftlichen Aktivistin zeigt.
>> Noch zu sehen bis zum 25. Juni 2017, "Claudia Andujar. Morgen darf nicht gestern sein", MMK 1, Domstraße 10. Mehr Informationen unter mmk-frankfurt.de.
>> Podiumsgespräch: "Markiert sein oder markiert werden?", Dienstag, 16. Mai 2017, um 19 Uhr im MMK 1.
Claudia Andujar, Marcha da Família com Deus pela Liberdade, São Paulo, 1964
Doch ab den 1970ern wurde sie selbst aktiv. Als Fotografin arbeitete sie für verschiedene brasilianische und US-amerikanische Magazine. 1971 führte sie eine Reise in das Amazonasgebiet zu dem indigenen Volk der Yanomami. Die Existenz der Yanomami wurde in den Siebzigern von der Regierung negiert. Das Volk wurde durch die Invasion in ihren Lebensraum bedroht. Andujar begann sich zu engagieren. Sie trat für ihren Schutz ein und gründete 1978 zusammen mit einem Missionar und einem Ethnologen die Kommission Pro-Yanomami. Besonders Gesundheitsschutz und die Anerkennung durch die Regierung standen dabei auf der Agenda. Andujar blieb neun Jahre bei den Yanomami.
Claudia Andujar, Urihi-a, 1974
Ihr Einsatz fand seinen Höhepunkt in einer Impfkampagne. Dabei entstand ihre bis heute wichtigste Serie "Marcados" (dt. Markiert). Die Yanomami wurden gegen die Krankheiten geimpft, die die Goldminenarbeiter einschleppten. Dafür machte Andujar Porträtaufnahmen der Yanomami in verschiedenen Dörfern im Amazonasgebiet. Da die Yanomami traditionell keine Namen verwenden, wurden ihnen zur Identifizierung für den Impfausweis Nummern um den Hals gehängt. Den Titel bekam die Serie erst, als sie 20 Jahre später auf der Biennale von São Paulo ausgestellt wurde.
Claudia Andujar, from the series Marcados, 1981–1983
Die mit Nummern markierten Personen wecken historische Assoziationen, die eng mit Andujars eigener Lebensgeschichte verknüpft sind. Andujar und ihre Mutter konnten zwar dem Holocaust entfliehen, doch ihre gesamte jüdische Familie väterlicherseits wurde im Konzentrationslager ermordet. "Das waren für mich die für den Tod Markierten. Was ich versucht habe mit den Yanomami zu machen, war, sie für das Leben, für das Überleben zu markieren", sagt sie. Dabei sind eindringliche Porträts entstanden, denen man die enge Verbindung der Fotografin mit den Porträtierten anmerkt.
Claudia Andujar, from the series Marcados, 1981–1983
Doch die Ausstellung zeigt nicht nur die beeindruckenden Aufnahmen der "Marcados". Sie zeigt das Werk einer Künstlerin, die ihr Leben im Spannungsfeld zwischen der Metropole São Paulos und dem Amazonasgebiet verbrachte. Auch Aufnahmen vom Leben in der Stadt oder den heutigen Yanomami in westlicher Kleidung sind zu sehen. Andujar zeichnet in ihrem Schaffen ein zeitlich weites Panorama Brasiliens, das von der Stadt bis zur Natur reicht, in dem politisches Engagement eng mit künstlerischer Praxis verschmilzt. Eine eindrucksvolle Ausstellung, die das Werk einer spannenden Künstlerin und leidenschaftlichen Aktivistin zeigt.
>> Noch zu sehen bis zum 25. Juni 2017, "Claudia Andujar. Morgen darf nicht gestern sein", MMK 1, Domstraße 10. Mehr Informationen unter mmk-frankfurt.de.
>> Podiumsgespräch: "Markiert sein oder markiert werden?", Dienstag, 16. Mai 2017, um 19 Uhr im MMK 1.
9. Mai 2017, 11.16 Uhr
Tamara Marszalkowski
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