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Artikel in der NETWORK PRESS 1989
Moses Pelham
Vier ausverkaufte Konzerte von Moses Pelham diese Woche in der Batschkapp. Für alle, die keine Tickets mehr bekommen haben, hier ein kleines Trostpflaster: Unser Reporter Raphael Krickow hat schon 1989 ein Interview mit dem Frankfurter Rap-Original geführt, das damals in der Network Press erschienen ist. Anlässlich der aktuellen Konzertreihe haben wir es nochmal rausgesucht. Viel Spaß mit der kleinen Zeitreise!
Network Press war die erste deutschlandweite DJ- und Dance Szenezeitschrift für die entstehende Clubszene zwischen 1985 und 1992.
Eigentlich fuhr ich mit meiner Abneigung gegen Hip Hop in die Logic-Studios vor den Toren Frankfurts. Verloren auf einer großen weißen Ledercouch wurde ich darüber belehrt, daß Hip Hop so verschieden sein kann, daß eine Art davon sogar mir gefällt. Wer hat bloß diesen bescheuerten Begriff „Hip Hop“ eingeführt? Im Studio nebenan nehmen Luca Anzilotti und Michael Münzing (die Köpfe von Logic Records) [1] gerade eine neue Erkennungsmelodie für eine Sportsendung des hessischen Rundfunks auf. Während des gesamten Meetings müssen wir den abwechslungsarmen Einminuten-Song mindestens hundert Mal hören.
Mir gegenüber sitzt Cola trinkend die deutsche Hip Hop Gruppe Moses P. In voller Länge heißt sie Moses P., Rico Sparx, Turbo B. feat. We Wear The Crown, und besteht hauptsächlich aus den drei eben genannten Mitgliedern. Um die Sache nicht zu verkomplizieren bleiben wir aber besser bei dem schon bekannten Namen, denn Moses P. setzt sich eigentlich aus drei Einzelgruppen zusammen, die als ein Act auf der Bühne stehen. Vereinfachen tut die Sache allerdings, daß alle nur einen Manager haben [2]. Der einzige echte Deutsche der Truppe ist der gebürtige Frankfurter Moses Pelham selbst, der schon vor Jahren im damaligen Vogue zu Instrumentalstücken rapte und zu Hause das Mixen versuchte. Dieser lernte den seit mittlerweile sechs Jahren in der Main-Metropole lebenden New Yorker Rico Sparx kennen, der vorher bei der legendären Rock-Steady-Crew den damals brandneuen Breakdance tanzte. Jener Rico durfte sich vor Jahren dann auch Breakdance-Europameister nennen, worauf heute allerdings wohl keiner mehr steht. Rico schreibt fast alle Moses P. Stücke. Moses P. wird bei Liveauftritten von einer mehrköpfigen Mix-Crew an Plattentellern und Keyboard unterstützt. Neustes Gruppenmitglied ist aber der aus Philadelphia stammende farbige Human-Beat-Box-König Turbo B. [3],welcher mir auf die Frage, wie er denn zum Rap gekommen sei, entgegnet:
Beatboxer Turbo B: „When you went to a club in New York City years ago and you weren't able to rap you could get no pussy!“
Angefangen hat alles vor ca. zwei Jahren im Berliner Club Neue Welt [4], wo alle zusammen den ersten größeren Auftritt mit entsprechend positiver Resonanz hatten. Danach lief eigentlich alles wie im Bilderbuch. Zuerst lokale Gigs in Frankfurt und Umgebung, unter anderem im Plastik und im Vogue [5]. Im Vogue bildete sich mit der Zeit dann auch eine richtige Fangemeinde, so daß die Konzerte zu einer Art Heimspiel wurden. Beim Fachpublikum wurde Moses aber erst bekannt, als Afrika Bambaataa sich weigerte, im Frankfurter Club Cooky’s aufzutreten. Der Saal war seiner Meinung nach zu klein, und so zogen die anwesenden Moses-Jungs ihre vier Technics und ein Mischpult aus ihren Taschen und heizten dem total überfüllten Cooky’s tierisch ein. Während dieser Zeit entstanden die von Rico Sparx geschriebenen Stücke „Ay Ay Ay (What We Do For Love)“ und „Twilight Zone“, das später sogar in verschiedenen Charts landete [6]. Übrigens war es sogar auch in England ein Erfolg. Es folgten Auftritte bei einem Open Air Festival im Münchener Olympiastadion, bei den deutschen Mixmeisterschaften in Geldern (zusammen mit Inner City und Funky), bei den DMC-Mixweltmeisterschaften (Disco Mix Club) in der Londoner Royal Albert Hall, wo übrigens MTV ein halbstündiges Moses-P. Special aufnahm, und als Krönung ein einzigartiges Konzert im Palast der Republik in Ost-Berlin.
Einen Live-Auftritt von Moses P. muß man sich folgendermaßen vorstellen: Im Hintergrund vier Turntables, Mischpult, Bandmaschine und Keyboards. Im Vordergrund drei Mikrophone. Während die DJ-Crew zu den Instrumentalversionen scratcht und bekannte Rhythmen anderer Platten einmixt, sind Rico und Moses für den Sprechgesang zuständig. Einen täuschend ähnlichen Drum Machine- und Percussion Sound produziert Turbo B., der sein Mundwerk wahrhaftig beherrscht. Daß Moses P. dem Klischee eines Konservenbüchsenkonzerts dieser Musikrichtung widerspricht, hat die Formation oft genug bewiesen. Selbst wenn man nicht unbedingt Rap-Anhänger ist, lohnt sich ein abwechslungsreicher Moses P. Live Gig allemal. Mittlerweile sind Moses P. bei Logic Records unter Vertrag und werden von Ariola/München international vertrieben. Das bedeutet, daß alle veröffentlichten Platten fast zeitgleich auf dem ganzen Globus veröffentlicht werden, und das kommt bei deutschen Gruppen leider nicht allzu oft vor.
In der ARD Musiksendung Formel Eins, sowie den privaten Fernsehsendern läuft das im Frankfurter Omen entstandene, ebenfalls von Logic produzierte „Twilight Zone” Video. Kürzlich erschien nun die dritte Maxi mit dem Titel “Can This Be Love", bei der sogar Jermaine Stewart eine Gesangsrolle übernommen hat und die auch als tanzbarer Ben Liebrand Remix zu haben ist.
Moses P. unterscheidet sich von den bekannten Skyline-Klängen
Wenn man sich nun die drei bekannten Stücke an die Ohren hält, fragt man sich, ob Klassifizierungen wie Hip Hop, Rap oder gar Frankfurt-Sound überhaupt auf diese Band zutreffen. Wer melodiöse, tanzbare und abwechslungsreiche Discomusik hören will und sich dabei nicht an bestimmte Stilrichtungen klammert, ist bei Moses P. an der richtigen Adresse. Gerade der aktuelle Song ist sehr stark Chart- und Dancefloor orientiert. Auffallend ist auch, daß sich Moses P. trotz der Zugehörigkeit zur Frankfurter Musikproduzenten Familie sehr von den bekannten Skyline-Klängen z.B. eines Talla 2XLC & Co unterscheidet. So einseitig ist Frankfurter Tanzmusik also gar nicht.
Mir war es noch vergönnt, einen Blick auf das soeben in der Türkei entstandene „Can This Be Love” Video zu werfen (wobei sich meine Aufmerksamkeit zugegebenermaßen mehr auf die darin zu sehende Darstellerin konzentrierte, die allerdings mit dem Song nicht viel zu tun hat), und ein Demoband der demnächst erscheinenden Debut LP “Raining Rhymes„ zu hören. In stolzen vier Monaten Studioarbeit war sie aufgenommen, mit dem Ziel, jedes der elf darauf enthaltenen Stücke zum Dancefloor Filler zu machen. “Let's Take A Journey To My House" ist mein persönlicher Favorit. Ein wirkliches Bombenstück! Moses P. sind im Oktober/November auf Tour mit Mother's Finest, Chaka Khan & Maze. Später dann noch mal mit Tone Loc und danach geht’s solo durch die zehn größten Clubs Deutschlands (welche auch immer das sein mögen) [7].
See Ya!
Info
Anmerkungen der Journal Frankfurt Redaktion 2024:
[1] Luca Anzilotti und Michael Münzing waren u.a. die späteren Produzenten von Snap
[2] Mit Manager von Moses P., Rico Sparx, Turbo B. feat. We Wear The Crown ist Markus Löffel (alias Marc Spoon) ist hier gemeint, auch wenn das nie offiziell so definiert wurde
[3] Turbo B. war später der erste Sänger von Snap
[4] Heute ist der damalige Berliner Club Neue Welt unter Huxleys Neue Welt bekannt
[5] Aus dem Vogue wurde am gleichen Ort der Club Omen
[6] “Twilight Zone” erreichte Platz 27 in den deutschen Single-Charts
[7] Am 03.12.1989 trat Moses P. zusammen u.a. mit Big Daddy Kane in der Frankfurter Music-Hall auf
Eigentlich fuhr ich mit meiner Abneigung gegen Hip Hop in die Logic-Studios vor den Toren Frankfurts. Verloren auf einer großen weißen Ledercouch wurde ich darüber belehrt, daß Hip Hop so verschieden sein kann, daß eine Art davon sogar mir gefällt. Wer hat bloß diesen bescheuerten Begriff „Hip Hop“ eingeführt? Im Studio nebenan nehmen Luca Anzilotti und Michael Münzing (die Köpfe von Logic Records) [1] gerade eine neue Erkennungsmelodie für eine Sportsendung des hessischen Rundfunks auf. Während des gesamten Meetings müssen wir den abwechslungsarmen Einminuten-Song mindestens hundert Mal hören.
Mir gegenüber sitzt Cola trinkend die deutsche Hip Hop Gruppe Moses P. In voller Länge heißt sie Moses P., Rico Sparx, Turbo B. feat. We Wear The Crown, und besteht hauptsächlich aus den drei eben genannten Mitgliedern. Um die Sache nicht zu verkomplizieren bleiben wir aber besser bei dem schon bekannten Namen, denn Moses P. setzt sich eigentlich aus drei Einzelgruppen zusammen, die als ein Act auf der Bühne stehen. Vereinfachen tut die Sache allerdings, daß alle nur einen Manager haben [2]. Der einzige echte Deutsche der Truppe ist der gebürtige Frankfurter Moses Pelham selbst, der schon vor Jahren im damaligen Vogue zu Instrumentalstücken rapte und zu Hause das Mixen versuchte. Dieser lernte den seit mittlerweile sechs Jahren in der Main-Metropole lebenden New Yorker Rico Sparx kennen, der vorher bei der legendären Rock-Steady-Crew den damals brandneuen Breakdance tanzte. Jener Rico durfte sich vor Jahren dann auch Breakdance-Europameister nennen, worauf heute allerdings wohl keiner mehr steht. Rico schreibt fast alle Moses P. Stücke. Moses P. wird bei Liveauftritten von einer mehrköpfigen Mix-Crew an Plattentellern und Keyboard unterstützt. Neustes Gruppenmitglied ist aber der aus Philadelphia stammende farbige Human-Beat-Box-König Turbo B. [3],welcher mir auf die Frage, wie er denn zum Rap gekommen sei, entgegnet:
Angefangen hat alles vor ca. zwei Jahren im Berliner Club Neue Welt [4], wo alle zusammen den ersten größeren Auftritt mit entsprechend positiver Resonanz hatten. Danach lief eigentlich alles wie im Bilderbuch. Zuerst lokale Gigs in Frankfurt und Umgebung, unter anderem im Plastik und im Vogue [5]. Im Vogue bildete sich mit der Zeit dann auch eine richtige Fangemeinde, so daß die Konzerte zu einer Art Heimspiel wurden. Beim Fachpublikum wurde Moses aber erst bekannt, als Afrika Bambaataa sich weigerte, im Frankfurter Club Cooky’s aufzutreten. Der Saal war seiner Meinung nach zu klein, und so zogen die anwesenden Moses-Jungs ihre vier Technics und ein Mischpult aus ihren Taschen und heizten dem total überfüllten Cooky’s tierisch ein. Während dieser Zeit entstanden die von Rico Sparx geschriebenen Stücke „Ay Ay Ay (What We Do For Love)“ und „Twilight Zone“, das später sogar in verschiedenen Charts landete [6]. Übrigens war es sogar auch in England ein Erfolg. Es folgten Auftritte bei einem Open Air Festival im Münchener Olympiastadion, bei den deutschen Mixmeisterschaften in Geldern (zusammen mit Inner City und Funky), bei den DMC-Mixweltmeisterschaften (Disco Mix Club) in der Londoner Royal Albert Hall, wo übrigens MTV ein halbstündiges Moses-P. Special aufnahm, und als Krönung ein einzigartiges Konzert im Palast der Republik in Ost-Berlin.
Einen Live-Auftritt von Moses P. muß man sich folgendermaßen vorstellen: Im Hintergrund vier Turntables, Mischpult, Bandmaschine und Keyboards. Im Vordergrund drei Mikrophone. Während die DJ-Crew zu den Instrumentalversionen scratcht und bekannte Rhythmen anderer Platten einmixt, sind Rico und Moses für den Sprechgesang zuständig. Einen täuschend ähnlichen Drum Machine- und Percussion Sound produziert Turbo B., der sein Mundwerk wahrhaftig beherrscht. Daß Moses P. dem Klischee eines Konservenbüchsenkonzerts dieser Musikrichtung widerspricht, hat die Formation oft genug bewiesen. Selbst wenn man nicht unbedingt Rap-Anhänger ist, lohnt sich ein abwechslungsreicher Moses P. Live Gig allemal. Mittlerweile sind Moses P. bei Logic Records unter Vertrag und werden von Ariola/München international vertrieben. Das bedeutet, daß alle veröffentlichten Platten fast zeitgleich auf dem ganzen Globus veröffentlicht werden, und das kommt bei deutschen Gruppen leider nicht allzu oft vor.
In der ARD Musiksendung Formel Eins, sowie den privaten Fernsehsendern läuft das im Frankfurter Omen entstandene, ebenfalls von Logic produzierte „Twilight Zone” Video. Kürzlich erschien nun die dritte Maxi mit dem Titel “Can This Be Love", bei der sogar Jermaine Stewart eine Gesangsrolle übernommen hat und die auch als tanzbarer Ben Liebrand Remix zu haben ist.
Wenn man sich nun die drei bekannten Stücke an die Ohren hält, fragt man sich, ob Klassifizierungen wie Hip Hop, Rap oder gar Frankfurt-Sound überhaupt auf diese Band zutreffen. Wer melodiöse, tanzbare und abwechslungsreiche Discomusik hören will und sich dabei nicht an bestimmte Stilrichtungen klammert, ist bei Moses P. an der richtigen Adresse. Gerade der aktuelle Song ist sehr stark Chart- und Dancefloor orientiert. Auffallend ist auch, daß sich Moses P. trotz der Zugehörigkeit zur Frankfurter Musikproduzenten Familie sehr von den bekannten Skyline-Klängen z.B. eines Talla 2XLC & Co unterscheidet. So einseitig ist Frankfurter Tanzmusik also gar nicht.
Mir war es noch vergönnt, einen Blick auf das soeben in der Türkei entstandene „Can This Be Love” Video zu werfen (wobei sich meine Aufmerksamkeit zugegebenermaßen mehr auf die darin zu sehende Darstellerin konzentrierte, die allerdings mit dem Song nicht viel zu tun hat), und ein Demoband der demnächst erscheinenden Debut LP “Raining Rhymes„ zu hören. In stolzen vier Monaten Studioarbeit war sie aufgenommen, mit dem Ziel, jedes der elf darauf enthaltenen Stücke zum Dancefloor Filler zu machen. “Let's Take A Journey To My House" ist mein persönlicher Favorit. Ein wirkliches Bombenstück! Moses P. sind im Oktober/November auf Tour mit Mother's Finest, Chaka Khan & Maze. Später dann noch mal mit Tone Loc und danach geht’s solo durch die zehn größten Clubs Deutschlands (welche auch immer das sein mögen) [7].
See Ya!
Anmerkungen der Journal Frankfurt Redaktion 2024:
[1] Luca Anzilotti und Michael Münzing waren u.a. die späteren Produzenten von Snap
[2] Mit Manager von Moses P., Rico Sparx, Turbo B. feat. We Wear The Crown ist Markus Löffel (alias Marc Spoon) ist hier gemeint, auch wenn das nie offiziell so definiert wurde
[3] Turbo B. war später der erste Sänger von Snap
[4] Heute ist der damalige Berliner Club Neue Welt unter Huxleys Neue Welt bekannt
[5] Aus dem Vogue wurde am gleichen Ort der Club Omen
[6] “Twilight Zone” erreichte Platz 27 in den deutschen Single-Charts
[7] Am 03.12.1989 trat Moses P. zusammen u.a. mit Big Daddy Kane in der Frankfurter Music-Hall auf
19. Dezember 2024, 11.36 Uhr
Raphael Krickow
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