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Zehn Jahre nach NSU-Selbstenttarnung

Zu viele Fehler, zu wenige Konsequenzen

Zehn Jahre ist es her, dass der NSU sich selbst enttarnte. Aus den Fehlern der Behörden sind nicht ausreichend Konsequenzen gezogen worden, kritisiert die Bildungsstätte Anne Frank und fordert eine flächendeckende Sensibilisierung von Polizei und Behörden.
Am 4. November 2011, vor genau zehn Jahren, enttarnte sich der NSU selbst. Und auch nach so langer Zeit sind viele Dinge ungeklärt, die ein Ausschuss und ein mehrjähriger Prozess nicht klären konnten. Zurück bleiben Trauer, Wut, Enttäuschung – und zahlreiche Fragen. In Hessen machen vor allem die Verweigerung der CDU der Offenlegung der NSU-Akten und die noch immer ungeklärte Rolle des ehemaligen Mitarbeiters des Verfassungsschutzes Andreas Temme fassungslos. Dieser war bei dem NSU-Mord an dem Internet-Café-Betreiber Halit Yozgat in Kassel im April 2006 anwesend, bestreitet jedoch im Nachhinein, etwas mitbekommen zu haben.

„Für mich sind an diesem Jahrestag drei Wörter wichtig: Aufklärung, Gerechtigkeit, Konsequenzen“, sagt Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Zu viele Fragen seien noch offen, Unterstützer des NSU noch immer nicht angeklagt und die Gewalt noch längst nicht vorbei, wie Anschläge in Halle und Hanau zeigten, so Hennig-Wellsow. „Wir alle sollten auch den Opfern rassistischer Übergriffe mehr und genauer zuhören. Denn an der Frage, wie wir mit den Opfern von Hass und Rassismus umgehen, entscheidet sich auch der demokratische Charakter unserer Gesellschaft.“

Die NSU-Morde wurden auch deshalb nicht aufgeklärt, weil die Ermittler Hinweise auf einen rassistischen Tathintergrund weitgehend ignoriert und stattdessen im Umfeld der Opfer ermittelt haben. Unter dem Begriff „Dönermorde“ wurden die Anschläge damals zusammengefasst; die Behörden und auch viele Journalisten glaubten lange Zeit, die Mörder stammten aus dem türkischen Drogenmilieu. Der Begriff ist allerdings auch ein Beleg für die rassistischen Vorurteile, die bei den Ermittlungen mitschwangen – denn nur zwei der neun Opfer arbeiteten in einem Dönerladen.

Scharfe Kritik anlässlich der zehnjährigen Selbstenttarnung des NSU äußert auch Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, und wirft den Sicherheitsbehörden „völliges Versagen“ vor. Deutliche Worte fand Mendel auch für die neuste Aussage von Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser sagte der Deutschen-Presse-Agentur noch vor wenigen Tagen, er sei der Ansicht, dass die notwendigen Konsequenzen aus dem damaligen Versagen der Behörden gezogen worden seien. „Wenn Seehofer diesen Prozess als abgeschlossen sieht, macht er sich lächerlich“, sagt Mendel dazu. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene seien in den vergangenen zehn Jahren die nötigen Strukturreformen durchgesetzt worden. „Zu so einer Ansicht kann nur kommen, wer angesichts fast täglicher Berichte von rechten Netzwerken, Chatgruppen oder Munitionsverlusten die Augen verschließt, wer die Berichte von Betroffenenorganisationen grundsätzlich ignoriert“, kritisiert Mendel. Behörden hätten es in den vergangenen zehn Jahren versäumt, das Vertrauen neu aufzubauen und strukturelle Probleme anzugehen.

Die bisherigen Bemühungen sieht Mendel kritisch: „Wir wissen zwar von einzelnen engagierten Dienststellen und Einheiten, dass Lehren aus den damaligen Fehlern gezogen wurden. So hat etwa das Bundeskriminalamt (BKA) Beamt*innen zu diesen Themen bei der Bildungsstätte schulen lassen. Doch es reicht nicht, wenn einzelne Einheiten auch mal ein Antirassismus-Training veranstalten.“ Mendel fordert dagegen flächendeckend in allen Dienststellen und in allen Ländern verpflichtende Aus- und Weiterbildungsprogramme zu den Themen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und rechte Netzwerke – für Bundes- und Landeskriminalämter ebenso wie für die Bundes- und Landespolizei und ihre Sondereinsatzkommandos.
 
4. November 2021, 12.47 Uhr
Elena Zompi
 
 
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