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Frankfurt Fashion Week
Essenz statt Effekt
Im Museum Angewandte Kunst werden seit Jahren immer wieder Ausstellungen zu Phänomenen in der Mode gezeigt. In einem Gastbeitrag spricht Museums-Direktor Matthias Wagner K über Melancholie, Ann Demeulemeester und Mode als Spiegel der Gesellschaft.
Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main zeigt seit nunmehr neun Jahren immer wieder Ausstellungen zu aktuellen Phänomenen in der Mode. Zu nennen sind hier die Ausstellungen „Life doesn’t frighten me. Michelle Elie wears Comme des Garçons“, „Contemporary Muslim Fashions“, „Jil Sander. Präsens“, „Mode bewegt Bild“, die „3. Nordic Fashion Biennale“ oder die nach dem radikalen Umbau des Museums erste gezeigte Mode-Ausstellung „Draußen im Dunkel. Weitermachen nach der Mode“ im Jahr 2013.
Im Draußen das Dunkel, weil vom Licht des Fortschrittsglaubens in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts nur noch ein Flackern zu erkennen ist, und schleichend sich zu verbreiten scheint der Schatten enttäuschter Hoffnungen, so man dem Philosophen Ludger Heidbrink folgt und mit Wolf Lepenies anschließt: Wo aber das utopische Denken erlischt, verschafft sich die Melancholie Raum.
In der Tat schienen sich die Macherinnen und Macher einer Mode des noch jungen 21. Jahrhunderts, dem Dunkel, mithin der Melancholie zugewendet zu haben. Melancholie schien sich einmal mehr als Kontaktstelle zur Welt zu verstehen, und die Mode von Leandro Cano, Garland Coo, Ann Demeulemeester in Filmen von Erik Madigan Heck, Barbara í Gongini, Julia Heuse, Maison Martin Margiela, Alexander McQueen, Boris Bidjan Saberi, Augustin Teboul und Yohji Yamamoto als jeweils dünne Membran, als diffusionsoffene Schicht zwischen unserer Alltagswelt und jener anderen Seite, auf der die Modemacher:innen die Grenzen des menschlichen Seins, der Gefühle und des Verlangens ausloten – in einem Weitermachen nach der Mode.
Der Museumsraum konstituierte sich dabei im Zusammenspiel von Menschen, Dingen, Wahrnehmung und Bewegung als sinnlicher Denk- und Erfahrungsraum. Erfahrbar das Tun und die Haltung der Gestalter:innen über die Dinge, multimedialen Installationen oder Körper im Raum und deren Anordnung, über die gestalteten Atmosphären. Erfahrbar so, dass Mode sehr viel mehr ist als bloß ein bestimmter Schnitt, ein mehr oder weniger eingefärbtes Stück Stoff oder eine gewisse Rocklänge, die sich in Hochglanzmagazinen als Must-haves der kommenden Saison abbilden lassen.
Der Bezug von Menschen, Kleidern und Raum ist demnach unverzichtbar, um einerseits über Raum und Räumlichkeit und andererseits über Mode zu sprechen, denn offensichtlich bedingen alle Faktoren einander. Mode wird am Körper zu angewandter Kunst und im Museumsraum in besonderem Maße. Die Kleider brauchen den Raum der Inszenierung, um überhaupt erst zu Mode werden zu können. In gleichem Maße benötigt der Raum Menschen, um erlebt und konstituiert zu werden. Mode und Raum treten in gegenseitiger Bedingtheit in Interaktion mit ihren Betrachter:innen und lösen in beiden Fällen Reaktionen aus, ohne bloße Schauplätze zu sein.
Dass das auch außerhalb des musealen Raumes so ist, zeigt sich, wenn man sich aktuell auf eine Reise nach Antwerpen begibt und dort den Flagship-Store des Labels Ann Demeulemeester betritt. Der Store, der sich in einem historistischen Gebäude aus den 1880er-Jahren am Leopold de Waelplaats im Antwerpener Stadtteil Zuid befindet, direkt gegenüber dem Königlichen Museum der Schönen Künste (KMSKA), lässt einen unmittelbar in eine Atmosphäre der Ruhe, Entspannung und Gelassenheit eintauchen. Die Einrichtung der ehemaligen Schule für Seeleute ist wie die Modekollektion Frühjahr/Sommer 2022 in Schwarz-Weiß gehalten. Auf 520 Quadratmetern lässt sich über schwarz gebeizte Holzböden laufen, vorbei an elf Meter langen Kleiderstangen, an denen in großen Abständen Mäntel, Kleider, Hosen oder Blusen hängen und ganz im Sinne von Demeulemeester darauf warten, ihre Geschichten an den Körpern ihrer Kund:innen zu entfalten. Gegenüber davon steht eine sechs Meter lange Glasvitrine, in der unter anderem Accessoires und die Demeulemeester Keramik- und Glaskollektion für Serax gezeigt werden. Mithin bestimmen große Spiegel den Raum; über eine in Weiß gehaltene, offene Treppe gelangt man in die erste Etage. Hier finden sich unter anderem große, kreisförmige Schuh-Displays.
Die 1959 in Belgien geborene Ann Demeulemeester zählt international zu den wichtigen und innovativsten Modeschöpfer:innen. Als Antwerp Six+1 schrieben Ann Demeulemeester, Walter Van Beirendonck, Dries Van Noten, Dirk Van Saene, Marina Yee, Dirk Bikkembergs und etwas später hinzukommend Martin Margiela seit dem Jahr 1986 Modegeschichte. Das Geschäft am Leopold de Waelplaats gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren. Eröffnet wurde es 1999 von Demeulemeester und ihrem Ehemann und Geschäftspartner Patrick Robyn. 2013 zog sie sich aus ihrem gleichnamigen Unternehmen zurück, das von Anne Chapelle weitergeführt wurde, bevor Claudio Antonioli, von Demeulemeester als einer ihrer Weggefährten bezeichnet, im September 2020 das Archiv, das Hauptquartier und den Flagship-Store in Antwerpen sowie den Showroom in Paris übernahm. Heute ist sie als Beraterin für das Unternehmen tätig, und ihr Ehemann war maßgeblich an der Neukonzeption des Stores in Antwerpen beteiligt.
Was macht Demeulemeesters Mode so besonders, und wie spiegelt sich das im Raum wider? Bestimmte Raffungen und Asymmetrien, bestimmte Arten wie ein Kleid den Körper umfließt oder eine Hose von den Hüften zu fallen scheint, machen ihre Mode unverwechselbar. Alle ihre Modelle probierte sie selbst an und nur, wenn sie sich wirklich angenehm tragen ließen und gut anfühlten, wurden sie in die Kollektionen aufgenommen. Mit ihrer Mode wollte sie Gefühle und Wohlbefinden nicht nur zulassen und ausdrücken, sondern vor allem hervorrufen. Selbst sagt Ann Demeulemeester zu ihren Entwürfen, dass sie architektonisch konstruiert sein müssen und die Form ein zentraler Begriff sei. Die Farbe stehe dabei fast immer im Dienst der Form und dementsprechend sei ihre Farbauswahl puristisch. Schwarz und Weiß – die Farben ihres Stores in Antwerpen – sind für sie die poetischsten Farben, die die Konstruktion des Kleidungsstücks genau erkennen lassen. Die Intention ihres Labels ist es, Kleider zu einem Teil des Lebens ihrer Kund:innen werden zu lassen. Das ist der Punkt für Demeulemeester, an dem sich Kleidung von Kunst unterscheidet. Das Bild in einem Museum bleibe beispielsweise an der Wand hängen, während sich das Kleid oder der Blazer an jeder Trägerin konkret verändert.
Lässt sich dann hier nicht viel eher von Mode als angewandter Kunst sprechen? Jedes ihrer Kleidungsstücke löst etwas aus, statt etwas zu sein und bewegt sich mit seinen Träger:innen mit – so wie auch die Räumlichkeiten des Ann Demeulemeesters Flagship-Stores einem steten Wandel unterliegen.
Eben diese derart gestaltete Räumlichkeit ließe sich 1:1 in ein Museum übertragen. Die Möglichkeit des Kaufens würde durch eine andere Lesart ersetzt, um eine andere Aufmerksamkeit und mithin Sichtbarkeit dessen, was Gestalterinnen und Gestalter tun. Es kämen mehr zum Tragen die Kollaborationen mit Filmregisseur:innen, Sounddesigner:innen, Grafikdesigner:innen und Künstler:innen. Es würde sich noch deutlicher zeigen, das Durchbrechen von Grenzen und Normen und dass es um mehr geht als Bekleidung: nämlich stattdessen um Seelenbilder, um Gefühle, die gerade die Gesellschaft prägen, wie beispielsweise Angst oder Sehnsucht, um Fantasien, um Melancholie und Poesie, um Widerstand gegen Rollenklischees und Nicht-Wahrnehmung, natürlich auch um Begehren, Aufmerksamkeit und Konsum, und mithin auch um die Schattenseiten von Eitelkeit, Reichtum und Erfolg.
Mode ist immer ein Spiegel der Gesellschaft und damit auch aktueller politischer und sozialer Transformationsprozesse. Mode ist dabei niemals Diktat, weil allein die Chiffren der Flüchtigkeit, die ihr innewohnen, der stete Wandel, sich indirekt kritisch zu jeglicher Dogmatik verhalten. Und nicht zuletzt verkörpert Mode nicht nur hoffnungsvolle Veränderungen, sondern kann auch unangenehme Wahrheiten enthüllen.
Mode in einem Museum wie dem Museum Angewandte Kunst zu präsentieren, bedeutet dabei, den kanonisierten Erzählungen der Modegeschichte etwas Neues, ein Mehr an Bedeutungen einzuschreiben. Es geht um einen Ort, an dem Mode und das Tun der Gestalter:innen reflektiert werden können und sich herausfinden lässt, was Mode ist und was sie mit uns macht. Und spätestens dann lässt sich von Mode als einem Medium der Kunst sprechen, das sich allein formal und also durch einen auf die Lebenspraxis ausgerichteten Gebrauchszweck von anderen Künsten unterscheidet, als eine besondere Form der angewandten Künste.
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Zur Person:
Matthias Wagner K (*1961 in Jena) ist Ausstellungsmacher, Kurator, Autor und seit 2012 Direktor des Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main. 2018 wurde er von der HfG Offenbach zum Honorarprofessor im Fachbereich Design berufen, zeichnet verantwortlich für das 2023 stattfindende Festival Theater der Welt in Offenbach/Frankfurt zusammen mit Anselm Weber und Matthias Pees als Intendant und ist Leiter/CEO der Bewerbung Frankfurt RheinMain für den Titel World Design Capital 2026 mit dem Claim Design for Democracy, Atmospheres for a better life.
Dieser Text ist zuerst in der Titelstory der Januar-Ausgabe (1/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
Im Draußen das Dunkel, weil vom Licht des Fortschrittsglaubens in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts nur noch ein Flackern zu erkennen ist, und schleichend sich zu verbreiten scheint der Schatten enttäuschter Hoffnungen, so man dem Philosophen Ludger Heidbrink folgt und mit Wolf Lepenies anschließt: Wo aber das utopische Denken erlischt, verschafft sich die Melancholie Raum.
In der Tat schienen sich die Macherinnen und Macher einer Mode des noch jungen 21. Jahrhunderts, dem Dunkel, mithin der Melancholie zugewendet zu haben. Melancholie schien sich einmal mehr als Kontaktstelle zur Welt zu verstehen, und die Mode von Leandro Cano, Garland Coo, Ann Demeulemeester in Filmen von Erik Madigan Heck, Barbara í Gongini, Julia Heuse, Maison Martin Margiela, Alexander McQueen, Boris Bidjan Saberi, Augustin Teboul und Yohji Yamamoto als jeweils dünne Membran, als diffusionsoffene Schicht zwischen unserer Alltagswelt und jener anderen Seite, auf der die Modemacher:innen die Grenzen des menschlichen Seins, der Gefühle und des Verlangens ausloten – in einem Weitermachen nach der Mode.
Der Museumsraum konstituierte sich dabei im Zusammenspiel von Menschen, Dingen, Wahrnehmung und Bewegung als sinnlicher Denk- und Erfahrungsraum. Erfahrbar das Tun und die Haltung der Gestalter:innen über die Dinge, multimedialen Installationen oder Körper im Raum und deren Anordnung, über die gestalteten Atmosphären. Erfahrbar so, dass Mode sehr viel mehr ist als bloß ein bestimmter Schnitt, ein mehr oder weniger eingefärbtes Stück Stoff oder eine gewisse Rocklänge, die sich in Hochglanzmagazinen als Must-haves der kommenden Saison abbilden lassen.
Der Bezug von Menschen, Kleidern und Raum ist demnach unverzichtbar, um einerseits über Raum und Räumlichkeit und andererseits über Mode zu sprechen, denn offensichtlich bedingen alle Faktoren einander. Mode wird am Körper zu angewandter Kunst und im Museumsraum in besonderem Maße. Die Kleider brauchen den Raum der Inszenierung, um überhaupt erst zu Mode werden zu können. In gleichem Maße benötigt der Raum Menschen, um erlebt und konstituiert zu werden. Mode und Raum treten in gegenseitiger Bedingtheit in Interaktion mit ihren Betrachter:innen und lösen in beiden Fällen Reaktionen aus, ohne bloße Schauplätze zu sein.
Dass das auch außerhalb des musealen Raumes so ist, zeigt sich, wenn man sich aktuell auf eine Reise nach Antwerpen begibt und dort den Flagship-Store des Labels Ann Demeulemeester betritt. Der Store, der sich in einem historistischen Gebäude aus den 1880er-Jahren am Leopold de Waelplaats im Antwerpener Stadtteil Zuid befindet, direkt gegenüber dem Königlichen Museum der Schönen Künste (KMSKA), lässt einen unmittelbar in eine Atmosphäre der Ruhe, Entspannung und Gelassenheit eintauchen. Die Einrichtung der ehemaligen Schule für Seeleute ist wie die Modekollektion Frühjahr/Sommer 2022 in Schwarz-Weiß gehalten. Auf 520 Quadratmetern lässt sich über schwarz gebeizte Holzböden laufen, vorbei an elf Meter langen Kleiderstangen, an denen in großen Abständen Mäntel, Kleider, Hosen oder Blusen hängen und ganz im Sinne von Demeulemeester darauf warten, ihre Geschichten an den Körpern ihrer Kund:innen zu entfalten. Gegenüber davon steht eine sechs Meter lange Glasvitrine, in der unter anderem Accessoires und die Demeulemeester Keramik- und Glaskollektion für Serax gezeigt werden. Mithin bestimmen große Spiegel den Raum; über eine in Weiß gehaltene, offene Treppe gelangt man in die erste Etage. Hier finden sich unter anderem große, kreisförmige Schuh-Displays.
Die 1959 in Belgien geborene Ann Demeulemeester zählt international zu den wichtigen und innovativsten Modeschöpfer:innen. Als Antwerp Six+1 schrieben Ann Demeulemeester, Walter Van Beirendonck, Dries Van Noten, Dirk Van Saene, Marina Yee, Dirk Bikkembergs und etwas später hinzukommend Martin Margiela seit dem Jahr 1986 Modegeschichte. Das Geschäft am Leopold de Waelplaats gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren. Eröffnet wurde es 1999 von Demeulemeester und ihrem Ehemann und Geschäftspartner Patrick Robyn. 2013 zog sie sich aus ihrem gleichnamigen Unternehmen zurück, das von Anne Chapelle weitergeführt wurde, bevor Claudio Antonioli, von Demeulemeester als einer ihrer Weggefährten bezeichnet, im September 2020 das Archiv, das Hauptquartier und den Flagship-Store in Antwerpen sowie den Showroom in Paris übernahm. Heute ist sie als Beraterin für das Unternehmen tätig, und ihr Ehemann war maßgeblich an der Neukonzeption des Stores in Antwerpen beteiligt.
Was macht Demeulemeesters Mode so besonders, und wie spiegelt sich das im Raum wider? Bestimmte Raffungen und Asymmetrien, bestimmte Arten wie ein Kleid den Körper umfließt oder eine Hose von den Hüften zu fallen scheint, machen ihre Mode unverwechselbar. Alle ihre Modelle probierte sie selbst an und nur, wenn sie sich wirklich angenehm tragen ließen und gut anfühlten, wurden sie in die Kollektionen aufgenommen. Mit ihrer Mode wollte sie Gefühle und Wohlbefinden nicht nur zulassen und ausdrücken, sondern vor allem hervorrufen. Selbst sagt Ann Demeulemeester zu ihren Entwürfen, dass sie architektonisch konstruiert sein müssen und die Form ein zentraler Begriff sei. Die Farbe stehe dabei fast immer im Dienst der Form und dementsprechend sei ihre Farbauswahl puristisch. Schwarz und Weiß – die Farben ihres Stores in Antwerpen – sind für sie die poetischsten Farben, die die Konstruktion des Kleidungsstücks genau erkennen lassen. Die Intention ihres Labels ist es, Kleider zu einem Teil des Lebens ihrer Kund:innen werden zu lassen. Das ist der Punkt für Demeulemeester, an dem sich Kleidung von Kunst unterscheidet. Das Bild in einem Museum bleibe beispielsweise an der Wand hängen, während sich das Kleid oder der Blazer an jeder Trägerin konkret verändert.
Lässt sich dann hier nicht viel eher von Mode als angewandter Kunst sprechen? Jedes ihrer Kleidungsstücke löst etwas aus, statt etwas zu sein und bewegt sich mit seinen Träger:innen mit – so wie auch die Räumlichkeiten des Ann Demeulemeesters Flagship-Stores einem steten Wandel unterliegen.
Eben diese derart gestaltete Räumlichkeit ließe sich 1:1 in ein Museum übertragen. Die Möglichkeit des Kaufens würde durch eine andere Lesart ersetzt, um eine andere Aufmerksamkeit und mithin Sichtbarkeit dessen, was Gestalterinnen und Gestalter tun. Es kämen mehr zum Tragen die Kollaborationen mit Filmregisseur:innen, Sounddesigner:innen, Grafikdesigner:innen und Künstler:innen. Es würde sich noch deutlicher zeigen, das Durchbrechen von Grenzen und Normen und dass es um mehr geht als Bekleidung: nämlich stattdessen um Seelenbilder, um Gefühle, die gerade die Gesellschaft prägen, wie beispielsweise Angst oder Sehnsucht, um Fantasien, um Melancholie und Poesie, um Widerstand gegen Rollenklischees und Nicht-Wahrnehmung, natürlich auch um Begehren, Aufmerksamkeit und Konsum, und mithin auch um die Schattenseiten von Eitelkeit, Reichtum und Erfolg.
Mode ist immer ein Spiegel der Gesellschaft und damit auch aktueller politischer und sozialer Transformationsprozesse. Mode ist dabei niemals Diktat, weil allein die Chiffren der Flüchtigkeit, die ihr innewohnen, der stete Wandel, sich indirekt kritisch zu jeglicher Dogmatik verhalten. Und nicht zuletzt verkörpert Mode nicht nur hoffnungsvolle Veränderungen, sondern kann auch unangenehme Wahrheiten enthüllen.
Mode in einem Museum wie dem Museum Angewandte Kunst zu präsentieren, bedeutet dabei, den kanonisierten Erzählungen der Modegeschichte etwas Neues, ein Mehr an Bedeutungen einzuschreiben. Es geht um einen Ort, an dem Mode und das Tun der Gestalter:innen reflektiert werden können und sich herausfinden lässt, was Mode ist und was sie mit uns macht. Und spätestens dann lässt sich von Mode als einem Medium der Kunst sprechen, das sich allein formal und also durch einen auf die Lebenspraxis ausgerichteten Gebrauchszweck von anderen Künsten unterscheidet, als eine besondere Form der angewandten Künste.
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Zur Person:
Matthias Wagner K (*1961 in Jena) ist Ausstellungsmacher, Kurator, Autor und seit 2012 Direktor des Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main. 2018 wurde er von der HfG Offenbach zum Honorarprofessor im Fachbereich Design berufen, zeichnet verantwortlich für das 2023 stattfindende Festival Theater der Welt in Offenbach/Frankfurt zusammen mit Anselm Weber und Matthias Pees als Intendant und ist Leiter/CEO der Bewerbung Frankfurt RheinMain für den Titel World Design Capital 2026 mit dem Claim Design for Democracy, Atmospheres for a better life.
Dieser Text ist zuerst in der Titelstory der Januar-Ausgabe (1/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
21. Januar 2022, 11.04 Uhr
Matthias Wagner K
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22. November 2024
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