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No Sex in the City
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Kolumne von Ana Marija Milkovic
 

Kolumne von Ana Marija Milkovic

Schade, dass Humanisten keine Philosophen sind

Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder
Das Grundgesetz, findet unsere Kolumnistin, sollte über allem stehen. Doch hier und da bröckelt dieser Grundsatz – und sägt im Sinne der politischen Korrektheit an der freien Meinungsäußerung.
Slavoj Žižek hat einen bemerkenswerten Artikel über ein Phänomen geschrieben, dass uns noch die kommenden vier Jahre beschäftigen wird. Ein Phänomen, das den Überbegriff Trump trägt und ein Ventil vieler gegen das Establishment ist. Auf eine häufig gestellte Frage in den vergangenen Monaten, wer denn das Establishment sei, findet der Leser des Artikels eine Antwort.

Das Establishment ist zuallererst eine Gruppe von Menschen, die sich bewusst von Anderen abgrenzt. Innerhalb dieses Establishment werden Sicht- und Denkweisen angenommen, die sich durchs Kollektiv manifestieren und gegen die Interessen Anderer über eine Sprachregelung durchsetzen lassen. Abgrenzung wird dabei zur Identitätspolitik.

"Ich bin schwul und das ist auch gut so." sagte einmal der Berliner Oberbürgermeister Wowereit. Was aber ist, wenn jemand schwul ist und versagt? Welche Replik lässt sich im Umkehrschluss daraus schließen, wenn es als Qualitätsmerkmal benannt wird?

Auch Koptuchträgerinnen grenzen sich in ihrer Andersartigkeit durch ein Stück Stoff von anderen Frauen ab. Die Frau, die kein Kopftuch trägt, wird als Andersartig essentialisiert. Dabei wirkt die Tatsache, dass nur eine Minderheit, Kopftücher in Deutschland trägt, keineswegs beruhigend im öffentlichen Diskurs. Ein Widerspruch, der keiner ist. Das politisch Korrekte fördert die Interessen von Minderheiten gegen die Interessen von Mehrheiten.

Ein herausragendes Merkmal des derzeitigen Establishments ist die Kontrolle über unsere Wortwahl. Politisch korrekt ist, wer gegen AKW, Homophobie, Islamophobie, Europafeindlichkeit, Rechtskonservative, Fremdenfeindlichkeit argumentiert. Es gibt gute Gründe gegen das alles zu sein. Wie aber ist es dann im Umkehrschluss um die individuelle Freiheit bestellt, wenn der Einzelne den politische Islam nicht goutiert? Ist das Recht auf Freiheit über den eigenen Körper zu bestimmen, stärker zu gewichten, wenn Frauen Kinder für Minderheiten gegen Bezahlung austragen als zivilisatorische Zweifel daran? Wird das Verhältnis vom Individuum zur Gesellschaften zunehmend aus der Perspektive von Minderheiten in unserer Gesellschaft gestaltet? Und was wäre schlimm daran?

Schlimm wäre, wenn wir Denken und Reden kontrollieren, wenn wir Andersdenkende entlarven, denunzieren, entfreunden würden. Das ist aktuell der Fall. Denunziert wird allenthalben. Auch der Blog "Die Achse der Guten" an der Henryk M. Broder beteiligt ist, geriet ins Visier. In einem Aufruf gegen rechts, veranlasst durch den Strategy Director der Agentur Scholz&Friends, wurden Unternehmen aufgefordert, genauer hinzuschauen, wo ihre Anzeigen geschaltet werden.

Benannt wurde auch in diesem Aufruf die Achse der Guten. Die Sprachregelung sollte Kunden veranlassen, den Geldhahn zuzudrehen. Broder konterte, dass diese Aufforderung der nationalsozialistischem Agenda " Kauft nicht bei Juden" gleicht. Der Nationalsozialismus fing zu allererst einmal damit an, Stigmatisierten durch rechtsfreie Mobilisierung den Geldhahn zu zudrehen. Das politisch Korrekte duldet heute analog dem Dritten Reich keine moralische Alternativen. Žižek zieht das Fazit, der linksliberale Konsens werde unangenehme Alternativen erst möglich machen, wenn ihre vorherrschende Klasse als Interessenvertretung für eine wachsende Mehrheit versagt. Es gilt der Rechtsstaat: Wir sind vor dem Grundgesetz alle gleich und werden nach diesem und nicht über die Moralvorstellungen Dritter gerichtet.
9. Februar 2017
Ana Marija Milkovic
 
 
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