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No Sex in the City
Kolumne von Ana Marija Milkovic
Freiheit zwischen Fixie-Stube und Amtsstube
Unsere Kolumnistin findet an der Rückseite des Frankfurter Hofs ein Radgeschäft, das tolerant gegenüber Vintage ist. Wenn es doch in Baubehörden sp locker zuginge. Doch dort ist der Schaden schon privativiert.
Ich muss dringend mit meinem Fahrrad in die Berliner Straße. Ein äußerst cooler Fahhradladen rückseitig des Frankfurter Hofs gelegen. Fixiestube. Der Branchenmix im Vier-Sterne-Komplex ist genau an dieser Stelle sexy. Einer der Chefs trägt seine Haare länger als ich sie trage. Sie sind dort immer sehr freundlich. Auf Kulanz bei kleinen Supports verstehen sie sich auch. Auch wenn die Radfahrerin mit einem Pelz auf einer Fahrradmarke, auf der selbst ET nach Hause telefonieren wollte, angeradelt kommt.
Pelz und Rad, beides Vintage. Dedicated to performance. Wir verstehen uns, lächeln uns an, sprechen über mein Rad. Ich setze mich während des Supports und schweife mit meinen Gedanken ab.
Ich stelle mir vor, ich gehe in diesem Outfit in eine Baubehörde. Eine Behörde, die von einem der letzten auf Lebenszeit verpflichteten Mohikaner verwaltet wird. Damals verpflichtete der Staat gerne auf Lebenszeit. Heute müht sich sein Gegenüber, Pension ungesichert daran ab. Ich ziehe mich aus. Den Pelz lege ich neben mich auf einen Stuhl. Ich stelle mir vor, es sind ausreichend Stühle vorhanden. Es mangelt an so vielem hier, aber Stühle gibt es reichlich.
Jerusalem fällt mir ein. In der rechten Hand trage ich die Bibel für Architekten und Ingenieure, kurz HOAI genannt. An die muss ich glauben, denn Glaube verpflichtet. Ich nehme Platz, um die Anwendung der Honorarordnung zu verhandeln, schließe die Augen, es folgt ein kleines Gebet an das Präsidium der Architektenkammer gerichtet, wissen Kenner der Szene doch, denn so hat es der Gesetzgeber bestimmt, dass die Zone unserer Honorarsätze nicht verhandelbar und leider auch nicht immer durchsetzbar ist.
Das weiß mein öffentliches Gegenüber allerdings auch und lächelt freundlich. Er weiß zudem, dass die aufrecht zu erhaltende Performance bei der Viehlzahl der zu beachtenden, eigens für seinen Selbsterhaltungszweck in Kraft gesetzter Faktoren, auch der zu erwartenden Überlänge öffentlicher Vorhaben wirtschaftlich vernichtend sein kann. Das nimmt er als Beamter gerne in Kauf, hat er doch den Schaden privatisiert, erklärt er eindringlich: Sie sind schuld!
Würde er die durch ihn beanstandete Länge honorieren, bittet er um Verständnis, käme es doch einem Offenbarungseid gleich. Das sei der Öffentlichkeit nicht vermittelbar. Er öffnet die Tür. Weitere Architekten treten ein. Ein Stuhl zu wenig zähle ich. Sie tragen keinen Pelz und keine Honorarordnung. Die Reise nach Jerusalem kann beginnen. Ich merke schnell, Pelz und Honorarordnung machen mich wettbewerbsunfähig. Er sollte besser nicht bauen und ich besser nicht diese Sachen tragen, fluche ich. Das sind die falschen Signale! Meine Gedanken schweifen zum Bundespräsidenten. Warum auch nicht? Er versteht sich auf Freiheit!
Er raunt mir ins Ohr: Take it or leave it. Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, bedanke mich für Support und fahre eilig davon.
Pelz und Rad, beides Vintage. Dedicated to performance. Wir verstehen uns, lächeln uns an, sprechen über mein Rad. Ich setze mich während des Supports und schweife mit meinen Gedanken ab.
Ich stelle mir vor, ich gehe in diesem Outfit in eine Baubehörde. Eine Behörde, die von einem der letzten auf Lebenszeit verpflichteten Mohikaner verwaltet wird. Damals verpflichtete der Staat gerne auf Lebenszeit. Heute müht sich sein Gegenüber, Pension ungesichert daran ab. Ich ziehe mich aus. Den Pelz lege ich neben mich auf einen Stuhl. Ich stelle mir vor, es sind ausreichend Stühle vorhanden. Es mangelt an so vielem hier, aber Stühle gibt es reichlich.
Jerusalem fällt mir ein. In der rechten Hand trage ich die Bibel für Architekten und Ingenieure, kurz HOAI genannt. An die muss ich glauben, denn Glaube verpflichtet. Ich nehme Platz, um die Anwendung der Honorarordnung zu verhandeln, schließe die Augen, es folgt ein kleines Gebet an das Präsidium der Architektenkammer gerichtet, wissen Kenner der Szene doch, denn so hat es der Gesetzgeber bestimmt, dass die Zone unserer Honorarsätze nicht verhandelbar und leider auch nicht immer durchsetzbar ist.
Das weiß mein öffentliches Gegenüber allerdings auch und lächelt freundlich. Er weiß zudem, dass die aufrecht zu erhaltende Performance bei der Viehlzahl der zu beachtenden, eigens für seinen Selbsterhaltungszweck in Kraft gesetzter Faktoren, auch der zu erwartenden Überlänge öffentlicher Vorhaben wirtschaftlich vernichtend sein kann. Das nimmt er als Beamter gerne in Kauf, hat er doch den Schaden privatisiert, erklärt er eindringlich: Sie sind schuld!
Würde er die durch ihn beanstandete Länge honorieren, bittet er um Verständnis, käme es doch einem Offenbarungseid gleich. Das sei der Öffentlichkeit nicht vermittelbar. Er öffnet die Tür. Weitere Architekten treten ein. Ein Stuhl zu wenig zähle ich. Sie tragen keinen Pelz und keine Honorarordnung. Die Reise nach Jerusalem kann beginnen. Ich merke schnell, Pelz und Honorarordnung machen mich wettbewerbsunfähig. Er sollte besser nicht bauen und ich besser nicht diese Sachen tragen, fluche ich. Das sind die falschen Signale! Meine Gedanken schweifen zum Bundespräsidenten. Warum auch nicht? Er versteht sich auf Freiheit!
Er raunt mir ins Ohr: Take it or leave it. Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, bedanke mich für Support und fahre eilig davon.
2. Juli 2013
Ana Marija Milkovic
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