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No Sex in the City
Kolumne von Ana Marija Milkovic
Bilde Künstler, rede nicht
Der neue Glasturm am Goethe-Platz – für unsere Kolumnistin ein Paradebeispiel für das architektonische „Gewurstel“ in Frankfurt und den formalistischen Rest einer in den 60er- und 70er-Jahren entflammten Provokation.
Wir sind eine nach Identität suchende Mittelstandsgesellschaft. Das zeitgenössische, architektonische und gesellschaftliche Leitbild ist die Rekonstruktion. Das ist ein alter Hut und mittlerweile aber auch gesellschaftlicher Konsens. Die kritische Rekonstruktion in der Architektur manifestierte sich einst über Modul, Achse, Raster und Symmetrie. War ursprünglich die kritische Rekonstruktion als Provokation gegen die in den 60ern und 70ern vorherrschende sozialpolitisierte Architektur gedacht, bleibt uns heute ihr formalistischer Rest, unter Anderem am Goetheplatz zu bestaunen.
Neuerdings ragt dort ein Glastürmchen in die Höh', so dass mancher Antipode deutscher Volksmusik doch sein Köpfchen gerne ins Wasser stecken möchte, während Anderer mit seinem Schwänzchen die Stadt markiert.
Das was sich dort am Goetheplatz auftut, ist der Schatten eines Erbes einer architektonischen Ära, die in Berlin die Gesellschaft der Häuser beschwor, kurz "Block" genannt. Hans Kollhoff, der Architekt unseres Mainplazas, verfasste dieses Leitzitat einer Leitkultur, die mit froher Kunde uns Staunende vom Denken erlösen sollte, denn seines Erachtens ersetzte das Gebaute den Lernprozess. Aus Goethes "Bilde Künstler, rede nicht" wurde das Berlinerische Mandat, das auch uns Frankfurter seit Jahren beglückt: "Wurstle Künstler, denke nicht".
Das Zitat "Wurstle Künstler, denke nicht" stammt ursprünglich von Rudolf Schwarz, dem Baumeister, dem wir das Erscheinungsbild unserer heutigen Paulskirche zu verdanken haben. Rudolf Schwarz hatte Humor und verwickelte acht Jahre nach Kriegsende seine Kollegen in eine kontrovers und heftig geführte Debatte über Architektur. Ein Architekt war seines Erachtens ein Künstler und damit frei im Schaffen. Das Zurückgreifen auf standardisierten Stilmitteln war für Rudolf Schwarz ein Rezept für Unbegabte, wie man Kunst macht, ohne es zu können. Gotik oder die Antike, schallt er, waren für den Deutschen nicht historische Angelegenheiten, sondern liebenswürdige Möglichkeiten.
An solch einer Liebenswürdigkeit finden wir uns heute am Goetheplatz wieder.
Neuerdings ragt dort ein Glastürmchen in die Höh', so dass mancher Antipode deutscher Volksmusik doch sein Köpfchen gerne ins Wasser stecken möchte, während Anderer mit seinem Schwänzchen die Stadt markiert.
Das was sich dort am Goetheplatz auftut, ist der Schatten eines Erbes einer architektonischen Ära, die in Berlin die Gesellschaft der Häuser beschwor, kurz "Block" genannt. Hans Kollhoff, der Architekt unseres Mainplazas, verfasste dieses Leitzitat einer Leitkultur, die mit froher Kunde uns Staunende vom Denken erlösen sollte, denn seines Erachtens ersetzte das Gebaute den Lernprozess. Aus Goethes "Bilde Künstler, rede nicht" wurde das Berlinerische Mandat, das auch uns Frankfurter seit Jahren beglückt: "Wurstle Künstler, denke nicht".
Das Zitat "Wurstle Künstler, denke nicht" stammt ursprünglich von Rudolf Schwarz, dem Baumeister, dem wir das Erscheinungsbild unserer heutigen Paulskirche zu verdanken haben. Rudolf Schwarz hatte Humor und verwickelte acht Jahre nach Kriegsende seine Kollegen in eine kontrovers und heftig geführte Debatte über Architektur. Ein Architekt war seines Erachtens ein Künstler und damit frei im Schaffen. Das Zurückgreifen auf standardisierten Stilmitteln war für Rudolf Schwarz ein Rezept für Unbegabte, wie man Kunst macht, ohne es zu können. Gotik oder die Antike, schallt er, waren für den Deutschen nicht historische Angelegenheiten, sondern liebenswürdige Möglichkeiten.
An solch einer Liebenswürdigkeit finden wir uns heute am Goetheplatz wieder.
29. Oktober 2013
Ana Marija Milkovic
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