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No Sex in the City
Ana Marija Milkovics Kolumne
Wir sind mehr
Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic erinnert sich an ihre Schulzeit zurück, als sie eine der wenigen Ausländerinnen in ihrer Klasse war und erkennt, dass sich das Verhältnis von Ausländern und Deutschen in Schulen heute verkehrt hat. Zu welchem Schluss kommt sie dadurch?
Ich bin ja auch einmal zur Schule gegangen. Neben einem Italiener, einem Iraner und zwei Türkinnen gehörte nur noch ich, die Jugoslawin, zu den wenigen Ausländern in meiner Klasse. Als ich an der Tafel anzeichnete, woher ich kam, ging ein Raunen durch die Klasse. In Jugoslawien machten bereits viele Kinder mit ihren Eltern Ferien, sodass meine Heimat den meisten nicht unbekannt war. Sie blickten durch mich auf Jugoslawien und sahen Sonne, das Mittelmeer und Winnetou. Ihre Großeltern sahen die Partisanen, denen sie im Krieg unterlegen waren. Da waren sicherlich auch Ressentiments. Später lebten alte Ressentiments offen gegen Serben wieder auf. Ressentiments habe ich gelernt bleiben, einmal in der Welt, für immer. Es verändern sich lediglich die Lebensumstände.
Deutschland war für mich als Heranwachsende konsumreich. Konsum bedeutete für mich Fortschritt. In meiner alten Heimat lebten die Menschen im Sozialismus und damit nach anderen Maßstäben. Das Lohnniveau ging nicht weit auseinander. Studieren bedeutete aktiv am Fortschritt teilzunehmen, gleichwertig die Maschinen zu bauen, die wiederum andere entwickelten. Das sollte sich mit der zunehmenden schlechten Wirtschaftslage selbstverwalteter Betriebe ändern. Die Religion stand nicht zu Beginn, gab dann aber den Rest, die Menschen auseinander zu bringen. Eigentlich sollten wir von Jugoslawien lernen.
Kürzlich sah ich einen Filmmitschnitt über eine Berliner Klasse in Neukölln, in der sich das Verhältnis von Ausländern und Deutschen verkehrt hat. Deutsche bildeten die Minderheit. Die Mehrheit stammte aus aller Welt. Kinder wurden Opfer von Mobbing, wenn sie nicht in der zahlenmässig überlegen Gruppe mitmachten. Streber sind dort chancenlos, in Ruhe gelassen zu werden. Die Mutter eines gemobbten Kindes wurde befragt, ob sie einmal darüber nachgedacht hatte, aus Neukölln wegzuziehen. Sie wollte nicht, weil sie dort geboren ist. Wegziehen war ihr gleichbedeutend mit Flucht und ihre Heimat aufzugeben. Ich erinnerte mich an eine Geschichte, die ich von einem Alt-68er erzählt bekam. Als die Klassentrennung noch bewusst in Deutschland gelebt wurde und ein Arbeiterstolz die Viertel zusammenhielt, gab es immer einen unter den Arbeitern, der die Briefe für die Restlichen schrieb, die nicht ausreichend gut formulieren, dafür aber anderes konnten.
Mit der sozialdemokratischen Bildungspolitik sollte sich das Gefüge in den Städten nachhaltig verändern. Den talentierten Arbeiterkindern wurde es ermöglicht, zu studieren. Sie zogen aus den Arbeitervierteln weg und verbesserten sich - auch räumlich. Zurück blieben die, die nicht weg konnten. Unsere Kultur ist zuallererst einmal elitär, weil sie Menschen entsprechend ihrer Talente nicht fördert, gemeinsame Interessen verhindert und Migration ins Gegenteil verkehrt. Einer, der ein Handwerk erlernt, wird in seinem Lebenslauf intellektuell und gesellschaftlich benachteiligt. Wenn nun Ausbildungsberufe bewusst mit Flüchtlingen besetzt werden, ist das die Bestätigung einer sich selbst bedienenden Herrschaftselite. Deswegen benötigen wir ein neues Werte-, Bildungs- und Urbanitätskonzept, das mit der jetzigen Elite bricht und Menschen Ethnien unabhängig gesellschaftlich zusammen bringt. Um das zu begreifen, müssen wir weder auf Diät gesetzt werden, noch betrunken genug sein.
Deutschland war für mich als Heranwachsende konsumreich. Konsum bedeutete für mich Fortschritt. In meiner alten Heimat lebten die Menschen im Sozialismus und damit nach anderen Maßstäben. Das Lohnniveau ging nicht weit auseinander. Studieren bedeutete aktiv am Fortschritt teilzunehmen, gleichwertig die Maschinen zu bauen, die wiederum andere entwickelten. Das sollte sich mit der zunehmenden schlechten Wirtschaftslage selbstverwalteter Betriebe ändern. Die Religion stand nicht zu Beginn, gab dann aber den Rest, die Menschen auseinander zu bringen. Eigentlich sollten wir von Jugoslawien lernen.
Kürzlich sah ich einen Filmmitschnitt über eine Berliner Klasse in Neukölln, in der sich das Verhältnis von Ausländern und Deutschen verkehrt hat. Deutsche bildeten die Minderheit. Die Mehrheit stammte aus aller Welt. Kinder wurden Opfer von Mobbing, wenn sie nicht in der zahlenmässig überlegen Gruppe mitmachten. Streber sind dort chancenlos, in Ruhe gelassen zu werden. Die Mutter eines gemobbten Kindes wurde befragt, ob sie einmal darüber nachgedacht hatte, aus Neukölln wegzuziehen. Sie wollte nicht, weil sie dort geboren ist. Wegziehen war ihr gleichbedeutend mit Flucht und ihre Heimat aufzugeben. Ich erinnerte mich an eine Geschichte, die ich von einem Alt-68er erzählt bekam. Als die Klassentrennung noch bewusst in Deutschland gelebt wurde und ein Arbeiterstolz die Viertel zusammenhielt, gab es immer einen unter den Arbeitern, der die Briefe für die Restlichen schrieb, die nicht ausreichend gut formulieren, dafür aber anderes konnten.
Mit der sozialdemokratischen Bildungspolitik sollte sich das Gefüge in den Städten nachhaltig verändern. Den talentierten Arbeiterkindern wurde es ermöglicht, zu studieren. Sie zogen aus den Arbeitervierteln weg und verbesserten sich - auch räumlich. Zurück blieben die, die nicht weg konnten. Unsere Kultur ist zuallererst einmal elitär, weil sie Menschen entsprechend ihrer Talente nicht fördert, gemeinsame Interessen verhindert und Migration ins Gegenteil verkehrt. Einer, der ein Handwerk erlernt, wird in seinem Lebenslauf intellektuell und gesellschaftlich benachteiligt. Wenn nun Ausbildungsberufe bewusst mit Flüchtlingen besetzt werden, ist das die Bestätigung einer sich selbst bedienenden Herrschaftselite. Deswegen benötigen wir ein neues Werte-, Bildungs- und Urbanitätskonzept, das mit der jetzigen Elite bricht und Menschen Ethnien unabhängig gesellschaftlich zusammen bringt. Um das zu begreifen, müssen wir weder auf Diät gesetzt werden, noch betrunken genug sein.
28. September 2018
Ana Marija Milkovic
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