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Rekonstruktion der Goldenen Waage

In Lemgo wird Frankfurts Schmuckstück geschnitzt

Die Bauarbeiten an der Altstadt schreiten voran. Im Juni wird das Stadthaus fertig sein, derzeit entstehen Erdgeschosse für die Altstadthäuschen und in Lemgo zimmern derweil Spezialisten an der Goldenen Waage.
Wenn der Holzbildhauer Wolfgang Koch bei der Arbeit ist, dann hüpfen die Späne. Mit ruhiger Hand führt er den Beitel durch das teilweise bis zu 500 Jahre alte Holz, Stück für Stück arbeitet er Arabesken heraus und Weintrauben. „Jeder Bildhauer hat seine eigene Handschrift, ich würde jedes meiner Objekte wieder erkennen“, sagt Koch, dessen aufwendige Schnitzerei den Giebel eines Dacherkers zieren wird und somit Teil des opulenten Dekors ist, der die „Goldene Waage“ ausmacht. Dieses einstige Prunkstück der Frankfurter Altstadt, das auch noch bunt bemalt war, wurde im Zweiten Weltkrieg bei Luftangriffen zerstört. Die Überreste wurden in den 1950er-Jahren entfernt. Doch wenn die neue Frankfurter Altstadt Ende 2017 fertig gestellt sein wird, dann soll die Goldene Waage eine von 15 Rekonstruktionen, wieder in unmittelbarer Nähe zum Dom stehen.

Das Unternehmen Kramp & Kramp aus Lemgo nahe Bielefeld ist spezialisiert auf die Sanierung und Denkmalpflege von Altbauten. Sie hat bei einem Wettbewerb der DomRömer GmbH den Zuschlag bekommen, die Fachwerk- beziehungsweise Holzarbeiten zu übernehmen. Wolfgang Koch, der auf 45 Jahre Berufserfahrung zurückblicken kann, arbeitet in einer Lagerhalle an den fantasievollen Schnitzereien, die anhand alter Fotografien und Zeichnungen gefertigt werden. Im Depot des Historischen Museums Frankfurt lagert zudem eine kunstvoll mit Schnitzereien übersäte 3,50 Meter lange Strebe, die einst die Ecke des Gebäudes zierte. Drei Monate konnten die Altbauexperten die Holzsäule ausleihen, um so eine originalgetreue Nachbildung aus 500 Jahre alter Eiche zu schaffen. Eine Waage, aber auch eine Hinrichtungsszene mit einem Engel, der das Schwert des Scharfrichters führt, sind darauf zu sehen. „65 Stunden Arbeit stecken in dem Balken“, sagt Koch. Die Bewunderung aller Betrachter ist dem 61-Jährigen sicher.

7 Millionen Euro für ein Prunkhaus
„Sieben Millionen Euro wird die Rekonstruktion der Goldenen Waage vermutlich kosten“, sagt Patrik Brummermann, Projektmanager bei der DomRömer GmbH. Die Gesellschaft hat das Lemgoer Familienunternehmen ausgewählt, weil es in zweiter Generation arbeitend besonders viel Erfahrung mitbringt, die richtigen Geräte und Maschinen hat und über die entsprechende Manpower verfügt. An mehr als 5000 Projekten, darunter das Landesmuseum Darmstadt und das neue Museum Berlin, haben die Altbauexperten mitgewirkt. „Ähnliche Aufträge wie die Goldene Waage wird es in dieser Größenordnung nicht mehr geben“, ist sich der Geschäftsführer Guido Kramp sicher. Auch wenn es sich bei der Goldenen Waage um einen Neubau handele, so seien die Arbeitsschritte im Vergleich zu den sonst üblichen Aufträgen dieselben. 7500 Arbeitsstunden werden insgesamt allein an Zimmerarbeiten für das Prunkgebäude zusammenkommen. Ganz zu schweigen von den restlichen Gewerken, etwa den Lehmarbeiten, die separat ausgeschrieben wurden.

Die historische Bedeutung
Zimmermeister Maik Ebert, der in Lemgo für das DomRömer-Projekt verantwortlich ist, umreißt, welche Bedeutung die Goldene Waage für die neue Altstadt, einem 7000 Quadratmeter großen Areal, hat. Sie erinnere an das historische Gebäude, das bis 1619 der niederländische Glaubensflüchtling Abraham von Hameln, ein Zuckerbäcker und Gewürzhändler, erbauen ließ. Seinen Reichtum zeigte er an der üppig verzierten Fassade. „Es war eines der Vorzeigehäuser der Renaissance“, sagt Ebert. Das Gebäude habe sogar ein Belvederchen, einen Dachgarten auf dem Hinterhaus, gehabt. 40 Kubikmeter altes Eichenholz, also 850 000 laufende Meter, benötige man für das Gebäude. 70 Quadratmeter handgefertigte Schnitzarbeiten müssten dafür erledigt werden. „Das ist eine vier Fußballtore große Fläche“, veranschaulicht Ebert.

Das Fachwerk ist fast fertig
In der Halle, in der Wolfgang Koch am Schnitzen ist, stehen bereits einige fertige Wandelemente des Fachwerks. Diese sollen ab Anfang Juni in Frankfurt aufgestellt werden. Dann werden wie bei einem Baukasten alle Einzelteile mit Zapfen und Holznägeln in einander gesteckt. „Wir zerlegen das Fachwerk, packen es wandweise zusammen, bringen es nach Frankfurt, wo die Balken mit dem Kran aufgerichtet werden“, sagt Maik Ebert. Ein Geschoss könne in vier Tagen aufgestellt werden. Insgesamt werde man für die Fachwerkkonstruktion der Goldene Waage rund 300 Holznägel benötigen.

Doch die Goldene Waage besteht nicht nur aus Fachwerk. Das Erdgeschoss wird aus Brandschutzgründen aus Stahlbeton gefertigt, vor das Sandsteinverkleidungen gehängt werden. Insgesamt muss man bei jeder Rekonstruktion, auch wenn man sich dabei am historischen Vorbild orientiert, Zugeständnisse an die heutigen Sicherheitsbestimmungen machen.

Was einmal mit der Goldenen Waage geschehen soll
Im Erdgeschoss der Goldenen Waage soll künftig Gastronomie untergebracht werden und die Obergeschosse des 21 Meter hohen Gebäudes mit dem dekorativen Wellengiebel sollen einer musealen Nutzung zugeführt werden. „Früher muss es in der Goldenen Waage Ledertapeten und aufwendige Stuckdecken gegeben haben“, sagt Patrik Brummermann, der auch berichtet, es gebe noch Originalmöbel im Lager des Historischen Museums. Vermutlich werde das Ausstellungshaus künftig Führungen durch die Goldene Waage anbieten.

Bis dahin wird aber noch viel auf dem Dom-Römer-Areal passieren. Derzeit entstehen Erdgeschosse aus Beton, die später verkleidet werden und im Juni soll das Stadthaus in ganzer Pracht zu sehen sein. Wenn die Arbeiten an der Goldenen Waage fertig sind, wird das Unternehmen Kramp & Kramp übrigens mit dem "Hof Rebstock" am Markt beginnen, ein weiteres geschichtsträchtiges Gebäude mit viel Fachwerk, wenn auch nicht in derselben Opulenz wie die Goldene Waage…
 
Fotogalerie: Goldene Waage
 
25. Februar 2015, 09.35 Uhr
Nicole Brevoord
 
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig – Mehr von Nicole Brevoord >>
 
 
 
 
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