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Zwischenruf von Ilja Schulz

"Ryanair bringt Sozialdumping nach Frankfurt"

Der Präsident der Vereinigung Cockpit spricht sich in seinem Gastbeitrag gegen eine Ansiedlung von Ryanair am Frankfurter Flughafen aus. Das setze nicht nur das soziale Gefüge unter Druck – sondern auch die Sicherheit.
„Ryanair in Frankfurt/Main“, „Fliegen ab Frankfurt wird billiger“, „Ryanair trägt zu weiterem Wachstum in Frankfurt bei“. So oder so ähnlich lauteten in den vergangenen Tagen einige Schlagzeilen in der Presse. Das klingt wie eine Sensationsnachricht und hat viele, auch innerhalb der Luftfahrtszene, überrascht. Doch schauen wir uns einmal an, wem die Fraport da genau die Tore geöffnet hat.

Die Vereinigung Cockpit hat in den letzten Jahren intensiv über das Beschäftigungsmodell der Firma Ryanair informiert. Die meisten Piloten, speziell junge Copiloten, werden nicht direkt bei Ryanair angestellt, sondern müssen, um überhaupt die Möglichkeit zu haben im Cockpit zu arbeiten, ihre Arbeitskraft als Selbstständige mit einem Firmensitz in Irland an Vermittler verkaufen. Diese verkaufen dann die Arbeitszeit der Piloten weiter an Ryanair. Die Piloten sind angeblich selbstständig und unterliegen damit keinerlei Schutz für Arbeitnehmer.

Warum tut Ryanair das?

Ryanair umgeht damit viele Arbeitnehmerschutzregelungen: Bei scheinbar „Selbstständigen“ gibt es z.B. keinen Kündigungsschutz und so kann jeder Pilot zu jeder Zeit vom Arbeitgeber mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes bedroht werden. Auch andere Arbeitnehmerrechte werden mit diesem Konstrukt einfach vom Tisch gefegt.

Ryanair verschafft sich so einen unfairen Wettbewerbsvorteil: Wenn man die Personalkosten durch diese Tricksereien drückt, dann ist man auf der Kostenseite natürlich gegenüber den Airlines, die ihre Angestellten fair behandeln und, so wie es sein sollte, fest anstellen in einem klaren Vorteil. Das ist Wettbewerbsverzerrung.

Ryanair betrügt so die Sozialsysteme der Staaten: Die bei regulären Angestellten fälligen Arbeitgeber-Sozialabgaben werden einfach vollständig auf den Arbeitnehmer abgewälzt oder gar nicht erst bezahlt. Hier entstehen den Staaten deutliche Einnahmenverluste.

In Frankreich wurde Ryanair daher bereits zu einem zweistelligen Millionenbetrag wegen Steuerhinterziehung und Sozialbetrug verurteilt.
Doch nicht nur schädigt die Airline den Sozialstaat, diese atypischen Beschäftigungsmodelle gefährden auch die Flugsicherheit. Im Rahmen dieser Scheinselbstständigkeit werden Piloten unter anderem mit sogenannten „0-Stunden-Verträgen“ beschäftigt. Diese haben zur Folge, dass Piloten nur dann bezahlt werden, wenn sie auch wirklich im Cockpit sitzen.

Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle? Fehlanzeige!
Garantiertes Grundgehalt? Fehlanzeige!
Bezahlter Urlaub? Fehlanzeige!

Auch das EU-Parlament kritisiert unmissverständlich das Sozialdumping im Verkehrsbereich und die damit verbundene Wettbewerbsverzerrung sowie die negativen Folgen für die Sozialsysteme der Staaten. Im Luftverkehr stellt laut Parlament fehlende soziale Sicherheit auch zunehmend ein Sicherheitsrisiko dar.

Nicht genug aber, dass wir diese Beschäftigungspraktiken in Deutschland akzeptieren statt sie mit allen politischen Mitteln zu bekämpfen.
Jetzt wird Ryanair, der Inbegriff des Sozialdumpings, auch noch vom größten deutschen Flughafen incentiviert. Ryanair darf zu niedrigeren Gebühren nach Frankfurt fliegen, um mit Fraport-Unterstützung noch schneller die Arbeits- und Sozialbedingungen aller Arbeitnehmer am Flughafen und bei den Fluggesellschaften unter Druck zu setzen.
Ein Zustand, den zu beschreiben einem die Worte fehlen!

Ilja Schulz ist Präsident der Vereinigung Cockpit und Flugkapitän bei Lufthansa auf der Boeing 747.


Anmerkung der Redaktion – zu dem Gastbeitrag erreichte uns folgende Stellungnahme von Ryanair:


1. Diese Behauptungen der Gewerkschaft sind falsch und sollen Leser vom Schaden, den Lufthansa und seinen Kunden durch ihre wiederholten Streiks erleiden, ablenken. Ryanair beteiligt sich nie an Sozialdumping.



2. Ryanair nutzt eine Mischung aus fest angestellten Mitarbeitern und Vertragspiloten, genauso wie viele andere Fluggesellschaften, darunter Lufthansa, Easyjet, Norwegian, Emirates und Etihad dies auch tun. Dies ist in Ryanairs Fall notwendig, da unsere Flugzeuge und Besatzungen sich von Basis zu Basis bewegen, je nachdem wie sich die Zeitpläne ändern. Eine Mehrheit der Flugkapitäne (über 50 Prozent) ist fest angestellt.


3. Die Verwendung von Vertragspiloten ist nach wie vor rechtens und alltäglich in der Luftfahrtindustrie. Ryanair geht völlig konform mit dem EU-Arbeitsrecht.



4. Ryanair hat eine Warteliste von über 3.000 qualifizierten Piloten, die auf Arbeitsplätze warten. Dort können Piloten bis zu 170.000 € pro Jahr verdienen, bei Flugzeiten von unter 18 Stunden pro Woche und mit Dienstplänen, die nach fünf Arbeitstagen vier freie Tage vorsehen (ein viertägiges Wochenende jede Woche). Sie genießen außerdem jährliche Lohnerhöhungen und unübertroffene Arbeitsplatzsicherheit, während Piloten bei der Lufthansa wiederholt streiken, um Kürzungen bei Lohn, Rente und Arbeitsplätzen zu vermeiden.


5. Ryanair entspricht vollumfänglich dem EU-Arbeitsrecht.



6. Ryanair wurde in Frankreich nicht wegen Steuer- oder Sozialbetrugs verurteilt. Ryanair hatte im Sommer einen vorübergehenden Betrieb in Marseille, der eingestellt wurde, nachdem die französische Regierung versuchte, Ryanair für die Sozialversicherung, die bereits in Irland gemäß den EU-Vorschriften ordnungsgemäß bezahlt worden war, doppelt zahlen zu lassen. Ryanair hat das französische Urteil angefochten, welches momentan immer noch vor Gericht verhandelt wird.


7. Die 12.500 Luftfahrtprofis von Ryanair haben einen branchenführenden Sicherheitsrekord von 31 Jahren und erfüllen genau die gleichen EU-Vorschriften wie die Lufthansa.


8. Bei Ryanair gibt es keine sogenannten "Null-Stunden"-Verträge.




9. Ryanair betreibt ein standardmäßiges System bei Arbeitsausfällen bei dem alle Piloten sich krankmelden können – und dies auch tun. Piloten müssen bei Ryanair nicht arbeiten, wenn sie krank sind. Im Zuge von Ryanairs Dienstpläne stehen täglich über 200 Piloten über den Bereitschaftsdienst zur Verfügung, die bei Krankheit einspringen können.
 
Fotogalerie:
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15. November 2016, 16.14 Uhr
red
 
 
 
 
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