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Mobilität

Frankfurt, eine Fahrradstadt? Es fehlen Konzepte

Wie kann Frankfurt eine Fahrradstadt werden? Jasmin Schülke ist nicht nur Chefredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, sondern auch leidenschaftliche Radlerin – aber nur dort, wo sie sich sicher fühlt.
Es ist 17 Uhr, auf der Mainzer Landstraße staut sich der Feierabendverkehr. Es dämmert, die Sicht ist schlecht, weil es außerdem regnet. Der SUV-Fahrer vor mir will in Richtung Sachsenhausen abbiegen und steht halb auf dem Radstreifen. Überhole ich ihn rechts, riskiere ich, dass er in diesem Moment losfährt und eventuell nicht mit mir rechnet. Ich warte also ab, wie er sich verhält. Das Für-Andere-Mitdenken hat mir als Fahrradfahrerin schon einige Male die Haut gerettet. Ich bin in meinem Leben rund 40 000 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren – einmal um die Erde herum – und ich weiß: Wir sind die Schwächeren im täglichen Nahkampf und es ist klüger, nachzugeben beziehungsweise abzuwarten.

Ein Viertel aller Wege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt

Ein anderer Tag, eine andere Straßenszene: Auf der Berliner Straße, einer wichtigen Ost-West-Achse in der Innenstadt, ist im vergangenen Jahr eine Spur weggefallen zugunsten eines breiten Radwegs. Der Autoverkehr staut sich, auf dem Radweg dagegen ist nicht viel los. Auf der Battonnstraße kurz vor der Kreuzung Kurt-Schumacher-Straße wird der Radweg immer schmaler, die rot-markierte breite Fläche mündet in einen schmalen, mit weißen Strichen abgeteilten Streifen, vor der Überquerung der Straßenbahnschienen endet die Markierung. Hier, an einer für Radfahrer gefährlichen Stelle, fehlt die rote Farbe – dort, wo es wichtig wäre. Weitere Beispiele gefällig?

Die Neue Mainzer Straße ist ein Nadelöhr, bei Wikipedia wird sie als „hochfrequentierte Verbindungsstraße“ bezeichnet. Sie ist eine Straßenschlucht mit Hochhäusern, die momentan auch noch von einer Großbaustelle am oberen Ende verengt wird. Ich bin heute mit dem Auto unterwegs, der Radfahrer vor mir biegt auf die Junghofstraße ab und wird fast von dem Taxi am Straßenrand übersehen, das plötzlich in den Verkehr einfädelt. Radfahren in Frankfurt kann schön sein, wenn es einen durchgehenden Radweg gibt. Fehlt dieser, ist man auf sich gestellt und teilt sich den knappen Raum mit den anderen Verkehrsteilnehmern. Der Radverkehr in der Stadt hat in den vergangenen Jahren zugenommen: In diesem Jahr sollen die aktuellen Zahlen der sogenannten Mobilitätsstudie von der Stadt präsentiert werden. Laut der Hessenschau gehe die Stadt Frankfurt davon aus, dass ein Viertel aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt wird (2018: 23 Prozent).

Radfahren in Frankfurt: Es müssen Anreize geschaffen werden, das Auto stehenzulassen


Was also ist die Lösung? Eine komplett autofreie Innenstadt? Eine Utopie! Man müsste Frankfurt völlig neu konzipieren. Frankfurt ist historisch gesehen eine Stadt der Autos. Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden sich die Behörden für einen radikalen Stadtumbau zugunsten des Autoverkehrs. Frankfurt gehörte zu den Kommunen in Westdeutschland, die ihre alte Stadtgestalt preisgaben, um dem motorisierten Verkehr gerecht zu werden. Nahezu alle Verkehrswege wurden verbreitert, kleinere Straßen und Gassen verschwanden, neue Verkehrsachsen wurden durchgebrochen sowie erste Parkhäuser errichtet.

Auch wenn die Autos künftig in diese Parkhäuser fahren sollen, müssen sie dort erst einmal hinkommen. „Der ‚Wiederaufbau Innenstadt‘, als Frankfurter Lösung bekannt, gab dem zerstörten Zentrum ein neues Gesicht“, ist auf der Website des Instituts für Stadtgeschichte zu lesen. Dieses Gesicht war eins, das dem Automobil und dem Fortschritt huldigte. Wer bei Innenstädten ohne Autoverkehr gerne Vergleiche mit anderen Ländern heranzieht, muss wissen, dass es zum Beispiel in den Innenstädten Italiens Kriegszerstörungen in diesem Ausmaß nicht gab. Die historischen Zentren sind abgegrenzte Gebilde und deshalb leicht autofrei zu gestalten, die Menschen können dort gefahrlos mit dem Fahrrad fahren.

In Frankfurt fehlen schlüssige Konzepte. Es kann keine Lösung sein, die Autos kategorisch aus der Innenstadt zu verbannen, ohne Alternativen anzubieten. Jeder Mensch muss die Wahl haben, wie er oder sie sich bewegt. Verbote führen selten zu einer Akzeptanz. Erklärungsbedürftige Schranken wie am Oeder Weg fördern diese auch nicht, sondern ernten teils nur Kopfschütteln. Stattdessen müssen Anreize geschaffen werden, das Auto stehenzulassen.

Eine Fahrradstadt setzt eine kluge Stadtplanung voraus

Frankfurt ist seit Jahren Hauptstadt der Pendler. Fast 400 000 Menschen pendeln laut Arbeitsagentur regelmäßig zum Arbeiten in die Stadt, davon geben rund 235 000 an, mit dem Auto zu fahren, da es keine Alternative gebe. Für sie muss es einen attraktiven ÖPNV geben. Nur am Rande: Die für Pendler wichtige Bahnverbindung Mannheim-Frankfurt soll im kommenden Jahr für fünf Monate gesperrt, 140 Busse sollen als Schienenersatzverkehr eingesetzt werden. Dieses Szenario wird den Autoverkehr nicht minimieren. Und abgesehen davon: Warum dauert es so lange, das 49-Euro-Ticket einzuführen? Eine Möglichkeit könnte sein, die Autos an den Stadträndern abzustellen und mit (Leih-)Rädern oder (kostenlosen) Straßenbahnen in die Innenstadt zu pendeln. Dazu fehlen allerdings Parkhäuser oder Parkflächen an den Stadträndern. Auf die 235 000 Pendler kommen laut IHK Frankfurt 2100 Park-and-Ride-Stellplätze, also für jeden hundertsten Pendler einen.

Stichwort Radschnellwege: Vor zwei Jahren wurde unweit meines Wohnorts ein Teilstück der Südroute mit großem Tam-Tam eröffnet. Pendler sollen künftig von Darmstadt nach Frankfurt mit dem Fahrrad fahren können. So weit, so erfreulich. Bis Langen können Radler aus Darmstadt tatsächlich auf einem asphaltieren Weg fahren, danach wird es sehr diffus, und wer von Frankfurt aus den Weg zurück sucht, endet im Stadtwald und muss dann die Isenburger Schneise entlangfahren. Nächster Schritt zur Vollendung (Stand: Januar 2023): Der Langener Magistrat hat die Planungen für weitere 700 Meter (!) auf Langener Gemarkung vorgelegt.

Frankfurt muss, um zur Fahrradstadt zu werden, die bürokratischen Prozesse beschleunigen

Stimmt die Stadtverordnetenversammlung zu, könnten die Arbeiten im zweiten Halbjahr beginnen. „Diese Planungen (zu den Radschnellwegen, Anm. d. Red.) werden mit großem Nachdruck vorangetrieben. Aber auch das muss eine Gemeinschaftsaufgabe von Stadt und Region sein“, sagte Verkehrsdezernent Stefan Majer im Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT im Oktober 2021.

Und hier in dieser „Gemeinschaftsaufgabe“ liegt eine zusätzliche Herausforderung, denn dazu sind Absprachen mit den Nachbarkommunen nötig. Wechselt der Verkehrsdezernent, können Projekte auf die lange Bank geschoben werden. Eine Fahrradstadt setzt eine kluge Stadtplanung voraus, schlüssige Konzepte und Behörden, die über die Stadtgrenze hinaus zusammenarbeiten. Eine Fahrradstadt setzt aber auch eine entsprechende städtebauliche Struktur voraus. Frankfurt muss, um zur Fahrradstadt zu werden, die bürokratischen Prozesse beschleunigen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich außerdem darauf einigen, wie die Stadt aussehen soll, in der sie leben wollen.

Info_________________________________________________________________
Am 26. April um 19 Uhr findet im Massif Central, in der Eschersheimer Landstraße 28, ein Panel-Talk zum Thema „Fahrradstadt Frankfurt“ statt. Dabei werden sich Matthias Arning, Autor von „Radlers Traum Frankfurt“, Florian Jöckel von guilty76 und Inhaber des Massif Central sowie Jasmin Schülke, Chefredakteurin vom JOURNAL FRANKFURT über die Zukunft des Frankfurter Radverkehrs unterhalten. Der Eintritt zum Gespräch ist frei.

>> Dieser Text erschien zuerst in der April-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT (4/23).
 
Fotogalerie:
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15. April 2023, 10.00 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
 
 
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