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Frankfurt ergrünt
Begrünung: „Pflanzen sind eine billige Klimaanlage, die wir nutzen sollten“
Peter Cachola Schmal ist Direktor des Architekturmuseums und setzt sich für mehr Grün in der Stadt ein. Im Interview mit dem JOURNAL erklärt er, was bei der Begrünung in Frankfurt noch getan werden muss und welche Städte Vorreiter sind.
Journal Frankfurt: Herr Schmal, auch wenn der Sommer Anfang August Pause machte, Hitzesommer werden zur Normalität werden. Ist Frankfurt aus Ihrer Sicht darauf gut vorbereitet?
Peter Cachola Schmal: Leider nicht. Es muss eine Notfallstrategie her. Wir müssen uns Gedanken über mehr Schattenplätze machen, auch wie man diese kurzfristig einrichten kann und mittelfristig, wie wir mit der Fassaden- und Stadtbegrünung vorwärtskommen. Es wurden zwei vernünftige Entscheidungen getroffen: die Schottergärten in Vorgärten zu verbieten, die das Mikroklima aufheizen, und bei Neubauten Fassadenbepflanzungen und Dachbegrünungen zu verlangen.
Studien belegen messbare Veränderungen des Stadtklimas, sobald auch Gebäude begrünt werden. Was sind konkret die Vorteile von begrünter Architektur?
Die Fassade wird nicht aufgeheizt, dadurch kann sie keine Wärme speichern und sie somit auch nicht abgeben. In Singapore beispielsweise, wo es jeden Tag konstant 30 Grad hat, haben Messungen an üblichen Bürofassaden aus Glas und Naturstein ergeben, dass diese sich auf 65 Grad aufheizen. Die begrünte Fassade hat zwei Grad weniger als die Außentemperatur, also etwa 28 Grad. Pflanzen sind eine billige Klimaanlage, die wir nutzen sollten.
Der zweite Vorteil: Eine glatte Fassade wird den Lärm reflektieren. Im Frankfurter Ostend gibt es Bereiche, die von der EZB beschallt werden, was man vorher nicht geahnt hat. Eine Grünfassade schluckt den Lärm. Es sind weniger die Pflanzen, die das tun, sondern vielmehr das Substrat oder die Erde. CO2 von Autos wird in Sauerstoff umgewandelt, außerdem wird Feinstaub reduziert.
Chance für Frankfurt: Begrünung als Klimaanlage, Lärmschutz und Feinstaubfilter
Wie weit ist Frankfurt in der Begrünung von Architektur aus Ihrer Sicht?
Wir sind nicht weit, es gibt leider kaum Förderprojekte. Eines ist das Programm „Frankfurt frischt auf“. Wir haben auf unserer Website solche Projekte gesammelt und tun es auch weiterhin. Das Geld des Programms wurde in den Jahren 2019 bis 2022 nicht ausgeschöpft. Das meiste Geld ging am Ende in städtische Gebäude, weil nicht genug Anträge da waren.
Peter Cachola Schmal © DAM/Kirsten Bucher
Gibt es in Frankfurt gelungene Beispiele von Gebäudebegrünung?
Ein Musterprojekt ist das Ökohaus Arche am Westbahnhof, das schon Anfang der 90er-Jahre entstanden ist und mittlerweile als Projekt vergessen ist. In Darmstadt gibt es ein Pionierprojekt des Architekten Ot Hoffmann, das Baumhaus von 1972. Er hat zum Beispiel einen Kiefernwald aus Setzlingen im sechsten Stock des Hauses angelegt, alle Pflanzen, die auf dem Haus wachsen, sind angeflogen gekommen. Er hat auch lange gekämpft, um einen Rotor einzubauen. Viele haben ihn belächelt, aber er war seiner Zeit voraus.
Pionierprojekt für Begrünung am Westbahnhof: Ökohaus Arche von Ot Hoffmann
Was sind für Sie Vorzeigestädte in puncto Begrünung?
Wie bei allem ist Kopenhagen voraus. Eine der besten Städte ist Singapore, weil sie die Chancen des Klimas nutzen. Die Stadt hat das Leben im Park, im Grünen, als Vision festgelegt („City in a Garden“). Sie schaffen mehr Fläche für Grün, jeder Bauträger muss die Fläche des Grundstücks als Grünfläche am Haus wiedergeben, entweder als Fassade oder als Dach. Also wenn man 1000 Quadratmeter bebaut, muss man 1000 Quadratmeter Grünfläche nachweisen. Das ist natürlich beeindruckend, weil dadurch die Abwärme der Klimaanlagen, die dort notwendig sind, kompensiert wird. Und natürlich Mailand mit dem Bosco Verticale.
Was sind die Herausforderungen, die auf die Städte zukommen?
Steinerne Plätze mit steinernen Fassaden ohne Grün sind hochproblematisch. Wir brauchen Schatten, am besten natürlichen Schatten von Bäumen. Bis diese allerdings eine gewisse Größe erreicht haben, vergeht viel Zeit, das heißt, wir sollten besser mehr Geld ausgeben und gleich zwanzig Jahre alte Bäume pflanzen. Wir können natürlich von den antiken Römern lernen oder uns Beispiele aus der arabischen Welt anschauen, dort werden Sonnensegel genutzt. In Mekka und Medina gibt es gigantische, ausklappbare Segel mit einer Spannweite von 40 Metern. Wir werden diese auch in anderen Weltstädten sehen, aber nicht hier.
Mehr Informationen zum Förderprojekt „Frankfurt frischt auf“ finden Sie hier. Das Deutsche Architekturmuseum listet weitere Projekte unter dieser Adresse auf.
Info
Peter Cachola Schmal ist seit 2006 leitender Direktor des Architekturmuseums und Mitglied im Städtebaubeirat der Stadt Frankfurt. Der 63- jährige Architekt ist verheiratet und lebt in Frankfurt.
Peter Cachola Schmal: Leider nicht. Es muss eine Notfallstrategie her. Wir müssen uns Gedanken über mehr Schattenplätze machen, auch wie man diese kurzfristig einrichten kann und mittelfristig, wie wir mit der Fassaden- und Stadtbegrünung vorwärtskommen. Es wurden zwei vernünftige Entscheidungen getroffen: die Schottergärten in Vorgärten zu verbieten, die das Mikroklima aufheizen, und bei Neubauten Fassadenbepflanzungen und Dachbegrünungen zu verlangen.
Studien belegen messbare Veränderungen des Stadtklimas, sobald auch Gebäude begrünt werden. Was sind konkret die Vorteile von begrünter Architektur?
Die Fassade wird nicht aufgeheizt, dadurch kann sie keine Wärme speichern und sie somit auch nicht abgeben. In Singapore beispielsweise, wo es jeden Tag konstant 30 Grad hat, haben Messungen an üblichen Bürofassaden aus Glas und Naturstein ergeben, dass diese sich auf 65 Grad aufheizen. Die begrünte Fassade hat zwei Grad weniger als die Außentemperatur, also etwa 28 Grad. Pflanzen sind eine billige Klimaanlage, die wir nutzen sollten.
Der zweite Vorteil: Eine glatte Fassade wird den Lärm reflektieren. Im Frankfurter Ostend gibt es Bereiche, die von der EZB beschallt werden, was man vorher nicht geahnt hat. Eine Grünfassade schluckt den Lärm. Es sind weniger die Pflanzen, die das tun, sondern vielmehr das Substrat oder die Erde. CO2 von Autos wird in Sauerstoff umgewandelt, außerdem wird Feinstaub reduziert.
Wie weit ist Frankfurt in der Begrünung von Architektur aus Ihrer Sicht?
Wir sind nicht weit, es gibt leider kaum Förderprojekte. Eines ist das Programm „Frankfurt frischt auf“. Wir haben auf unserer Website solche Projekte gesammelt und tun es auch weiterhin. Das Geld des Programms wurde in den Jahren 2019 bis 2022 nicht ausgeschöpft. Das meiste Geld ging am Ende in städtische Gebäude, weil nicht genug Anträge da waren.
Peter Cachola Schmal © DAM/Kirsten Bucher
Gibt es in Frankfurt gelungene Beispiele von Gebäudebegrünung?
Ein Musterprojekt ist das Ökohaus Arche am Westbahnhof, das schon Anfang der 90er-Jahre entstanden ist und mittlerweile als Projekt vergessen ist. In Darmstadt gibt es ein Pionierprojekt des Architekten Ot Hoffmann, das Baumhaus von 1972. Er hat zum Beispiel einen Kiefernwald aus Setzlingen im sechsten Stock des Hauses angelegt, alle Pflanzen, die auf dem Haus wachsen, sind angeflogen gekommen. Er hat auch lange gekämpft, um einen Rotor einzubauen. Viele haben ihn belächelt, aber er war seiner Zeit voraus.
Was sind für Sie Vorzeigestädte in puncto Begrünung?
Wie bei allem ist Kopenhagen voraus. Eine der besten Städte ist Singapore, weil sie die Chancen des Klimas nutzen. Die Stadt hat das Leben im Park, im Grünen, als Vision festgelegt („City in a Garden“). Sie schaffen mehr Fläche für Grün, jeder Bauträger muss die Fläche des Grundstücks als Grünfläche am Haus wiedergeben, entweder als Fassade oder als Dach. Also wenn man 1000 Quadratmeter bebaut, muss man 1000 Quadratmeter Grünfläche nachweisen. Das ist natürlich beeindruckend, weil dadurch die Abwärme der Klimaanlagen, die dort notwendig sind, kompensiert wird. Und natürlich Mailand mit dem Bosco Verticale.
Was sind die Herausforderungen, die auf die Städte zukommen?
Steinerne Plätze mit steinernen Fassaden ohne Grün sind hochproblematisch. Wir brauchen Schatten, am besten natürlichen Schatten von Bäumen. Bis diese allerdings eine gewisse Größe erreicht haben, vergeht viel Zeit, das heißt, wir sollten besser mehr Geld ausgeben und gleich zwanzig Jahre alte Bäume pflanzen. Wir können natürlich von den antiken Römern lernen oder uns Beispiele aus der arabischen Welt anschauen, dort werden Sonnensegel genutzt. In Mekka und Medina gibt es gigantische, ausklappbare Segel mit einer Spannweite von 40 Metern. Wir werden diese auch in anderen Weltstädten sehen, aber nicht hier.
Mehr Informationen zum Förderprojekt „Frankfurt frischt auf“ finden Sie hier. Das Deutsche Architekturmuseum listet weitere Projekte unter dieser Adresse auf.
Peter Cachola Schmal ist seit 2006 leitender Direktor des Architekturmuseums und Mitglied im Städtebaubeirat der Stadt Frankfurt. Der 63- jährige Architekt ist verheiratet und lebt in Frankfurt.
2. Oktober 2023, 08.00 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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25. November 2024
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