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Dondorf-Druckerei in Bockenheim
Wieso sprechen wir immer von Zwischennutzung?
Wofür könnte die Dondorf-Druckerei in Frankfurt-Bockenheim genutzt werden? Darüber und über den Kulturcampus sprach das JOURNAL mit dem Raumentwickler Jakob Sturm.
JOURNAL: Herr Sturm, der Dondorf-Druckerei droht der Abriss, sie steht nicht unter Denkmalschutz. Akteure wie der Städtebaubeirat wollen sie erhalten. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Jakob Sturm: Ich weiß nicht, welche Motive den Städtebaubeirat in der Frage im Detail leiten, aber ich bin prinzipiell ein großer Fan der Leipzig-Charta. Der Erhalt von Bestand, der jetzt erfreulicherweise immer öfter in die Überlegungen, auch zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Juridicum, einbezogen wird, ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Für mich aber nicht nur in ökologischer Hinsicht.
Sondern?
Der Schutz der Ressourcen darf nicht der einzige Gesichtspunkt sein. Da muss es immer auch um die Menschen gehen. In der Abwägung dürfen in der Planung einer Stadt, in der es auch um die Form des Zusammenlebens geht, die Menschen am Ende nicht auf der Strecke bleiben.
Man sollte sie in die Prozesse der Entwicklung der Stadt mehr einbeziehen, ihnen ermöglichen, sich die Stadt anzueignen. Und ihnen das Gefühl geben, dass sie ein Teil der Stadt sind. Der Umgang mit dem städtischen Lebensraum spiegelt auch immer den Umgang mit den Menschen.
Auch in der Kulturpolitik muss man sich wieder klarer machen, dass es in der Kultur nicht nur um ein Angebot geht, wofür man Eintritt zahlt und was man daraufhin konsumiert, sondern in erster Instanz um die Grundlage des Zusammenlebens und dessen Gestaltung – zumal in einer Stadt mit 178 Nationalitäten.
Dondorf-Druckerei: „Nach einem Abriss entstünde noch so ein seelenloses Legohaus“
Was könnte nach einem Abriss folgen?
Was durch Abriss und Neubau in dieser Stadt in den letzten Jahren entstanden ist, ist doch das immer Gleiche, häufig vollkommen seelenlos. Ich kann mir insofern genau vorstellen, was nach Abriss der Dondorf-Druckerei an der Stelle entstehen würde: noch so ein Legohaus, wie sie inzwischen überall in der Stadt stehen – von der neuen Uni bis zur Bebauung des ehemaligen Degussageländes –, die so aussehen, als kämen sie direkt aus dem 3D-Drucker, abweisend und steril.
Sowohl die ehemaligen Besetzer als auch die CDU-Fraktion im Römer setzen sich für eine Zwischennutzung für Ateliers ein. Ist das Gebäude dafür geeignet?
Das Gebäude ist prinzipiell und von seinem Zuschnitt dafür geeignet. Es wurde lange genug im universitären Rahmen für künstlerische Zwecke beziehungsweise die Kunstpädagogik genutzt. Und für Künstler besteht in Frankfurt weiterhin ein Mangel an bezahlbarem Arbeitsraum.
Und was wäre das Problem?
Die Frage ist, wie viel Geld in die Sanierung, zum Beispiel im Bereich Energie, fließen müsste. Das dürfte beträchtlich sein. Und ob die CDU dann, unter der Prämisse Zwischennutzung, weiterhin im Boot wäre? Da ist es vielleicht sinnvoller, gleich langfristige Nutzungsperspektiven ins Auge zu fassen und die Künstler dabei mitzudenken. Ich habe den Eindruck, dass man in einer künstlerischen Zwischennutzung von Seiten der CDU ganz aktuell auch das probate Mittel sieht, die Motive der Besetzer zu unterlaufen. Die haben Forderungen nach Raum im Quartier für ganz unterschiedliche Dinge, die ebenso legitim sind, aber eine noch geringere Lobby haben.
Diskussion um Dondorf-Druckerei in Bockenheim: Nur Zwischennutzung?
Die Besetzungen im Jahr 2023 haben das Gebäude wieder als Raum genutzt. Wie könnte das in einer neuen Zwischennutzung aufgegriffen werden?
Wieso sprechen wir hier immer von Zwischennutzung? Das ist sehr unspezifisch. Das kann ein Tag sein, das können aber auch 10 Jahre sein. Was ist denn das Ziel? Ich bin davon überzeugt, dass kreative Nutzer im Stadtteil einen wesentlichen Anteil zur langfristigen Entwicklung eines Gebäudes oder eines zentralen Areals in einem Quartier leisten können. Mir haben die Bilder von der Besetzung sehr gut gefallen. Da war plötzlich Leben drin, Leute, die mit Kindern kreativ gearbeitet oder gespielt haben, eine sehr warme und konstruktive Atmosphäre. Jetzt sieht man da Stacheldraht und zugemauerte Fenster.
Könnten Sie sich vorstellen, an möglichen Konzepten zur (Zwischen-)nutzung des Gebäudes mitzuwirken?
Für eine Zwischennutzung für Ateliers, ich denke jetzt mal an wenige Jahre, braucht man kein Konzept. Da braucht man nur Leute oder eine bestehende Struktur, die das organisiert bekommt. Da fiele mir schon jemand ein.
Und sonst?
Für eine organische Entwicklung eines solchen Ortes, vielleicht anfänglich mit einer Nutzungsmischung, finde ich es sehr spannend, über Konzepte und Strategien nachzudenken, die auch noch bewusster das Umfeld im Stadtteil einbeziehen – und dem Gebäude eine neuartige Funktion zudenken. Das ist die Chance, die hier besteht.
Oder indem man – wie im Fall der neuen Initiative Vision31 – um den Kulturcampus das große Engagement der Leute, die bald seit Jahrzehnten mit bewundernswürdigem Durchhaltevermögen ihre Lebenszeit investieren, würdigt. Und diesen in dem, was vielleicht einmal Kulturcampus sein wird, einen legitimen Platz zubilligt. Das wäre ein Kulturcampus, in dessen Adern Blut fließt und der eine breite Akzeptanz bei allen fände.
Zukunft des Kulturcampus Bockenheim
Steht der Kulturcampus denn vor dem Ende?
Ich glaube nicht, dass man aktuell das Ende des Kulturcampus fürchten muss. Nur wenn er weiter so angegangen wird wie bisher und sich die Stakeholder in den Hinterzimmern verabreden. Die neue Initiative im Rahmen des Programms „New European Bauhaus“ wird von den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung geradezu blockiert und vor den Kopf gestoßen. Unfassbar!
Das ist das erste NEB-Projekt in Hessen, könnte ein vibrierender Ort sein und als Reallabor der Stadt äußerst positive Reputation eintragen. Ein „Leuchtturmprojekt“, wie man immer so schön sagt. Glücklicherweise gibt es jetzt immerhin bei der Stadt einige neue Dezernenten, die sich auf die Menschen zubewegen und ihr Engagement schätzen und aufnehmen. Wie das bisher läuft, ist in jedem Fall einem „World Design Capital 2026“, das sich die Demokratie als zentrales Thema auf die Fahnen schreibt, nicht würdig
Übrigens findet sich die neue Initiative um den Kulturcampus, die mit Hilfe von „Making Frankfurt“ zunächst einfach zwischen allen Interessen, die vor Ort bestehen, moderieren will, schon seit der Bewerbungsphase in der Liste der geplanten Projekte und hat somit auch zu deren Erfolg beigetragen.
Info
Jakob Sturm, geboren 1966 in Straubing, studierte Philosophie und Soziologie in München und Frankfurt am Main sowie Experimentelle Raumkonzepte an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach. Er ist Mitinitiator von Projekten zur kreativen Erschließung urbaner, leerstehender Räume, etwa der Produktions- und Ausstellungsplattform basis oder Radar – Kreativräume für Frankfurt sowie bei „Making Frankfurt“. Seit 2016 ist er Beauftragter für Räume für die Kultur- und Kreativwirtschaft im Auftrag des hessischen Wirtschaftsministeriums. Er betätigt sich ebenso als Autor, unter anderem „Orte möglichen Wohnens“ (2020).
Jakob Sturm © basis e.V.
Jakob Sturm: Ich weiß nicht, welche Motive den Städtebaubeirat in der Frage im Detail leiten, aber ich bin prinzipiell ein großer Fan der Leipzig-Charta. Der Erhalt von Bestand, der jetzt erfreulicherweise immer öfter in die Überlegungen, auch zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Juridicum, einbezogen wird, ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Für mich aber nicht nur in ökologischer Hinsicht.
Sondern?
Der Schutz der Ressourcen darf nicht der einzige Gesichtspunkt sein. Da muss es immer auch um die Menschen gehen. In der Abwägung dürfen in der Planung einer Stadt, in der es auch um die Form des Zusammenlebens geht, die Menschen am Ende nicht auf der Strecke bleiben.
Man sollte sie in die Prozesse der Entwicklung der Stadt mehr einbeziehen, ihnen ermöglichen, sich die Stadt anzueignen. Und ihnen das Gefühl geben, dass sie ein Teil der Stadt sind. Der Umgang mit dem städtischen Lebensraum spiegelt auch immer den Umgang mit den Menschen.
Auch in der Kulturpolitik muss man sich wieder klarer machen, dass es in der Kultur nicht nur um ein Angebot geht, wofür man Eintritt zahlt und was man daraufhin konsumiert, sondern in erster Instanz um die Grundlage des Zusammenlebens und dessen Gestaltung – zumal in einer Stadt mit 178 Nationalitäten.
Was könnte nach einem Abriss folgen?
Was durch Abriss und Neubau in dieser Stadt in den letzten Jahren entstanden ist, ist doch das immer Gleiche, häufig vollkommen seelenlos. Ich kann mir insofern genau vorstellen, was nach Abriss der Dondorf-Druckerei an der Stelle entstehen würde: noch so ein Legohaus, wie sie inzwischen überall in der Stadt stehen – von der neuen Uni bis zur Bebauung des ehemaligen Degussageländes –, die so aussehen, als kämen sie direkt aus dem 3D-Drucker, abweisend und steril.
Sowohl die ehemaligen Besetzer als auch die CDU-Fraktion im Römer setzen sich für eine Zwischennutzung für Ateliers ein. Ist das Gebäude dafür geeignet?
Das Gebäude ist prinzipiell und von seinem Zuschnitt dafür geeignet. Es wurde lange genug im universitären Rahmen für künstlerische Zwecke beziehungsweise die Kunstpädagogik genutzt. Und für Künstler besteht in Frankfurt weiterhin ein Mangel an bezahlbarem Arbeitsraum.
Und was wäre das Problem?
Die Frage ist, wie viel Geld in die Sanierung, zum Beispiel im Bereich Energie, fließen müsste. Das dürfte beträchtlich sein. Und ob die CDU dann, unter der Prämisse Zwischennutzung, weiterhin im Boot wäre? Da ist es vielleicht sinnvoller, gleich langfristige Nutzungsperspektiven ins Auge zu fassen und die Künstler dabei mitzudenken. Ich habe den Eindruck, dass man in einer künstlerischen Zwischennutzung von Seiten der CDU ganz aktuell auch das probate Mittel sieht, die Motive der Besetzer zu unterlaufen. Die haben Forderungen nach Raum im Quartier für ganz unterschiedliche Dinge, die ebenso legitim sind, aber eine noch geringere Lobby haben.
Die Besetzungen im Jahr 2023 haben das Gebäude wieder als Raum genutzt. Wie könnte das in einer neuen Zwischennutzung aufgegriffen werden?
Wieso sprechen wir hier immer von Zwischennutzung? Das ist sehr unspezifisch. Das kann ein Tag sein, das können aber auch 10 Jahre sein. Was ist denn das Ziel? Ich bin davon überzeugt, dass kreative Nutzer im Stadtteil einen wesentlichen Anteil zur langfristigen Entwicklung eines Gebäudes oder eines zentralen Areals in einem Quartier leisten können. Mir haben die Bilder von der Besetzung sehr gut gefallen. Da war plötzlich Leben drin, Leute, die mit Kindern kreativ gearbeitet oder gespielt haben, eine sehr warme und konstruktive Atmosphäre. Jetzt sieht man da Stacheldraht und zugemauerte Fenster.
Könnten Sie sich vorstellen, an möglichen Konzepten zur (Zwischen-)nutzung des Gebäudes mitzuwirken?
Für eine Zwischennutzung für Ateliers, ich denke jetzt mal an wenige Jahre, braucht man kein Konzept. Da braucht man nur Leute oder eine bestehende Struktur, die das organisiert bekommt. Da fiele mir schon jemand ein.
Und sonst?
Für eine organische Entwicklung eines solchen Ortes, vielleicht anfänglich mit einer Nutzungsmischung, finde ich es sehr spannend, über Konzepte und Strategien nachzudenken, die auch noch bewusster das Umfeld im Stadtteil einbeziehen – und dem Gebäude eine neuartige Funktion zudenken. Das ist die Chance, die hier besteht.
Oder indem man – wie im Fall der neuen Initiative Vision31 – um den Kulturcampus das große Engagement der Leute, die bald seit Jahrzehnten mit bewundernswürdigem Durchhaltevermögen ihre Lebenszeit investieren, würdigt. Und diesen in dem, was vielleicht einmal Kulturcampus sein wird, einen legitimen Platz zubilligt. Das wäre ein Kulturcampus, in dessen Adern Blut fließt und der eine breite Akzeptanz bei allen fände.
Steht der Kulturcampus denn vor dem Ende?
Ich glaube nicht, dass man aktuell das Ende des Kulturcampus fürchten muss. Nur wenn er weiter so angegangen wird wie bisher und sich die Stakeholder in den Hinterzimmern verabreden. Die neue Initiative im Rahmen des Programms „New European Bauhaus“ wird von den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung geradezu blockiert und vor den Kopf gestoßen. Unfassbar!
Das ist das erste NEB-Projekt in Hessen, könnte ein vibrierender Ort sein und als Reallabor der Stadt äußerst positive Reputation eintragen. Ein „Leuchtturmprojekt“, wie man immer so schön sagt. Glücklicherweise gibt es jetzt immerhin bei der Stadt einige neue Dezernenten, die sich auf die Menschen zubewegen und ihr Engagement schätzen und aufnehmen. Wie das bisher läuft, ist in jedem Fall einem „World Design Capital 2026“, das sich die Demokratie als zentrales Thema auf die Fahnen schreibt, nicht würdig
Übrigens findet sich die neue Initiative um den Kulturcampus, die mit Hilfe von „Making Frankfurt“ zunächst einfach zwischen allen Interessen, die vor Ort bestehen, moderieren will, schon seit der Bewerbungsphase in der Liste der geplanten Projekte und hat somit auch zu deren Erfolg beigetragen.
Jakob Sturm, geboren 1966 in Straubing, studierte Philosophie und Soziologie in München und Frankfurt am Main sowie Experimentelle Raumkonzepte an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach. Er ist Mitinitiator von Projekten zur kreativen Erschließung urbaner, leerstehender Räume, etwa der Produktions- und Ausstellungsplattform basis oder Radar – Kreativräume für Frankfurt sowie bei „Making Frankfurt“. Seit 2016 ist er Beauftragter für Räume für die Kultur- und Kreativwirtschaft im Auftrag des hessischen Wirtschaftsministeriums. Er betätigt sich ebenso als Autor, unter anderem „Orte möglichen Wohnens“ (2020).
Jakob Sturm © basis e.V.
18. April 2024, 10.30 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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21. November 2024
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