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Räumungsklage gegen das ETF
„Ein Rauswurf wird viel Widerstand in Frankfurt und darüber hinaus auslösen“
Das English Theatre kämpft weiter für seinen Erhalt im Gallileo-Hochhaus. Intendant Daniel Nicolai sprach mit dem JOURNAL über die Schwierigkeiten zwischen den Verhandlungspartnern und der großen Unterstützung vor allem aus der Stadtgesellschaft.
JOURNAL: Die Commerzbank hat vor fast einem Monat eine Räumungsklage gegen das ETF vor dem Landgericht eingereicht. Gibt es hier Neuigkeiten, hat sich die Commerzbank (CoBa) bei Ihnen bzw. dem Vorstand gemeldet?
Daniel Nicolai: Nein, wir haben ja meist von den Aktionen der CoBa nur über die Presse erfahren. Die Klage ist letzten Mittwoch bei uns eingegangen und wir bereiten jetzt die Klageerwiderung vor. Mich hat es sehr überrascht, dass der berühmte Vertrag zwischen der Stadt Frankfurt und der Dresdner Bank von 1999, auf den sich die Stadt Frankfurt und das ETF beziehen, in der Klage der CoBa gar nicht vorkommt. Für die CoBa scheint dieser Vertrag nicht zu existieren. Hat sich wohl in Luft aufgelöst.
ETF droht 18-monatiger Rauswurf
Verhandlungen mit dem neuem Eigentümer CapitaLand (CL) schienen in der Vergangenheit mit Schwierigkeiten behaftet gewesen zu sein. Ist hier in Aussicht, dass man gemeinsam an den Verhandlungstisch (zurück)kommt?
CapitaLand war sehr zurückhaltend und hielt sich bedeckt. Das kann man aber auch verstehen, CapitaLand ging ja davon aus, dass sie ein leeres Gebäude gekauft haben. Dass CapitaLand uns die Spielstätte nicht direkt vermieten kann, wenn Sie bis zum 31. Januar 2024 bereits an die CoBa vermietet ist, verstehen wir.
Seit „How a Frankfurt theatre became a PR disaster for Commerzbank“ in der Financial Times erschienen ist, hat sich CL in einer Pressemeldung geäußert. Darin wird mitgeteilt, dass man den Turm für Frankfurt ertüchtigen muss und das ETF daher für 18 Monate ausziehen muss.
„CapitaLand wird mit der Stadt reden müssen“
Wie reagieren sie darauf?
Ich hoffe, dass es bald Gespräche zwischen Stadt, CL und ETF über diese Umbauphase gibt. Müssen das wirklich 18 Monate sein? Gibt es überhaupt schon einen Termin, wenn es noch keinen Hauptmieter gibt? Man kann ja schlecht umbauen, wenn man die Nutzung nicht kennt. CL muss lernen, dass der Turm richtig hässlich wird, wenn man das ETF vor die Tür setzt. CL ist tausende Kilometer entfernt in einem Stadtstaat mit Turbokapitalismus. Man heißt ja nicht umsonst „Capital Land“.
Mit Hilfe der vielen Unterstützer aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Stadtgesellschaft müssen wir CL deutlich machen, dass Ihr Eigentum durch die vielen Diskussionen um den Erhalt des ETF sogar beschädigt wird. Der Turm wird „toxic“. Welches Unternehmen soll denn einziehen, wenn das größte englischsprachige Theater in Kontinentaleuropa damit verdrängt würde? Wer macht das, die Deutsche Bank, Nestlé, eine Versicherung?
CapitaLand kommuniziert auf seiner Website „We invest in communities“. Wenn man in Gemeinschaft und Gemeinde investiert, wird man sicher mit der Community - der Stadt Frankfurt - sprechen müssen.
ETF bekommt aus vielen Richtungen Unterstützung
Der Kreis der Unterstützer fürs ETF ist sehr groß, die Online-Petition hat inzwischen über 25 000 Unterzeichner. Neben Claudia Roth, Mike Josef und Ina Hartwig wollen auch Boris Rhein und Bundeskulturbeauftragte Claudia Roth, dass das ETF erhalten bleibt. Was sagen sie zu dieser Unterstützung?
Die Unterstützung ist gewaltig und wir fühlen uns davon getragen. Es sind auch nicht nur Unterstützer aus Politik und Gesellschaft. Wir haben gerade eine E-Mail von der Stauffenberg Schule erhalten. Die Schüler sind empört, dass das Theater geschlossen werden soll und wollen mit uns abstimmen, was sie unternehmen können. Die GEW (Bildungsgewerkschaft) hat sich gemeldet, Jugendorganisationen von Parteien und weitere.
Daniel Nicolai © The English Theatre Frankfurt, Foto: Martin Kaufhold
Und diese Unterstützung wird auch entscheidend sein: Durch das Verhalten der CoBa haben die Stadt und das Theater rechtlich keine Hebel, den Fortbestand im Basement durchzusetzen. Wenn CL langsam klar wird, dass es doch ganz schön ist, einen kulturellen Leuchtturm im Keller zu haben, Mieteinnahmen zu erzielen und dazu noch von Stadt und Land gefeiert zu werden, wird man hoffentlich eine Lösung für die Spielstätte anstreben. Gleichzeitig müssen wir CL in Singapur vermitteln, dass ein Rauswurf des ETF sehr viel Widerstand und Widerwillen in FFM und weit darüber hinaus auslösen wird.
„Wir sind sehr zufrieden mit dem Rückhalt in der Stadtpolitik und bei den Bürgern“
Die Stadt Frankfurt unterstützt in Teilen - wie angesprochen - den Erhalt des ETF. Inwiefern sehen sie ein Versäumnis der Stadt in der Vergangenheit, das ETF zu erhalten? Bräuchte es hier mehr Rückhalt der Stadt?
Es hat wirklich einige Zeit gedauert, bis wir alle „Mitstreiter“ an Bord hatten. Das Dilemma ist aber auch diffizil und musste analysiert und vermittelt werden. Seit einigen Monaten sind sich aber alle einig, was die Rechtslage ist und dass wir gemeinsam vorgehen. Unsere „Mitstreiter“ sind Freshfields, unser Vorstand, das Dezernat für Kunst und Wissenschaft, das Rechtsamt, Rothorn Leagal, Ina Hartwig und der OB. Wir sind sehr zufrieden mit dem „Schulterschluss“ und dem Rückhalt in der Stadtpolitik und bei den Bürgern.
Trotz der unsicheren Lage steht der Spielplan für die kommende Saison. Wie blicken Sie und das Theater auf die nächste Zeit?
Sehr zuversichtlich! Das ETF eröffnet die nächste Spielzeit mit der Welturaufführung von "The Vanishing Room”. Das gab es in den 44 Jahren ETF noch nie. Noch dazu ist es eine Koproduktion mit einem Theater in London und in New York City. Die Creatives und das Ensemble arbeiten über die Sommerpause im Bühnenbild, das ist eine sehr gute Situation, um ein neues Stück zu entwickeln.
Deutschlandpremiere von „Something Rotten“
Und weiter?
Danach kommt die Deutschlandpremiere von „Something Rotten!“. Das ist ein sehr aufwendiges und sehr unterhaltendes Stück über die Renaissance und Shakespeare. Wegen Corona ist das Stück noch nicht im West End gelaufen. Es ist sehr ungewöhnlich, dass wir etwas vom Broadway vor dem Londoner West End präsentieren können.
Natürlich stecken dahinter auch etwas Glück und etwas Strategie. Asiaten lieben Musicals! Wenn bei uns der Laden brummt, wir ausverkauft und mit „Something Rotten!“ viel in den Medien sind, wird CL uns nicht ohne Not vor die Tür setzen. Bis das Musical bei uns abgespielt ist, wird es März 2024. So hangeln wir uns dann Richtung Sommerpause 2024.
___________________________________________________________________
Zur Person: Der studierte Kommunikationsdesigner Daniel Nicolai leitet das English Theatre seit 2001. Unter seiner Ägide wurde ein umfangreiches theaterpädagogisches Programm aufgebaut. Auch führt das ETF jedes Jahr ein zusätzliches Theaterstück auf, das dem Sprachniveau von Schülern zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr angepasst ist.
Daniel Nicolai: Nein, wir haben ja meist von den Aktionen der CoBa nur über die Presse erfahren. Die Klage ist letzten Mittwoch bei uns eingegangen und wir bereiten jetzt die Klageerwiderung vor. Mich hat es sehr überrascht, dass der berühmte Vertrag zwischen der Stadt Frankfurt und der Dresdner Bank von 1999, auf den sich die Stadt Frankfurt und das ETF beziehen, in der Klage der CoBa gar nicht vorkommt. Für die CoBa scheint dieser Vertrag nicht zu existieren. Hat sich wohl in Luft aufgelöst.
Verhandlungen mit dem neuem Eigentümer CapitaLand (CL) schienen in der Vergangenheit mit Schwierigkeiten behaftet gewesen zu sein. Ist hier in Aussicht, dass man gemeinsam an den Verhandlungstisch (zurück)kommt?
CapitaLand war sehr zurückhaltend und hielt sich bedeckt. Das kann man aber auch verstehen, CapitaLand ging ja davon aus, dass sie ein leeres Gebäude gekauft haben. Dass CapitaLand uns die Spielstätte nicht direkt vermieten kann, wenn Sie bis zum 31. Januar 2024 bereits an die CoBa vermietet ist, verstehen wir.
Seit „How a Frankfurt theatre became a PR disaster for Commerzbank“ in der Financial Times erschienen ist, hat sich CL in einer Pressemeldung geäußert. Darin wird mitgeteilt, dass man den Turm für Frankfurt ertüchtigen muss und das ETF daher für 18 Monate ausziehen muss.
„CapitaLand wird mit der Stadt reden müssen“
Wie reagieren sie darauf?
Ich hoffe, dass es bald Gespräche zwischen Stadt, CL und ETF über diese Umbauphase gibt. Müssen das wirklich 18 Monate sein? Gibt es überhaupt schon einen Termin, wenn es noch keinen Hauptmieter gibt? Man kann ja schlecht umbauen, wenn man die Nutzung nicht kennt. CL muss lernen, dass der Turm richtig hässlich wird, wenn man das ETF vor die Tür setzt. CL ist tausende Kilometer entfernt in einem Stadtstaat mit Turbokapitalismus. Man heißt ja nicht umsonst „Capital Land“.
Mit Hilfe der vielen Unterstützer aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Stadtgesellschaft müssen wir CL deutlich machen, dass Ihr Eigentum durch die vielen Diskussionen um den Erhalt des ETF sogar beschädigt wird. Der Turm wird „toxic“. Welches Unternehmen soll denn einziehen, wenn das größte englischsprachige Theater in Kontinentaleuropa damit verdrängt würde? Wer macht das, die Deutsche Bank, Nestlé, eine Versicherung?
CapitaLand kommuniziert auf seiner Website „We invest in communities“. Wenn man in Gemeinschaft und Gemeinde investiert, wird man sicher mit der Community - der Stadt Frankfurt - sprechen müssen.
Der Kreis der Unterstützer fürs ETF ist sehr groß, die Online-Petition hat inzwischen über 25 000 Unterzeichner. Neben Claudia Roth, Mike Josef und Ina Hartwig wollen auch Boris Rhein und Bundeskulturbeauftragte Claudia Roth, dass das ETF erhalten bleibt. Was sagen sie zu dieser Unterstützung?
Die Unterstützung ist gewaltig und wir fühlen uns davon getragen. Es sind auch nicht nur Unterstützer aus Politik und Gesellschaft. Wir haben gerade eine E-Mail von der Stauffenberg Schule erhalten. Die Schüler sind empört, dass das Theater geschlossen werden soll und wollen mit uns abstimmen, was sie unternehmen können. Die GEW (Bildungsgewerkschaft) hat sich gemeldet, Jugendorganisationen von Parteien und weitere.
Daniel Nicolai © The English Theatre Frankfurt, Foto: Martin Kaufhold
Und diese Unterstützung wird auch entscheidend sein: Durch das Verhalten der CoBa haben die Stadt und das Theater rechtlich keine Hebel, den Fortbestand im Basement durchzusetzen. Wenn CL langsam klar wird, dass es doch ganz schön ist, einen kulturellen Leuchtturm im Keller zu haben, Mieteinnahmen zu erzielen und dazu noch von Stadt und Land gefeiert zu werden, wird man hoffentlich eine Lösung für die Spielstätte anstreben. Gleichzeitig müssen wir CL in Singapur vermitteln, dass ein Rauswurf des ETF sehr viel Widerstand und Widerwillen in FFM und weit darüber hinaus auslösen wird.
Die Stadt Frankfurt unterstützt in Teilen - wie angesprochen - den Erhalt des ETF. Inwiefern sehen sie ein Versäumnis der Stadt in der Vergangenheit, das ETF zu erhalten? Bräuchte es hier mehr Rückhalt der Stadt?
Es hat wirklich einige Zeit gedauert, bis wir alle „Mitstreiter“ an Bord hatten. Das Dilemma ist aber auch diffizil und musste analysiert und vermittelt werden. Seit einigen Monaten sind sich aber alle einig, was die Rechtslage ist und dass wir gemeinsam vorgehen. Unsere „Mitstreiter“ sind Freshfields, unser Vorstand, das Dezernat für Kunst und Wissenschaft, das Rechtsamt, Rothorn Leagal, Ina Hartwig und der OB. Wir sind sehr zufrieden mit dem „Schulterschluss“ und dem Rückhalt in der Stadtpolitik und bei den Bürgern.
Trotz der unsicheren Lage steht der Spielplan für die kommende Saison. Wie blicken Sie und das Theater auf die nächste Zeit?
Sehr zuversichtlich! Das ETF eröffnet die nächste Spielzeit mit der Welturaufführung von "The Vanishing Room”. Das gab es in den 44 Jahren ETF noch nie. Noch dazu ist es eine Koproduktion mit einem Theater in London und in New York City. Die Creatives und das Ensemble arbeiten über die Sommerpause im Bühnenbild, das ist eine sehr gute Situation, um ein neues Stück zu entwickeln.
Deutschlandpremiere von „Something Rotten“
Und weiter?
Danach kommt die Deutschlandpremiere von „Something Rotten!“. Das ist ein sehr aufwendiges und sehr unterhaltendes Stück über die Renaissance und Shakespeare. Wegen Corona ist das Stück noch nicht im West End gelaufen. Es ist sehr ungewöhnlich, dass wir etwas vom Broadway vor dem Londoner West End präsentieren können.
Natürlich stecken dahinter auch etwas Glück und etwas Strategie. Asiaten lieben Musicals! Wenn bei uns der Laden brummt, wir ausverkauft und mit „Something Rotten!“ viel in den Medien sind, wird CL uns nicht ohne Not vor die Tür setzen. Bis das Musical bei uns abgespielt ist, wird es März 2024. So hangeln wir uns dann Richtung Sommerpause 2024.
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Zur Person: Der studierte Kommunikationsdesigner Daniel Nicolai leitet das English Theatre seit 2001. Unter seiner Ägide wurde ein umfangreiches theaterpädagogisches Programm aufgebaut. Auch führt das ETF jedes Jahr ein zusätzliches Theaterstück auf, das dem Sprachniveau von Schülern zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr angepasst ist.
7. Juli 2023, 11.32 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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„GoFundMe“-Jahresbericht 2024
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Im bundesweiten Vergleich spenden Menschen aus Frankfurt pro Kopf am meisten Geld. Das geht aus dem Bericht der Spenden-Plattform „GoFundMe“ für das Jahr 2024 hervor.
Text: Sina Claßen / Foto: Im Durchschnitt spendeten Menschen aus Frankfurt 28 Euro © Adobe Stock/Syda Productions
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