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Gunnar Solka auf der Buchmesse
„Wir haben hinsichtlich der Verfolgung queeren Lebens ein Bildungsdefizit“
Was haben Geschichten queerer Geflüchteter mit der Buchmesse zu tun? Der Schauspieler Gunnar Solka sprach unter anderem darüber mit dem JOURNAL. Er selbst wird solche Geschichten auf der Buchmesse vortragen.
Wenn sich die Tore der Frankfurter Buchmesse öffnen, werden Autorinnen und Autoren die Möglichkeit haben, ihre Geschichte zu erzählen. Die Rainbow Stories werden die Besucher an Schicksalen, Verfolgung, aber auch Rettung und neu gewonnener Freiheit teilhaben lassen – und Gunnar Solke wird sie vorstellen.
Herr Solka, Sie kommen extra zur Buchmesse nach Frankfurt, um die Stories queerer Geflüchteter vorzutragen. Was hat Sie dazu veranlasst?
Weil ich muss und weil ich kann. Gerade jetzt. Nehmen wir die von der Regierung als sichere Länder bezeichneten Staaten – oder etwa Asylverfahren an EU-Außengrenzen. Wie sollen queere Menschen in einem Staat wie Tunesien über ihre Homosexualität reden? Gegenüber einer Behörde in einem schwulenfeindlich eingestellten Land über das reden, was sie ihr Leben lang verstecken mussten?
Veranlasst fühle ich mich bei Geschichten wie der von Wassim aus Marokko auch durch eigene Erlebnisse: Mitte der 1990er-Jahre war ich Redakteur einer Tageszeitung. An der Einfahrt zu einem Dorffest sprach mich ein Mann mit „Bist du die schwule Sau von der Altmark-Zeitung?“ an und schlug mir durch das offene Autofenster einen Maßkrug an die Schläfe. Bei der Gerichtsverhandlung sollte ich schließlich die Entschuldigung des Mannes annehmen. Ich fühlte mich mitschuldig, es war eine Farce und der Täter zahlte ein lächerliches Schmerzensgeld.
Solka hofft auf mehr Aufmerksamkeit für queere Geflüchtete durch Rainbow Stories
Spricht nicht für den Richter…
Der war wohl ein Kind seiner Zeit. Vor allem war ich selbst in Deutschland zu eingeschüchtert, um für meine Rechte einzutreten. Seit der Abschaffung des Paragrafen 175 sind fast drei Jahrzehnte vergangen, dennoch sind die erkämpften Errungenschaften queerer Aktivisten nicht sicher. Nehmen wir nur die AfD, gegen die wir verteidigen müssen, was auch abfällig als Errungenschaften „skurriler Minderheiten“ bezeichnet wird. Deshalb sind die „Rainbow Stories“ so besonders wichtig – auch, um zu erkennen, wie homophob es in Deutschland war und wieder werden könnte.
Warum gehören diese Stories auf die Frankfurter Buchmesse?
Wir haben hinsichtlich der Verfolgung queeren Lebens weiterhin ein Bildungsdefizit. Ich hoffe, dass mit der Veröffentlichung dieser Texte mehr Menschen über die „Rainbow Stories“ ein Zugang ermöglicht wird – jenseits von Demos und Straßenfesten. Der Schmerz jener Verfolgten, die bei uns Schutz erhalten müssen, lassen Menschen nachempfinden, weshalb wir auch hierzulande weiter kämpfen müssen.
Rainbow Stories sollen Situation queerer Geflüchtete nahbar machen
Sehen Sie sich als Schauspieler auch in der Rolle des Aufklärers – oder nur in der des Vermittlers?
Ich sehe mich im besten Fall als Vermittler und Aufklärer im Miteinander mit den Autor:innen. In meinen 16 Jahren „Lindenstraße“ waren die Autoren jene, in deren Aufklärung wir uns selbst mit unseren Ansichten einbrachten. Kürzlich wurde ich von Leuten angesprochen, die jene Aufklärung auch drei Jahre nach Ende der Serie vermissen: Rassismus, Queerness und AfD wurden dort bereits verhandelt. Gewiss hätte die Lindenstraße in der Straße neben den Bakkoushs einen queeren Geflüchteten mit entsprechendem Asylverfahren etabliert. Bei den Rainbow Stories möchte ich versuchen, als Vermittler der queeren Geflüchteten deren Situation nahbar zu machen.
Info
Der Schauspieler Gunnar Solka stammt aus dem ostdeutschen Osterburg und wurde durch seine Rolle des schwulen Peter „Lotti“ Lottmann in der ARD-Serie Lindenstraße bekannt. Er lebt lebt in Berlin.
Die Geschichte von Atish aus dem Iran können Sie hier lesen, die von Wassim aus Marokko hier und die von Olga aus Kiew hier.
Herr Solka, Sie kommen extra zur Buchmesse nach Frankfurt, um die Stories queerer Geflüchteter vorzutragen. Was hat Sie dazu veranlasst?
Weil ich muss und weil ich kann. Gerade jetzt. Nehmen wir die von der Regierung als sichere Länder bezeichneten Staaten – oder etwa Asylverfahren an EU-Außengrenzen. Wie sollen queere Menschen in einem Staat wie Tunesien über ihre Homosexualität reden? Gegenüber einer Behörde in einem schwulenfeindlich eingestellten Land über das reden, was sie ihr Leben lang verstecken mussten?
Veranlasst fühle ich mich bei Geschichten wie der von Wassim aus Marokko auch durch eigene Erlebnisse: Mitte der 1990er-Jahre war ich Redakteur einer Tageszeitung. An der Einfahrt zu einem Dorffest sprach mich ein Mann mit „Bist du die schwule Sau von der Altmark-Zeitung?“ an und schlug mir durch das offene Autofenster einen Maßkrug an die Schläfe. Bei der Gerichtsverhandlung sollte ich schließlich die Entschuldigung des Mannes annehmen. Ich fühlte mich mitschuldig, es war eine Farce und der Täter zahlte ein lächerliches Schmerzensgeld.
Spricht nicht für den Richter…
Der war wohl ein Kind seiner Zeit. Vor allem war ich selbst in Deutschland zu eingeschüchtert, um für meine Rechte einzutreten. Seit der Abschaffung des Paragrafen 175 sind fast drei Jahrzehnte vergangen, dennoch sind die erkämpften Errungenschaften queerer Aktivisten nicht sicher. Nehmen wir nur die AfD, gegen die wir verteidigen müssen, was auch abfällig als Errungenschaften „skurriler Minderheiten“ bezeichnet wird. Deshalb sind die „Rainbow Stories“ so besonders wichtig – auch, um zu erkennen, wie homophob es in Deutschland war und wieder werden könnte.
Warum gehören diese Stories auf die Frankfurter Buchmesse?
Wir haben hinsichtlich der Verfolgung queeren Lebens weiterhin ein Bildungsdefizit. Ich hoffe, dass mit der Veröffentlichung dieser Texte mehr Menschen über die „Rainbow Stories“ ein Zugang ermöglicht wird – jenseits von Demos und Straßenfesten. Der Schmerz jener Verfolgten, die bei uns Schutz erhalten müssen, lassen Menschen nachempfinden, weshalb wir auch hierzulande weiter kämpfen müssen.
Sehen Sie sich als Schauspieler auch in der Rolle des Aufklärers – oder nur in der des Vermittlers?
Ich sehe mich im besten Fall als Vermittler und Aufklärer im Miteinander mit den Autor:innen. In meinen 16 Jahren „Lindenstraße“ waren die Autoren jene, in deren Aufklärung wir uns selbst mit unseren Ansichten einbrachten. Kürzlich wurde ich von Leuten angesprochen, die jene Aufklärung auch drei Jahre nach Ende der Serie vermissen: Rassismus, Queerness und AfD wurden dort bereits verhandelt. Gewiss hätte die Lindenstraße in der Straße neben den Bakkoushs einen queeren Geflüchteten mit entsprechendem Asylverfahren etabliert. Bei den Rainbow Stories möchte ich versuchen, als Vermittler der queeren Geflüchteten deren Situation nahbar zu machen.
Der Schauspieler Gunnar Solka stammt aus dem ostdeutschen Osterburg und wurde durch seine Rolle des schwulen Peter „Lotti“ Lottmann in der ARD-Serie Lindenstraße bekannt. Er lebt lebt in Berlin.
Die Geschichte von Atish aus dem Iran können Sie hier lesen, die von Wassim aus Marokko hier und die von Olga aus Kiew hier.
11. Oktober 2023, 16.58 Uhr
Katja Thorwarth
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Katja
Thorwarth >>
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