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Flughafenseelsorge
„Wir tun den Menschen und dem Standort gut“
Am Flughafen Frankfurt kümmert sich die ökumenische Flughafenseelsorge um die Nöte von Mitarbeitern und Passagieren. Pfarrerin Bettina Klünemann weiß, wie sehr sich auch ihr Betreuungsauftrag im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat.
Lange Schlangen an den Check-in-Schaltern, mehrsprachiges Stimmengewirr und umherwuselnde Reisende mit teils riesigen Koffern und Taschen. Wenn dann noch die klackernde Anzeigentafel über den Köpfen für manche Abflüge nichts Gutes verheißt, sieht man ratlose Gesichter und gestresste Passagiere. Gerade in der Ferienzeit ist dies am Frankfurter Flughafen nicht ungewöhnlich. Doch sieht man in dem Getümmel immer mal wieder neongelbe Westen aufleuchten, die eine scheinbar magische Anziehungskraft besitzen. Wer eine Frage oder ein Problem hat, steuert nämlich zielstrebig auf einen solchen Westenträger zu.
Dabei fällt den wenigsten auf, dass bei manchen „Flughafenseelsorge / Airport Chaplaincy“ auf dem Rücken steht. So ist also auch Flughafenpfarrerin Bettina Klünemann sofort umringt, sobald sie durchs Terminal läuft, und gibt bereitwillig Auskunft – ob es jetzt um den Check-In, eine bestimmte Flugverbindung oder den Weg zum Fernbahnhof geht.
Für sie gehört das ganz selbstverständlich zu ihren Aufgaben dazu, „denn die Passagiere sollen ihre Sorgen teilen können. Außerdem ist es ja nicht immer ein freudiger Anlass, der zu einer Reise motiviert, gerade wenn es beispielsweise um Trauerfälle in der Familie geht, und da will ich gerne Ansprechpartnerin sein.“ Täglich sind über 150 000 Reisende am Flughafen unterwegs.
In erster Linie ist die Flughafenseelsorge allerdings für Mitarbeiter der Fraport AG da; immerhin sind hier rund 80 000 Menschen – aus 114 Nationen – beschäftigt. „Wir sind ein kirchlicher Anlaufpunkt mitten in deren Arbeitswelt“, beschreibt Klünemann. Die studierte Theologin und Psychologin ist seit sechs Jahren am Flughafen und bringt neben einem großen Maß an Empathie jahrelange Erfahrungen aus verschiedenen Kirchengemeinden, aber auch als Notfallseelsorgerin sowie aus der Krankenhausseelsorge in den USA mit.
Teamwork ist Programm
Den Flughafen Frankfurt gibt es nun genau seit 100 Jahren, und auch die Flughafenseelsorge konnte vor zwei Jahren ein großes Jubiläum feiern. Denn quasi mit der Inbetriebnahme des Terminals 1 im März 1972 bekam sie Platz für Büros und Kapelle. Seitdem waren mehrere Umzüge zu bewältigen; gerade erst durften frisch renovierte Räumlichkeiten im Bereich Abflug B bezogen werden. Damals war es Pater Walter Maader, der den Grundstein zur ersten Flughafenseelsorge bundesweit legte und wahre Pionierarbeit leistete. Ganze 30 Jahre lang blieb er in diesem Amt; aktuell leitet Pastoralreferent Peter Schwaderlapp (52) den katholischen Teil. Von Anfang an gab es allerdings ein ökumenisches Konzept, weiß Klünemann, und so ist ihr eine enge Zusammenarbeit der beiden christlichen Konfessionen wichtig. Das Büro ihres Amtskollegen ist daher auch direkt nebenan, die Abstimmungswege sind kurz.
„Die Menschen am Flughafen differenzieren sowieso kaum; für die ist es einfach ‚Kirche‘“, weiß die 59-Jährige. „Wir leben hier ein Christentum, das so viel mehr ist als evangelisch oder katholisch zu sein. Gerade hier am Flughafen haben wir es mit allen Religionen und Kulturen zu tun, daher macht diese Differenzierung kaum noch Sinn. Ich möchte zu einem neuen Level von Miteinander kommen.“ So gibt es neben der Kapelle im öffentlichen Sektor, in der immer freitags ein Mittagsgebet stattfindet, auch zwei im Transitbereich sowie Gebetsräume für Muslime und Juden. Zudem steht für Mitarbeiter und Passagiere ein Hodscha zur Verfügung.
Flughafenseelsorge mit einem breiten Netzwerk
Apropos Miteinander: Unter Klünemanns Leitung hat sich ein schlagkräftiges Team aus 25 ehrenamtlichen Kräften – bei den Katholiken sind es elf – entwickelt, dessen Zukunft sie darin sieht, sich multireligiös beziehungsweise multikulturell aufzustellen: „Damit können wir dann auch besser abbilden, wer und was alles zu diesem Flughafen gehört.“ Die meisten Ehrenamtler haben eine Notfallseelsorgeausbildung absolviert und sind viel in den Terminals unterwegs, um direkt ansprechbar zu sein oder etwaigen Hilfebedarf rasch zu erkennen und gegebenenfalls auch unkonventionelle Lösungen zu finden. Im vergangenen Jahr wurden sage und schreibe 5 500 ehrenamtliche Stunden geleistet!
Darüber hinaus ist vor Ort ein enges Netzwerk entstanden, denn aus der Flughafenseelsorge haben sich weitere Dienste entwickelt, die sich gegenseitig unterstützen – wie der kirchliche Sozialdienst für Passagiere. „Wir kooperieren auch eng mit dem CARE-Team der Fraport oder den SAT-Teams von Lufthansa und Condor, was sich gerade in den globalen Krisen der vergangenen Jahre bewährt hat“, berichtet Klünemann, „denn in größeren Lagen ist es umso wichtiger, dass wir uns kennen und gut miteinander arbeiten.“ So mussten beispielsweise viele Ukraine-Flüchtlinge betreut und humanitäre Sonderflüge aus Israel, Jordanien oder dem Sudan abgewickelt werden.
Das Nicht-Planbare ist Alltag
Bei der Frage nach den Nationalitäten, mit denen sie schon zu tun hatte, muss sie lachen: „Ich weiß nicht, mit wem ich noch nicht zu tun hatte; da gab es Menschen aus allen Winkeln der Erde! Das ist auf jeden Fall sehr interessant, wen und was man so alles kennenlernt.“ Nicht selten geht ihr Kümmern weit über das hinaus, was man eigentlich erwarten dürfte. „Es ist ganz viel praktische Unterstützung, denn nur Reden hilft ja nicht, gerade bei einem Notfall“, beschreibt sie ihren Arbeitsalltag, der eben alles andere als alltäglich ist. Erst neulich, als eine Familie vor Ort einen Todesfall erlebte, konnte sie organisieren, dass die Trauernden keine horrenden Parkgebühren zahlen mussten. „Es ist ja immer ein Rundumpaket, wenn wir Leute betreuen, und dann sind es oft grundlegende Dinge, die dazu beitragen, die Situation etwas erträglicher zu machen und ins Gespräch zu finden.“
Einem jungen Iren, der letztens ohne Handy und Geld am Flughafen strandete, konnte sie entscheidend helfen, indem sie ihm nicht nur zu essen, sondern auch die Möglichkeit gab, eine Mail zu versenden. So konnte er seine Mutter in der Heimat erreichen, die dann alles weitere für ihn arrangierte. Manche Langzeitbetreuungen entwickeln sich auch zu Erfolgsgeschichten – wie bei dem Marokkaner, der 2021 als Pflegehilfskraft nach Deutschland gelockt worden war, aber bei der Einreise direkt zurückgeschickt wurde. „Ich habe ihm dann immer Mut gemacht, und er ist drangeblieben, hat Deutsch gelernt und sich aus der Heimat heraus einen Ausbildungsplatz zum Altenpfleger besorgt. Seit Mai ist er nun in Baden-Württemberg und ganz glücklich!“
Anhaltende Dankbarkeit auch nach vielen Jahren
Nicht selten erhält sie Dankesbriefe oder -anrufe von Menschen, denen sie vor langer Zeit geholfen hat. „Das waren zumeist so besondere Fälle, dass ich mich noch genau erinnern kann – wie an die Inderin, deren Mann während des Flugs verstarb, und immer, wenn sie wieder auf Reisen ist, denkt sie an uns. Viele Leute vergessen eben nicht, dass wir hier in einer schlimmen persönlichen Krise für sie da waren!“ Gerade für viele Ausländer spiele Religion eine große Rolle, „und denen müssen wir mit viel Sensibilität gerecht werden“, ist die Pfarrerin überzeugt. „Diese Menschen schätzen sehr, wenn sie hier religiöse Räume finden. Daher würde ich mir wünschen, dass auch alle Mitarbeitenden des Flughafens stärker wahrnehmen, dass wir etwas anbieten, das dem Einzelnen, dem Team, der Firma und dem ganzen Standort guttut!“
Dabei fällt den wenigsten auf, dass bei manchen „Flughafenseelsorge / Airport Chaplaincy“ auf dem Rücken steht. So ist also auch Flughafenpfarrerin Bettina Klünemann sofort umringt, sobald sie durchs Terminal läuft, und gibt bereitwillig Auskunft – ob es jetzt um den Check-In, eine bestimmte Flugverbindung oder den Weg zum Fernbahnhof geht.
Für sie gehört das ganz selbstverständlich zu ihren Aufgaben dazu, „denn die Passagiere sollen ihre Sorgen teilen können. Außerdem ist es ja nicht immer ein freudiger Anlass, der zu einer Reise motiviert, gerade wenn es beispielsweise um Trauerfälle in der Familie geht, und da will ich gerne Ansprechpartnerin sein.“ Täglich sind über 150 000 Reisende am Flughafen unterwegs.
In erster Linie ist die Flughafenseelsorge allerdings für Mitarbeiter der Fraport AG da; immerhin sind hier rund 80 000 Menschen – aus 114 Nationen – beschäftigt. „Wir sind ein kirchlicher Anlaufpunkt mitten in deren Arbeitswelt“, beschreibt Klünemann. Die studierte Theologin und Psychologin ist seit sechs Jahren am Flughafen und bringt neben einem großen Maß an Empathie jahrelange Erfahrungen aus verschiedenen Kirchengemeinden, aber auch als Notfallseelsorgerin sowie aus der Krankenhausseelsorge in den USA mit.
Den Flughafen Frankfurt gibt es nun genau seit 100 Jahren, und auch die Flughafenseelsorge konnte vor zwei Jahren ein großes Jubiläum feiern. Denn quasi mit der Inbetriebnahme des Terminals 1 im März 1972 bekam sie Platz für Büros und Kapelle. Seitdem waren mehrere Umzüge zu bewältigen; gerade erst durften frisch renovierte Räumlichkeiten im Bereich Abflug B bezogen werden. Damals war es Pater Walter Maader, der den Grundstein zur ersten Flughafenseelsorge bundesweit legte und wahre Pionierarbeit leistete. Ganze 30 Jahre lang blieb er in diesem Amt; aktuell leitet Pastoralreferent Peter Schwaderlapp (52) den katholischen Teil. Von Anfang an gab es allerdings ein ökumenisches Konzept, weiß Klünemann, und so ist ihr eine enge Zusammenarbeit der beiden christlichen Konfessionen wichtig. Das Büro ihres Amtskollegen ist daher auch direkt nebenan, die Abstimmungswege sind kurz.
„Die Menschen am Flughafen differenzieren sowieso kaum; für die ist es einfach ‚Kirche‘“, weiß die 59-Jährige. „Wir leben hier ein Christentum, das so viel mehr ist als evangelisch oder katholisch zu sein. Gerade hier am Flughafen haben wir es mit allen Religionen und Kulturen zu tun, daher macht diese Differenzierung kaum noch Sinn. Ich möchte zu einem neuen Level von Miteinander kommen.“ So gibt es neben der Kapelle im öffentlichen Sektor, in der immer freitags ein Mittagsgebet stattfindet, auch zwei im Transitbereich sowie Gebetsräume für Muslime und Juden. Zudem steht für Mitarbeiter und Passagiere ein Hodscha zur Verfügung.
Apropos Miteinander: Unter Klünemanns Leitung hat sich ein schlagkräftiges Team aus 25 ehrenamtlichen Kräften – bei den Katholiken sind es elf – entwickelt, dessen Zukunft sie darin sieht, sich multireligiös beziehungsweise multikulturell aufzustellen: „Damit können wir dann auch besser abbilden, wer und was alles zu diesem Flughafen gehört.“ Die meisten Ehrenamtler haben eine Notfallseelsorgeausbildung absolviert und sind viel in den Terminals unterwegs, um direkt ansprechbar zu sein oder etwaigen Hilfebedarf rasch zu erkennen und gegebenenfalls auch unkonventionelle Lösungen zu finden. Im vergangenen Jahr wurden sage und schreibe 5 500 ehrenamtliche Stunden geleistet!
Darüber hinaus ist vor Ort ein enges Netzwerk entstanden, denn aus der Flughafenseelsorge haben sich weitere Dienste entwickelt, die sich gegenseitig unterstützen – wie der kirchliche Sozialdienst für Passagiere. „Wir kooperieren auch eng mit dem CARE-Team der Fraport oder den SAT-Teams von Lufthansa und Condor, was sich gerade in den globalen Krisen der vergangenen Jahre bewährt hat“, berichtet Klünemann, „denn in größeren Lagen ist es umso wichtiger, dass wir uns kennen und gut miteinander arbeiten.“ So mussten beispielsweise viele Ukraine-Flüchtlinge betreut und humanitäre Sonderflüge aus Israel, Jordanien oder dem Sudan abgewickelt werden.
Bei der Frage nach den Nationalitäten, mit denen sie schon zu tun hatte, muss sie lachen: „Ich weiß nicht, mit wem ich noch nicht zu tun hatte; da gab es Menschen aus allen Winkeln der Erde! Das ist auf jeden Fall sehr interessant, wen und was man so alles kennenlernt.“ Nicht selten geht ihr Kümmern weit über das hinaus, was man eigentlich erwarten dürfte. „Es ist ganz viel praktische Unterstützung, denn nur Reden hilft ja nicht, gerade bei einem Notfall“, beschreibt sie ihren Arbeitsalltag, der eben alles andere als alltäglich ist. Erst neulich, als eine Familie vor Ort einen Todesfall erlebte, konnte sie organisieren, dass die Trauernden keine horrenden Parkgebühren zahlen mussten. „Es ist ja immer ein Rundumpaket, wenn wir Leute betreuen, und dann sind es oft grundlegende Dinge, die dazu beitragen, die Situation etwas erträglicher zu machen und ins Gespräch zu finden.“
Einem jungen Iren, der letztens ohne Handy und Geld am Flughafen strandete, konnte sie entscheidend helfen, indem sie ihm nicht nur zu essen, sondern auch die Möglichkeit gab, eine Mail zu versenden. So konnte er seine Mutter in der Heimat erreichen, die dann alles weitere für ihn arrangierte. Manche Langzeitbetreuungen entwickeln sich auch zu Erfolgsgeschichten – wie bei dem Marokkaner, der 2021 als Pflegehilfskraft nach Deutschland gelockt worden war, aber bei der Einreise direkt zurückgeschickt wurde. „Ich habe ihm dann immer Mut gemacht, und er ist drangeblieben, hat Deutsch gelernt und sich aus der Heimat heraus einen Ausbildungsplatz zum Altenpfleger besorgt. Seit Mai ist er nun in Baden-Württemberg und ganz glücklich!“
Nicht selten erhält sie Dankesbriefe oder -anrufe von Menschen, denen sie vor langer Zeit geholfen hat. „Das waren zumeist so besondere Fälle, dass ich mich noch genau erinnern kann – wie an die Inderin, deren Mann während des Flugs verstarb, und immer, wenn sie wieder auf Reisen ist, denkt sie an uns. Viele Leute vergessen eben nicht, dass wir hier in einer schlimmen persönlichen Krise für sie da waren!“ Gerade für viele Ausländer spiele Religion eine große Rolle, „und denen müssen wir mit viel Sensibilität gerecht werden“, ist die Pfarrerin überzeugt. „Diese Menschen schätzen sehr, wenn sie hier religiöse Räume finden. Daher würde ich mir wünschen, dass auch alle Mitarbeitenden des Flughafens stärker wahrnehmen, dass wir etwas anbieten, das dem Einzelnen, dem Team, der Firma und dem ganzen Standort guttut!“
20. September 2024, 11.00 Uhr
Stephanie Kreuzer
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Am 15. Dezember findet in Frankfurt der Fahrplanwechsel im Nahverkehr statt. Fachkräftemangel und technische Probleme machen eine Rückkehr zum regulären Fahrplan weiterhin unmöglich.
Text: Florian Aupor / Foto: Foto: Die U6 an der Hauptwache © Adobe Stock/travelview
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