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Cannabis-Legalisierung

„Cannabis ist erst der Anfang“

Die Legalisierung kommt. Kiffen wird legal. Auf der CannabisConLive haben sich in Frankfurt Experten getroffen, um in die Zukunft zu schauen und Perspektiven aufzuzeigen.
Letzten Mittwoch fand die CannabisConLive im Kunstverein Montez statt. Eingeladen waren hochkarätige Gäste, Experten und Branchen-Insider. Was aktuell noch strafrechtlich verfolgt wird, eher als anrüchig gilt, ist dennoch in der Mitte der Gesellschaft angekommen und wirkt auf der Cannabis-Konferenz fast bürgerlich und in jedem Fall etabliert.

Den Auftakt der CannabisConLive machte Jens Barczewski, als Geschäftsführer im Bereich der Werbe-Strategie der Mediaplus Gruppe, der größten Mediaagentur Europas. Er führte eine erfolgte Online-Studie auf, die die Meinung von theoretischen Genuss- und Freizeitkonsumenten aufzeigt und sie gegenüberstellt. Unter den monatlichen Teilnehmern der Cannabis-Consumer-Online-Studie stachen diese beiden Gruppen besonders hervor, weshalb man auch den Fokus darauf legte. In der Online-Erhebung wurden monatlich 800 Personen unter anderem zu Themen wie Informationsstand über die Legalisierung, Interesse und Nutzungswahrscheinlichkeit befragt.

Cannabis in der Medizin

An der anschließenden Diskussion nahm unter anderem Jakob Sons teil, Mitgründer und Geschäftsführer der Cansative, einem Cannabis-Unternehmen. „Cannabis ist und bleibt eine Nische“, doch das Potenzial sei hoch. In der kommenden Legalisierung sieht er die Notwendigkeit, Cannabis neben dem Freizeitkonsum auch im medizinischen Rahmen mehr zu nutzen. Es sei wichtig, Therapiebedürfnisse der Patienten zu erkennen und die Therapie dann auch anzubieten. Darüber hinaus müsse man auch Ärzten und Apotheken eine Weiterbildung anbieten.

Klaus Madzia, hauptverantwortlich für den Marketing-Bereich bei der Cannovum Cannabis AG, sieht es kritischer. Ärzte würden auch mit einer Legalisierung Cannabis nicht als Medikation in der Breite verschreiben. Die Verwicklungen mit dem Pharmabereich seien doch zu groß dafür. Ärzte aufzuklären, sei ebenfalls sinnlos, weil diese ohnehin kein Interesse an der Aufklärung hätten. Die Gesellschaft sei weiter als die Politik. Akzeptanz und Legalisierung fänden auch nicht über Nacht statt, es sei ein langer Prozess. Kanada und Teile der USA würden zeigen, wie gut die Umsetzung der Legalisierung funktioniert. Konservative Kräfte würden ohnehin Kritik üben, würde es nicht Cannabis treffen, wären es andere Themen.

Wann Bubatz legal? Und Cannabis erst der Anfang?

Auf die Frage, wann die Legalisierung ihrer Meinung nach denn offiziell werden würde, wollten die meisten Diskussionsteilnehmer keine klare Einschätzung geben. Sons meinte, dass der Gesetzgeber sich verschätzt habe, doch bei einem Gelingen wäre es ein Policy-Change auf europäischer und auch auf weltweiter Ebene. Nur Roman Lemke, bekannt für seinen Podcast Sucht & Ordnung, der selbst viele Jahre drogenabhängig war und heute in der Suchtprävention arbeitet, gab eine Prognose ab.

Er halte 2025/2026 für realistisch und fügte hinzu, das viele Pläne des geleakten Eckpunktepapiers noch sehr ausbaufähig seien und man die Bestimmungen und die Umsetzung abwarten müsse. Lemke warf in den Raum, dass die Cannabis-Legalisierung erst der Anfang wäre. Er ist sich sicher, weitere psychotrope Substanzen würden auf Dauer folgen. Sei es Ketamin oder MDMA, aber auch Psychedelica wie Pilze oder LSD. Gerade in der Therapie würden psychedelische Therapiemethoden eine Zukunft haben.

Legalisierung mit Sozial-Romantik

Eine weitere Diskussionsrunde beschäftigte sich mit dem Gesetzesentwurf und den weiteren Schritten im Prozess der Legalisierung. Mit dabei Lito Michael Schulte, Jurist und Legalisierungsinfluecer. Er prognostizierte, dass die Cannabis-Clubs, die allesamt gemeinnützig werden sollen, auf Dauer wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen werden könnten. Die Branche sei keineswegs klein, doch damit die Pläne auch umsetzbar seien, werde von den Konsumenten ein funktionierender Markt erwartet. Er sieht im geleakten Eckpunktepapier eine gewisse Sozial-Romantik, die am Ende nicht haltbar sein werde.

Haufler: Es braucht die CDU

Auch Antonia Haufler übte Kritik an den Plänen der Bundesregierung. Die studierte Biochemikerin und Betriebsleiterin in der Pharmafirma HEYDAY war ehemalige Bundesgeschäftsführerin der Jungen Union. Aus Branchensicht empfiehlt sie, Ruhe zu bewahren. Die Pläne der Ampel-Regierung und des Gesundheitsministers wären Lippenbekenntnisse. Sie ist stattdessen überzeugt, statt der Ampelregierung bräuchte es die CDU, um zu legalisieren.

Kritisch blickt sie deshalb nach Bayern und erklärt den Widerstand gegen die Legalisierung mit den anstehenden Landtagswahlen. Ihre Erklärung: Man will sich in Bayern seine Wählerschaft nicht vergraulen. Auch die Junge Union habe sich mit dem Thema Cannabis auseinandergesetzt und Expertengespräche geführt, trotzdem habe man noch keine Mehrheitsmeinung dafür gefunden.

Bekifft Panzer fahren

Die Fragen, welche Richtlinien und Grenzwerte gelten werden und wie man mit der Substanz im Alltag umgehen wird, werden immer lauter. Dirk Heitepriem, Vize-Präsident des Branchenverbands für Cannabiswirtschaft, verweist auf die Planlosigkeit des Verkehrsministeriums im Bezug auf das Verkehrsrecht und zitiert den Minister mit den Worten „Es ist kompliziert“, dabei scheint die Wichtigkeit der Frage noch nicht im Ministerium angekommen zu sein. Die Politik müsse dieses Problem lösen.

Auch das Verteidigungsministerium habe bereits angefragt, wie man damit umgehen würde, wenn ein Soldat der Bundeswehr am Wochenende Cannabis konsumiert und Anfang der Woche wieder am Militärgerät sitze. Antonia Haufler verweist zudem auf das Bundesverfassungsgericht, das ohnehin zum Entscheidungsträger werden wird. Sie vermutet, wir seien mit dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Kipppunkt, aber wahrscheinlich würde die Legalisierung durchgehen.




Foto: (v.l) Moderator: Arne Löffel, Rocky K. Musleh, Finn A. Hänsel und Dr. med. Julian Wichmann © Till Taubmann

Legalisierung, was jetzt?

Auch der Großhandel findet sich zu einer weiteren Diskussion zusammen. Mit Rocky K. Musleh von der Kineo Medical nimmt ein bekannter Akteur des Cannabis-Business aus dem Rhein-Main-Gebiet teil. Wir berichteten bereits. Sein Unternehmen konnte zuletzt einen Vertrag mit der Stadt Hanau schließen, um im Rahmen der geplanten Legalisierung mit der Stadt zusammenzuarbeiten. Vertrauen auf kommunaler Ebene zu schaffen, sei das Ziel gewesen. Den Kommunen die Mitgestaltung näherzubringen und offen zu kommunizieren, damit sieht man sich auf dem richtigen Weg.

Finn A. Hänsel, Gründer des Berliner Cannabis-Start-Ups Sanity Group erklärt, dass die vorgelegten Pläne der Bundesregierung aus der Sicht der Industrie ein Rückschritt gewesen seien. Er bewertet die Modellprojekte trotzdem positiv. In der Schweiz gäbe es auch Bestrebungen, zu legalisieren. Dort seien Modellprojekte bereits angelaufen. Seine Firma unterstützt ein solches Modellprojekt derzeit und wendet Ideen, die man für Deutschland habe, nun in der Schweiz an. Doch mit Investitionen warte man vorerst ab, solange die Lage in Deutschland noch nicht geklärt ist.

Wichmann: In den nächsten zwölf Monaten wird viel passieren

Mit Dr. med. Julian Wichmann, Facharzt für Radiologie, ist auch der CEO von Algea Care dabei, einem Frankfurter Telemedizin-Unternehmen das inzwischen deutschlandweit neue Standorte aufgemacht hat und sich der Therapie mit Cannabis verschrieben hat. Auch er spricht von Vorbereitungen hinter den Kulissen, aber keineswegs große Investments. Er ist sich jedoch sicher, dass in den nächsten 12 Monaten viel passieren würde.

Entkriminalisierung – Reklassifizierung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz und schließlich die Öffnung von Cannabis-Clubs. Er kritisierte die oft nicht faktenbasierten Diskussionen, die meist emotional geführt würden. Fakten in regulierter Umgebung zu ziehen und die Ideologie beiseite zu lassen, sei seine Empfehlung. Aus Sicht eines Mediziners, sind sechs Jahre medizinisches Cannabis ein gutes Ergebnis. Das Risiko eine Psychose durch eine Medikation mit Cannabis zu erhalten, sei sehr gering und auch eine Sucht nicht wissenschaftlich belegt.

Woher kommt das Gras?

Auf die Frage wo das Cannabis überhaupt herkommen soll, können die Cannabis-Großhändler keine klare Prognose geben. Die Richtlinie, Cannabis stets regionalbezogen anzubauen und auch nur regional zu vertreiben, hält Hänsel aber für „Unsinn“. Am Beispiel von Berlin mit zirka 300 Tausend Konsumenten, wirft er die Frage in den Raum, wo man denn da anbauen wolle?

Clubs werden je nach Ausrichtung um die 1000 bis 1500 Konsumenten abfertigen können. Doch wie viele Clubs würden etwa in Frankfurt benötigt? Musleh schätzt, für alle Frankfurter Stadtteile würden zirka 15 Abgabestellen ausreichen. Wichmann prognostiziert, es sei nicht unwahrscheinlich, dass es am Anfang chaotisch werde. Im Ausland schaue man auf Deutschland.
 
Fotogalerie:
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26. Mai 2023, 12.45 Uhr
Till Taubmann
 
Till Christian Taubmann
Jahrgang 1997, Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Arbeit als freier Illustrator, seit Januar 2023 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Till Christian Taubmann >>
 
 
 
 
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