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Antisemitismus
Roger-Waters-Konzert in der Festhalle: Kein „Unfall“
Roger Waters tritt am Sonntag in der Festhalle auf. In der Paulskirche fand eine Gegenveranstaltung statt. Die Beteiligten sprachen sich klar gegen Antisemitismus als „Meinungsfreiheit“ aus.
Es wird leise im Saal der Paulskirche, die überschaubare Zahl von Menschen lauscht der dissonanten Musik vom Cellisten Frank Wolff. Stellenweise erinnert sein Spiel an einen schrillen Sirenengesang, mal zupft er hart einzelne Saiten. Die Musik verstört zuweilen, aber verstörend ist auch der Anlass des Abends am 24. Mai: Am Sonntag, den 28. Mai, darf Roger Waters sein Konzert in der Frankfurter Festhalle geben.
Der als Gegenveranstaltung konzipierte Abend steht unter dem Titel „Antisemitismus als Meinungsfreiheit? Nicht mit uns!“ Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Bündnis 90/Die Grünen) hat dazu eine klare Meinung: Städtische Bühnen dürften keine Plattform für Antisemiten sein. Sie finde es „unerträglich“, dass an einem solchen Ort ein Künstler auftritt, der sich immer wieder antisemitisch und israelfeindlich geäußert hat, und hätte vollends hinter der Magistratsentscheidung gestanden, das Konzert abzusagen.
Eskandari-Grünberg steht hinter Auftrittsabsage der Stadt von Roger Waters-Konzert
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das Konzert auf Eilantrag Waters doch stattfinden zu lassen, kann sie nicht verstehen: „Zu sagen, dass Waters kein Antisemit sei, liege nicht in der Kompetenz des Gerichts, finde ich.“ Bei einer kürzlichen Verlegung neuer Stolpersteine in der Stadt sei ihr in den Sinn gekommen, dass „Waters über 3000 Stolpersteine gehe vor der Festhalle“.
Was in der Festhalle nämlich in den Tagen nach der Pogromnacht 1938 passierte, sehen bzw. hören die Anwesenden eindrücklich im Film „Julius Meyer. November 1938“ vom Frankfurter Filmemacher Heiko Arendt: Mit bedächtig und teilweise trocken gesprochenen Schilderungen des Rechtsanwalts Julius Meyer, der selbst zu den Getriebenen in der Festhalle damals gehörte, führt der Film beinahe zeitdeckend das demütigende Geschehen vor.
Zu sehen sind Außenaufnahmen der Festhalle sowie historische Aufnahmen aus der Zeit, in der die Menschenmassen in der Festhalle festgehalten wurden. Meyers von Jochen Nix vorgetragene Erzählungen machen deutlich, wie sadistisch und doch auch wieder tumb die Peiniger die 3000 jüdischen Männer aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet behandelten.
Grünbaum: „Ist der Messe ihre Geschichte bekannt?“
Die anschließende Podiumsdiskussion, moderiert von der FAZ-Redakteurin Eva-Maria Magel, blickt noch tiefer in die antisemitischen Strukturen nicht nur bei Waters, sondern auch allgemein in der deutschen Gesellschaft. Marc Grünbaum von der Jüdischen Gemeinde wundert sich, dass die Messe bereits ein Konzert der Rockband Freiwild, der eine Nähe zu rechtsextremen Positionen nachgesagt wird, gestattet hat, Waters sei also kein „Unfall“. Er glaubt, dass die Messe ihrer Geschichte nicht bewusst ist.
Er weist auf die antisemitischen Codes hin, die Waters bei seinen Auftritten nutzt, die jedoch alle Anwesenden verstehen würden, weil der Antisemitismus eine Tradition in Deutschland hätte: Bei seinen Konzerten lasse Waters immer wieder einen Schweineluftballon, teils mit Davidstern oder anderen israelfeindlichen Symbolen, aufsteigen und später zerplatzen. Dann sollen die Zuschauer ihm den „Rest geben“, wohl gemerkt von Waters gesteuert. „Das ist Volksverhetzung und keine Meinungsfreiheit und dagegen müssen wir uns wehren“, sagt Grünbaum.
Journalistin Esther Schapira sieht öffentliche Bühnen nicht als Ort für Künstler wie Waters: Antisemitismus, Rassismus und anderes sei zwar erlaubt, aber es müssten keine Bühnen dafür gegeben werden. Solch eine Entscheidung sei keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wie das der Bundestag mit seinem Beschluss zur „Boycott, Divestment and Sanctions“-Bewegung ausgesagt hätte.
Ott: „Wir müssen uns anpassen, wie es auch der Antisemitismus getan hat“
Publizist Monty Ott sieht zwar den gesetzlichen Rahmen für Verfolgung von Antisemitismus, allerdings würden Behörden dann doch oft sagen, dass etwas kein Antisemitismus sei. Das Problem liege beim Anti-Antisemitismus der großen Mehrheit, die sich für aufgeklärt halte. Dahinter stehe aber eine „Leere“: Anti-Antisemitismus heißt nicht das gleiche wie Anti-Rassismus und bedeute Arbeit, die auch schmerzhaft sein könne. „Wir müssen uns anpassen, wie es auch der Antisemitismus getan hat.“
Um die Mehrheit zu mobilisieren, fordert er deshalb Bündnisse mit Anti-Rassisten, Feministinnen und weiteren. Grünbaum stimmt ihm zu, betont aber, dass die Shoa wie der Antisemitismus hochspezifisch und vor allem eine „Gegenrationalität“ gewesen sei, bei der es nicht etwa um ökonomische Interessen gegangen sei wie etwa beim Rassismus. Darum benötige der Umgang damit Differenzierungen.
Am 28. Mai, dem Tag des Roger-Waters-Konzerts, ist ab 16 Uhr eine Kundgebung vor der Festhalle geplant.
Der als Gegenveranstaltung konzipierte Abend steht unter dem Titel „Antisemitismus als Meinungsfreiheit? Nicht mit uns!“ Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Bündnis 90/Die Grünen) hat dazu eine klare Meinung: Städtische Bühnen dürften keine Plattform für Antisemiten sein. Sie finde es „unerträglich“, dass an einem solchen Ort ein Künstler auftritt, der sich immer wieder antisemitisch und israelfeindlich geäußert hat, und hätte vollends hinter der Magistratsentscheidung gestanden, das Konzert abzusagen.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das Konzert auf Eilantrag Waters doch stattfinden zu lassen, kann sie nicht verstehen: „Zu sagen, dass Waters kein Antisemit sei, liege nicht in der Kompetenz des Gerichts, finde ich.“ Bei einer kürzlichen Verlegung neuer Stolpersteine in der Stadt sei ihr in den Sinn gekommen, dass „Waters über 3000 Stolpersteine gehe vor der Festhalle“.
Was in der Festhalle nämlich in den Tagen nach der Pogromnacht 1938 passierte, sehen bzw. hören die Anwesenden eindrücklich im Film „Julius Meyer. November 1938“ vom Frankfurter Filmemacher Heiko Arendt: Mit bedächtig und teilweise trocken gesprochenen Schilderungen des Rechtsanwalts Julius Meyer, der selbst zu den Getriebenen in der Festhalle damals gehörte, führt der Film beinahe zeitdeckend das demütigende Geschehen vor.
Zu sehen sind Außenaufnahmen der Festhalle sowie historische Aufnahmen aus der Zeit, in der die Menschenmassen in der Festhalle festgehalten wurden. Meyers von Jochen Nix vorgetragene Erzählungen machen deutlich, wie sadistisch und doch auch wieder tumb die Peiniger die 3000 jüdischen Männer aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet behandelten.
Die anschließende Podiumsdiskussion, moderiert von der FAZ-Redakteurin Eva-Maria Magel, blickt noch tiefer in die antisemitischen Strukturen nicht nur bei Waters, sondern auch allgemein in der deutschen Gesellschaft. Marc Grünbaum von der Jüdischen Gemeinde wundert sich, dass die Messe bereits ein Konzert der Rockband Freiwild, der eine Nähe zu rechtsextremen Positionen nachgesagt wird, gestattet hat, Waters sei also kein „Unfall“. Er glaubt, dass die Messe ihrer Geschichte nicht bewusst ist.
Er weist auf die antisemitischen Codes hin, die Waters bei seinen Auftritten nutzt, die jedoch alle Anwesenden verstehen würden, weil der Antisemitismus eine Tradition in Deutschland hätte: Bei seinen Konzerten lasse Waters immer wieder einen Schweineluftballon, teils mit Davidstern oder anderen israelfeindlichen Symbolen, aufsteigen und später zerplatzen. Dann sollen die Zuschauer ihm den „Rest geben“, wohl gemerkt von Waters gesteuert. „Das ist Volksverhetzung und keine Meinungsfreiheit und dagegen müssen wir uns wehren“, sagt Grünbaum.
Journalistin Esther Schapira sieht öffentliche Bühnen nicht als Ort für Künstler wie Waters: Antisemitismus, Rassismus und anderes sei zwar erlaubt, aber es müssten keine Bühnen dafür gegeben werden. Solch eine Entscheidung sei keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wie das der Bundestag mit seinem Beschluss zur „Boycott, Divestment and Sanctions“-Bewegung ausgesagt hätte.
Publizist Monty Ott sieht zwar den gesetzlichen Rahmen für Verfolgung von Antisemitismus, allerdings würden Behörden dann doch oft sagen, dass etwas kein Antisemitismus sei. Das Problem liege beim Anti-Antisemitismus der großen Mehrheit, die sich für aufgeklärt halte. Dahinter stehe aber eine „Leere“: Anti-Antisemitismus heißt nicht das gleiche wie Anti-Rassismus und bedeute Arbeit, die auch schmerzhaft sein könne. „Wir müssen uns anpassen, wie es auch der Antisemitismus getan hat.“
Um die Mehrheit zu mobilisieren, fordert er deshalb Bündnisse mit Anti-Rassisten, Feministinnen und weiteren. Grünbaum stimmt ihm zu, betont aber, dass die Shoa wie der Antisemitismus hochspezifisch und vor allem eine „Gegenrationalität“ gewesen sei, bei der es nicht etwa um ökonomische Interessen gegangen sei wie etwa beim Rassismus. Darum benötige der Umgang damit Differenzierungen.
Am 28. Mai, dem Tag des Roger-Waters-Konzerts, ist ab 16 Uhr eine Kundgebung vor der Festhalle geplant.
25. Mai 2023, 12.29 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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6. November 2024
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