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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Goethe-Uni arbeiten teils in prekären Arbeitsverhältnissen © leg (Archivbild)
Angestellte an der Goethe-Uni
„Wir arbeiten am Limit des Möglichen“
Mitarbeiter an der Frankfurter Goethe-Uni fordern bessere Arbeitsbedingungen. Doktorand Luca Schepers spricht im Interview mit dem JOURNAL über prekäre Arbeitsverhältnisse und Solidarität unter Studierenden.
Herr Schepers, Sie sind wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität, waren aber vorher auch mal studentische Hilfskraft. Was ist das Problem, wenn man als Hilfskraft arbeitet?
Es gibt keinen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte, das ist seit Jahren die Forderung der Gewerkschaften. Es gibt Regelungen für Hilfskräfte wie zum Beispiel den Mindestlohn, aber es fehlen die Sicherheiten. Du darfst nur eine gewisse Anzahl an Stunden im Monat arbeiten, weil es als Nebentätigkeit gedacht ist, die dein Studium nicht beeinträchtigen soll. Die Kombination aus nicht so guter Bezahlung und wenig Stunden macht es für viele Leute, die ihr Studium durch Lohnarbeit finanzieren müssen, unmöglich, solche Hilfskraftjobs zu machen.
Haben Sie das als Hilfskraft auch zu spüren bekommen?
Ich selbst war in einer relativ komfortablen Situation, weil der Job nicht meine einzige Einkommensquelle war. Aber das Machtgefälle habe ich schnell kennengelernt: Man hat wenig Möglichkeiten, sich zu wehren. Ich habe auch mal an Wochenenden oder Feiertagen gearbeitet. Einfach aus der Geste heraus: Naja, das muss jetzt fertig werden. Selten habe ich dagegen gesagt, dass ich etwas nicht mehr schaffe. Wir haben uns aber auch gewehrt. Zum Beispiel haben wir als Gruppe mithilfe des Gleichstellungsteams die Schaffung einer hauptamtlichen studentischen Gleichstellungsbeauftragten erreicht, die vorher ehrenamtlich tätig war. Das zeigt, dass es sich immer lohnt, sich als Hilfskräfte gemeinschaftlich zusammenzutun.
Prekäre Arbeitsbedingungen an Universitäten wie der Goethe-Uni: „Hauptproblem ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz“
Nun schreiben Sie nebenbei Ihre Doktorarbeit. Wie sind da für Sie die Arbeitsbedingungen?
Das Hauptproblem ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Heißt momentan: Bis zur ersten Qualifikation, bis zum Doktor, darf man nur sechs Jahre befristet an der Uni arbeiten. Mein Vertrag läuft immer nur ein Jahr und ich muss mich dann erneut darum kümmern, dass er verlängert wird. In der freien Wirtschaft ist das nicht erlaubt, nach einer Zeit muss man unbefristet angestellt werden.
An der Uni ist ein sehr großer Teil befristet beschäftigt. Wenn ich in sechs Jahren meinen Doktor habe, komme ich in die zweite Phase, die PostDoc-Phase, die wieder sechs Jahre befristet ist. Und wenn ich danach keinen unbefristeten Vertrag bekomme, darf ich nicht mehr an der Uni arbeiten.
Was steckt dahinter?
Nach dem Bachelor- und Masterstudium bin ich zwölf Jahre noch in einer Ausbildungsphase ohne unbefristeten Vertrag. Im Gesetz wird man als wissenschaftlicher Nachwuchs bezeichnet. Das Argument dahinter: Die Leute sollen nicht ewig die Stellen besetzen. Das ist auch okay, damit Leute nachkommen können.
„Man bräuchte eine bessere Verteilung von Geld und mehr Stellen“
Aber?
Das Problem ist, dass die Unis wie die Goethe-Uni so kaputtgespart werden. Ich muss so viel arbeiten neben der Forschung, dass ich dieselbe in meiner Arbeitszeit überhaupt nicht schaffen kann. Das gilt besonders für die Geisteswissenschaften, wo mit immer weniger Geld immer mehr gemacht werden muss. Mit mehr Studierenden, weil die Zahlen seit Jahren steigen. Und gleichzeitig gibt die Uni uns weniger Geld, sprich auch: weniger Stellen, um das zu bewältigen. Eins von beiden leidet, entweder die Lehre oder die Forschung.
Zudem werden junge Forschende durch den immer stärker werdenden Fokus auf Drittmittelprojekte gespalten: Die einen können durch Stipendien relativ frei ihrer Forschung nachgehen, während die anderen die Lehre an der Uni aufrechterhalten. So kommt auch untereinander ein Konkurrenzdenken auf, obwohl wir am Ende alle im selben Boot sitzen.
Wo landet denn das Geld sonst?
Die Uni hat offenbar für alle möglichen Sachen Geld, für irgendwelche fancy klingenden Forschungszentren, in denen dann rechte Professorinnen wie Susanne Schröter drinsitzen, aber nicht für die Grundausstattung. Die ist aber zwingend notwendig, um den alltäglichen Betrieb, die Ausbildung von Studierenden, sicherzustellen und den Lehrenden auch Zeit für die Betreuung für die Studierenden einzuräumen. Wir arbeiten am Limit des Möglichen, erhalten gerade so die Studiengänge aufrecht. Aber mehr können wir nicht leisten.
„Es geht nur darum, wie man Leute fit für den Arbeitsmarkt machen kann“
Was müsste sich ändern, einfach nur mehr Geld?
Man bräuchte eine bessere Verteilung von Geldern und mehr Stellen. Aber das Problem wäre nicht gelöst, wenn man sagt: Man braucht einfach nur zehn Milliarden und dann läuft das schon irgendwie. Sondern man muss auch darüber nachdenken, wie Universität eigentlich aussehen soll.
Wie meinen Sie das?
Die Goethe-Uni ist ein Paradebeispiel dafür, wie extrem kapitalisiert und neoliberalisiert die Unis sind. Es geht nur darum, wie man Leute fit für den Arbeitsmarkt machen kann, und sie sollen möglichst schnell durch die Uni durchgebracht werden. Ein Großteil von kritischer, auch geisteswissenschaftlicher Forschung wird meiner Erfahrung nach letzten Endes als irrelevant angesehen. An der Goethe-Uni merkt man am Umgang mit zum Beispiel der Besetzung der Dondorf-Druckerei oder der Hörsaalbesetzung 2022, dass das Präsidium kein Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung mit den Studierenden hat, obwohl es viele politisch engagierte, kluge Studierende gibt.
Man müsste anders darüber nachdenken, wie Lehrstühle organisiert sind. Zum Beispiel die Machtfülle eines Professors, der sich seine Assistenten und seine Sekretäre aussuchen kann. Sollte es das so noch geben? Könnte man nicht ein System entwickeln, in dem Leute mit verschiedenen Aufgaben an einem gemeinsamen Lehrstuhl arbeiten ohne übergeordnete Autorität?
Info
Luca Schepers ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Medienwissenschaft an der Goethe Universität.
© Goethe Universität
Es gibt keinen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte, das ist seit Jahren die Forderung der Gewerkschaften. Es gibt Regelungen für Hilfskräfte wie zum Beispiel den Mindestlohn, aber es fehlen die Sicherheiten. Du darfst nur eine gewisse Anzahl an Stunden im Monat arbeiten, weil es als Nebentätigkeit gedacht ist, die dein Studium nicht beeinträchtigen soll. Die Kombination aus nicht so guter Bezahlung und wenig Stunden macht es für viele Leute, die ihr Studium durch Lohnarbeit finanzieren müssen, unmöglich, solche Hilfskraftjobs zu machen.
Haben Sie das als Hilfskraft auch zu spüren bekommen?
Ich selbst war in einer relativ komfortablen Situation, weil der Job nicht meine einzige Einkommensquelle war. Aber das Machtgefälle habe ich schnell kennengelernt: Man hat wenig Möglichkeiten, sich zu wehren. Ich habe auch mal an Wochenenden oder Feiertagen gearbeitet. Einfach aus der Geste heraus: Naja, das muss jetzt fertig werden. Selten habe ich dagegen gesagt, dass ich etwas nicht mehr schaffe. Wir haben uns aber auch gewehrt. Zum Beispiel haben wir als Gruppe mithilfe des Gleichstellungsteams die Schaffung einer hauptamtlichen studentischen Gleichstellungsbeauftragten erreicht, die vorher ehrenamtlich tätig war. Das zeigt, dass es sich immer lohnt, sich als Hilfskräfte gemeinschaftlich zusammenzutun.
Nun schreiben Sie nebenbei Ihre Doktorarbeit. Wie sind da für Sie die Arbeitsbedingungen?
Das Hauptproblem ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Heißt momentan: Bis zur ersten Qualifikation, bis zum Doktor, darf man nur sechs Jahre befristet an der Uni arbeiten. Mein Vertrag läuft immer nur ein Jahr und ich muss mich dann erneut darum kümmern, dass er verlängert wird. In der freien Wirtschaft ist das nicht erlaubt, nach einer Zeit muss man unbefristet angestellt werden.
An der Uni ist ein sehr großer Teil befristet beschäftigt. Wenn ich in sechs Jahren meinen Doktor habe, komme ich in die zweite Phase, die PostDoc-Phase, die wieder sechs Jahre befristet ist. Und wenn ich danach keinen unbefristeten Vertrag bekomme, darf ich nicht mehr an der Uni arbeiten.
Was steckt dahinter?
Nach dem Bachelor- und Masterstudium bin ich zwölf Jahre noch in einer Ausbildungsphase ohne unbefristeten Vertrag. Im Gesetz wird man als wissenschaftlicher Nachwuchs bezeichnet. Das Argument dahinter: Die Leute sollen nicht ewig die Stellen besetzen. Das ist auch okay, damit Leute nachkommen können.
Aber?
Das Problem ist, dass die Unis wie die Goethe-Uni so kaputtgespart werden. Ich muss so viel arbeiten neben der Forschung, dass ich dieselbe in meiner Arbeitszeit überhaupt nicht schaffen kann. Das gilt besonders für die Geisteswissenschaften, wo mit immer weniger Geld immer mehr gemacht werden muss. Mit mehr Studierenden, weil die Zahlen seit Jahren steigen. Und gleichzeitig gibt die Uni uns weniger Geld, sprich auch: weniger Stellen, um das zu bewältigen. Eins von beiden leidet, entweder die Lehre oder die Forschung.
Zudem werden junge Forschende durch den immer stärker werdenden Fokus auf Drittmittelprojekte gespalten: Die einen können durch Stipendien relativ frei ihrer Forschung nachgehen, während die anderen die Lehre an der Uni aufrechterhalten. So kommt auch untereinander ein Konkurrenzdenken auf, obwohl wir am Ende alle im selben Boot sitzen.
Wo landet denn das Geld sonst?
Die Uni hat offenbar für alle möglichen Sachen Geld, für irgendwelche fancy klingenden Forschungszentren, in denen dann rechte Professorinnen wie Susanne Schröter drinsitzen, aber nicht für die Grundausstattung. Die ist aber zwingend notwendig, um den alltäglichen Betrieb, die Ausbildung von Studierenden, sicherzustellen und den Lehrenden auch Zeit für die Betreuung für die Studierenden einzuräumen. Wir arbeiten am Limit des Möglichen, erhalten gerade so die Studiengänge aufrecht. Aber mehr können wir nicht leisten.
Was müsste sich ändern, einfach nur mehr Geld?
Man bräuchte eine bessere Verteilung von Geldern und mehr Stellen. Aber das Problem wäre nicht gelöst, wenn man sagt: Man braucht einfach nur zehn Milliarden und dann läuft das schon irgendwie. Sondern man muss auch darüber nachdenken, wie Universität eigentlich aussehen soll.
Wie meinen Sie das?
Die Goethe-Uni ist ein Paradebeispiel dafür, wie extrem kapitalisiert und neoliberalisiert die Unis sind. Es geht nur darum, wie man Leute fit für den Arbeitsmarkt machen kann, und sie sollen möglichst schnell durch die Uni durchgebracht werden. Ein Großteil von kritischer, auch geisteswissenschaftlicher Forschung wird meiner Erfahrung nach letzten Endes als irrelevant angesehen. An der Goethe-Uni merkt man am Umgang mit zum Beispiel der Besetzung der Dondorf-Druckerei oder der Hörsaalbesetzung 2022, dass das Präsidium kein Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung mit den Studierenden hat, obwohl es viele politisch engagierte, kluge Studierende gibt.
Man müsste anders darüber nachdenken, wie Lehrstühle organisiert sind. Zum Beispiel die Machtfülle eines Professors, der sich seine Assistenten und seine Sekretäre aussuchen kann. Sollte es das so noch geben? Könnte man nicht ein System entwickeln, in dem Leute mit verschiedenen Aufgaben an einem gemeinsamen Lehrstuhl arbeiten ohne übergeordnete Autorität?
Luca Schepers ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Medienwissenschaft an der Goethe Universität.
© Goethe Universität
6. Februar 2024, 11.02 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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25. November 2024
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