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Peter Fischer im Interview
„Für eine Haltung musst du kein Superman sein"
Peter Fischer, Präsident von Eintracht Frankfurt, engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rassismus und Diskriminierung. Im Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT hat er über sein Engagement, Menschenrechte und die AfD gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Im Dezember 1948, also vor 70 Jahren, haben die Vereinten Nationen die Menschenrechte formuliert. Zum Jahrestag am 10.12.2018 haben Sie bei einer Veranstaltung von Amnesty International über Rassismus gesprochen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Peter Fischer: Wir haben große Schnittmengen, bei dem was ich mit Eintracht Frankfurt und außerhalb des Vereins mache. Das betrifft Themen wie Respekt, Integration und Solidarität. Ich bin kein Aktivist von Amnesty International, aber wenn ich helfen kann, stehe ich zur Verfügung.
Auch heutzutage ist die Einhaltung der Menschenrechte ein aktuelles Thema und längst nicht selbstverständlich.
Man muss nur einen Tag oder eine Woche Nachrichten hören und wird spätestens dann erkennen, wie wichtig eine Organisation wie Amnesty International ist. Weltweit werden Menschen vertrieben, ohne Rechtsgrundlage eingesperrt oder rassistisch getrennt. Amnesty International gibt den Toten ein Gehör und den in Gefängnissen Eingesperrten die Chance, sich zu verteidigen.
Wie möchten Sie dabei helfen?
Ich möchte Inhalte vermitteln und Sorgen. Wir hatten das alles schon mal hier in diesem Land und in Europa. Damals haben Menschen ihr Kreuz gemacht und wussten nicht, dass viele Millionen Juden umgebracht werden. Und heute können wir uns nicht verstecken und sagen, wir wissen das alles nicht.
Was kann der Sport im Kampf gegen Diskriminierung leisten?
Sport ist natürlich kein Allheilmittel. Wir reden gar nicht von Weltpolitik, aber von kleinen Dingen. In einem Verein habe ich eine gute Basis, eine Nachricht zu vermitteln: Lernt euch erstmal kennen und wenn ihr euch besser kennenlernt, werdet ihr euch auch besser verstehen. Das ist der kleinste Nenner, den es gibt.
Für dieses Miteinander steht der Verein Eintracht Frankfurt, dem Sie seit über 18 Jahren als Präsident vorstehen.
Ich bin stolz auf eine Entwicklung, die ich hier zuhause in meinem eigenen Verein erlebe. Unsere 63000 Mitglieder kommen aus über 100 Nationen. Die gewinnen zusammen und verlieren zusammen, auf jeder Ebene, vom Babyturnen bis zum Hochleistungssport.
Rassismus im Sport scheint vor allem ein Problem des Fußballs zu sein. Haben Sie als ehemaliger Basketball-Spieler auch in anderen Sportarten Diskriminierung erlebt?
Im Basketball war es total normal, dass ich mit schwarzen Soldaten gespielt habe. Irgendwann wurde in den höheren Ligen Englisch zur Umgangssprache, weil wir eben mit Türken, Griechen, Kroaten und Amerikanern gespielt haben. In Sportarten außerhalb des Fußballs habe ich Beleidigungen und Ausgrenzung noch nie so extrem wahrgenommen.
Anfang November 2018 wurden Fußballspieler ihrer Bundesliga-Mannschaft beim Europa League-Spiel auf Zypern mit dem Hitlergruß und Affenlauten begrüßt. Wie häufig erleben Sie Erfahrungen wie diese im sportlichen Alltag?
Dieses Problem gibt es in der Bundesliga genauso wie in der untersten Liga. In der Kreisklasse werden Spieler auf dem Rasen mit „Scheißtürke“ und „Drecksjude“ beschimpft. In vielen Vereinen spielen Athleten, die eine andere Hautfarbe haben, aus einem anderen Land kommen oder einen anderen Gott anbeten. Wenn diese Spieler ein Tor schießen, sind sie super. Wenn nicht, werden rassistische Parolen geschrien. Das ist vollkommen schizophren.
Gerade im Osten Deutschlands sind Fußball-Fanszenen aktiv, die rechtsorientiert und nationalistisch sind.
Es gibt eine unschöne Entwicklung in diesen Kurven; das sind hochkriminelle und hochorganisierte Szenen. Dahinter stehen oft bildungsschwache Menschen und Randgruppen, die sich in der Geborgenheit ihrer Glatzen, ihrer Springerstiefel, ihrer Lieder und Bierdosen wohlfühlen. Dort schrecken Verantwortliche vor einer öffentlichen Haltung zurück, auch aus Angst vor dem rechten Pöbel.
Aus dem Frankfurter Stadion sind solche Vorfälle nicht bekannt.
Wir schließen solche Leute aus. Meine Kurve ist bunt, bunter geht es überhaupt nicht. Wenn bei uns einer den Hitlergruß zeigen würde, wäre der Arm vermutlich mehrfach gebrochen und derjenige würde wohl auch keinen Platz in der Straßenbahn finden und müsste ins Krankenhaus laufen.
Die Frankfurter Fans engagieren sich seit Jahren für Toleranz. 1992 ist die Aktion „United Colours of Bembeltown” gestartet, 2014 hat ein Fanprojekt das Antlitz von Eintracht-Legende Anthony Yeboah an eine Hauswand gesprüht.
Als Fans vor 27 Jahren die „United Colours of Bembeltown“ gestartet haben, war ich noch nicht Präsident von Eintracht Frankfurt. Diese Haltung war schon in der DNA dieses Vereins und darauf bin ich irre stolz. Dafür haben die Anhänger keinen Peter Fischer gebraucht.
Aber Sie können das Thema als Eintracht-Präsident noch populärer machen.
Ich kann auftreten und mich engagieren. Aber die Kraft kommt aus der Kurve, von all den Leuten, die dort stehen.
Sie engagieren sich über Ihren Verein hinaus, haben schon im Europaparlament und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen. Das Thema scheint eine Herzensangelegenheit für Sie zu sein.
Es gibt eine Entwicklung in Deutschland und Europa, die ich mit großer Sorge sehe. Ich fühle mich, meinen Verein und mein Land von Nationalisten und Populisten bedroht. Deshalb habe ich gesagt: Stopp, nicht mit mir! Stopp, nicht mit uns! Stopp, nicht mit diesem Verein!
Im Januar 2018 sorgten Sie mit der Aussage, dass AfD-Wähler nicht die Werte Ihres Vereins repräsentieren können, für Aufsehen. Daraufhin haben Sie nicht nur positive Rückmeldungen bekommen.
Ich habe Drohungen gegen meine Familie und mich bekommen. In diesen Momenten weiß ich, dass es wichtig ist, etwas zu tun. Es gibt Menschen, die das nicht aushalten und durchmachen wollen. Dafür habe ich ein Riesenverständnis.
Was bestärkt Sie, weiterzumachen?
Ich bekomme viele Rückmeldungen von Menschen, die mit dem Sport nichts zu tun haben. Es gibt auch Fans von sportlichen Konkurrenten aus Offenbach oder Schalke, die mir schreiben: „Wir sind in den Farben getrennt, aber weil du Kante zeigst, trete ich in deinen Verein ein.“
In der Fußballbranche gehören Sie zu den wenigen Amtsträgern, die sich so klar gegen die AfD stellen.
Ich will mich weder überhöhen, noch überschätzen. Es gibt mehr Menschen, die wach geworden sind und sich wehren. Was mich von anderen Menschen auf der Straße unterscheidet, ist mein Amt. Es ist das Amt, das mir eine Bühne bringt. Wenn es mit der Eintracht gerade ein bisschen besser geht, dann ist das Amt natürlich noch etwas glänzender.
Ist es nicht traurig, dass Sie mit ihrer Haltung so sehr auffallen?
Das ist erschreckend. Ich könnte jeden Tag viele Termine rund um dieses Thema wahrnehmen, aber das schaffe ich nicht. Wenn ich gebeten werde, andere Redner vorzuschlagen, komme ich ins Grübeln. Ich kenne in meinem sozialen Umfeld genügend Leute mit Haltung, aber es gibt wenige, die das mit einem Amt verbinden können.
Ihre Aussagen sind auch als Appell an andere Amtsinhaber zu verstehen, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein.
Die Politik kann das kaum noch transportieren. Diese Nachricht muss woanders herkommen. In Deutschland gibt es Millionen von Organisationen, vom Sportclub bis zum Dackelzüchterverein, die viele Menschen erreichen können. Das ist am Ende die einzige Chance, aus dem braunen Müll herauszukommen. Deshalb rufe ich andere Menschen, die eine Plattform haben, auf, klare Kante zu zeigen. Das tut nicht weh. Dafür musst du auch nicht Superman sein, das ist einfach eine Frage der Haltung.
Dieses Interview ist ursprünglich in der Ausgabe 12/18 im JOURNAL FRANKFURT erschienen. Der Text wurde für die Online-Version aktualisiert.
Peter Fischer: Wir haben große Schnittmengen, bei dem was ich mit Eintracht Frankfurt und außerhalb des Vereins mache. Das betrifft Themen wie Respekt, Integration und Solidarität. Ich bin kein Aktivist von Amnesty International, aber wenn ich helfen kann, stehe ich zur Verfügung.
Auch heutzutage ist die Einhaltung der Menschenrechte ein aktuelles Thema und längst nicht selbstverständlich.
Man muss nur einen Tag oder eine Woche Nachrichten hören und wird spätestens dann erkennen, wie wichtig eine Organisation wie Amnesty International ist. Weltweit werden Menschen vertrieben, ohne Rechtsgrundlage eingesperrt oder rassistisch getrennt. Amnesty International gibt den Toten ein Gehör und den in Gefängnissen Eingesperrten die Chance, sich zu verteidigen.
Wie möchten Sie dabei helfen?
Ich möchte Inhalte vermitteln und Sorgen. Wir hatten das alles schon mal hier in diesem Land und in Europa. Damals haben Menschen ihr Kreuz gemacht und wussten nicht, dass viele Millionen Juden umgebracht werden. Und heute können wir uns nicht verstecken und sagen, wir wissen das alles nicht.
Was kann der Sport im Kampf gegen Diskriminierung leisten?
Sport ist natürlich kein Allheilmittel. Wir reden gar nicht von Weltpolitik, aber von kleinen Dingen. In einem Verein habe ich eine gute Basis, eine Nachricht zu vermitteln: Lernt euch erstmal kennen und wenn ihr euch besser kennenlernt, werdet ihr euch auch besser verstehen. Das ist der kleinste Nenner, den es gibt.
Für dieses Miteinander steht der Verein Eintracht Frankfurt, dem Sie seit über 18 Jahren als Präsident vorstehen.
Ich bin stolz auf eine Entwicklung, die ich hier zuhause in meinem eigenen Verein erlebe. Unsere 63000 Mitglieder kommen aus über 100 Nationen. Die gewinnen zusammen und verlieren zusammen, auf jeder Ebene, vom Babyturnen bis zum Hochleistungssport.
Rassismus im Sport scheint vor allem ein Problem des Fußballs zu sein. Haben Sie als ehemaliger Basketball-Spieler auch in anderen Sportarten Diskriminierung erlebt?
Im Basketball war es total normal, dass ich mit schwarzen Soldaten gespielt habe. Irgendwann wurde in den höheren Ligen Englisch zur Umgangssprache, weil wir eben mit Türken, Griechen, Kroaten und Amerikanern gespielt haben. In Sportarten außerhalb des Fußballs habe ich Beleidigungen und Ausgrenzung noch nie so extrem wahrgenommen.
Anfang November 2018 wurden Fußballspieler ihrer Bundesliga-Mannschaft beim Europa League-Spiel auf Zypern mit dem Hitlergruß und Affenlauten begrüßt. Wie häufig erleben Sie Erfahrungen wie diese im sportlichen Alltag?
Dieses Problem gibt es in der Bundesliga genauso wie in der untersten Liga. In der Kreisklasse werden Spieler auf dem Rasen mit „Scheißtürke“ und „Drecksjude“ beschimpft. In vielen Vereinen spielen Athleten, die eine andere Hautfarbe haben, aus einem anderen Land kommen oder einen anderen Gott anbeten. Wenn diese Spieler ein Tor schießen, sind sie super. Wenn nicht, werden rassistische Parolen geschrien. Das ist vollkommen schizophren.
Gerade im Osten Deutschlands sind Fußball-Fanszenen aktiv, die rechtsorientiert und nationalistisch sind.
Es gibt eine unschöne Entwicklung in diesen Kurven; das sind hochkriminelle und hochorganisierte Szenen. Dahinter stehen oft bildungsschwache Menschen und Randgruppen, die sich in der Geborgenheit ihrer Glatzen, ihrer Springerstiefel, ihrer Lieder und Bierdosen wohlfühlen. Dort schrecken Verantwortliche vor einer öffentlichen Haltung zurück, auch aus Angst vor dem rechten Pöbel.
Aus dem Frankfurter Stadion sind solche Vorfälle nicht bekannt.
Wir schließen solche Leute aus. Meine Kurve ist bunt, bunter geht es überhaupt nicht. Wenn bei uns einer den Hitlergruß zeigen würde, wäre der Arm vermutlich mehrfach gebrochen und derjenige würde wohl auch keinen Platz in der Straßenbahn finden und müsste ins Krankenhaus laufen.
Die Frankfurter Fans engagieren sich seit Jahren für Toleranz. 1992 ist die Aktion „United Colours of Bembeltown” gestartet, 2014 hat ein Fanprojekt das Antlitz von Eintracht-Legende Anthony Yeboah an eine Hauswand gesprüht.
Als Fans vor 27 Jahren die „United Colours of Bembeltown“ gestartet haben, war ich noch nicht Präsident von Eintracht Frankfurt. Diese Haltung war schon in der DNA dieses Vereins und darauf bin ich irre stolz. Dafür haben die Anhänger keinen Peter Fischer gebraucht.
Aber Sie können das Thema als Eintracht-Präsident noch populärer machen.
Ich kann auftreten und mich engagieren. Aber die Kraft kommt aus der Kurve, von all den Leuten, die dort stehen.
Sie engagieren sich über Ihren Verein hinaus, haben schon im Europaparlament und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen. Das Thema scheint eine Herzensangelegenheit für Sie zu sein.
Es gibt eine Entwicklung in Deutschland und Europa, die ich mit großer Sorge sehe. Ich fühle mich, meinen Verein und mein Land von Nationalisten und Populisten bedroht. Deshalb habe ich gesagt: Stopp, nicht mit mir! Stopp, nicht mit uns! Stopp, nicht mit diesem Verein!
Im Januar 2018 sorgten Sie mit der Aussage, dass AfD-Wähler nicht die Werte Ihres Vereins repräsentieren können, für Aufsehen. Daraufhin haben Sie nicht nur positive Rückmeldungen bekommen.
Ich habe Drohungen gegen meine Familie und mich bekommen. In diesen Momenten weiß ich, dass es wichtig ist, etwas zu tun. Es gibt Menschen, die das nicht aushalten und durchmachen wollen. Dafür habe ich ein Riesenverständnis.
Was bestärkt Sie, weiterzumachen?
Ich bekomme viele Rückmeldungen von Menschen, die mit dem Sport nichts zu tun haben. Es gibt auch Fans von sportlichen Konkurrenten aus Offenbach oder Schalke, die mir schreiben: „Wir sind in den Farben getrennt, aber weil du Kante zeigst, trete ich in deinen Verein ein.“
In der Fußballbranche gehören Sie zu den wenigen Amtsträgern, die sich so klar gegen die AfD stellen.
Ich will mich weder überhöhen, noch überschätzen. Es gibt mehr Menschen, die wach geworden sind und sich wehren. Was mich von anderen Menschen auf der Straße unterscheidet, ist mein Amt. Es ist das Amt, das mir eine Bühne bringt. Wenn es mit der Eintracht gerade ein bisschen besser geht, dann ist das Amt natürlich noch etwas glänzender.
Ist es nicht traurig, dass Sie mit ihrer Haltung so sehr auffallen?
Das ist erschreckend. Ich könnte jeden Tag viele Termine rund um dieses Thema wahrnehmen, aber das schaffe ich nicht. Wenn ich gebeten werde, andere Redner vorzuschlagen, komme ich ins Grübeln. Ich kenne in meinem sozialen Umfeld genügend Leute mit Haltung, aber es gibt wenige, die das mit einem Amt verbinden können.
Ihre Aussagen sind auch als Appell an andere Amtsinhaber zu verstehen, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein.
Die Politik kann das kaum noch transportieren. Diese Nachricht muss woanders herkommen. In Deutschland gibt es Millionen von Organisationen, vom Sportclub bis zum Dackelzüchterverein, die viele Menschen erreichen können. Das ist am Ende die einzige Chance, aus dem braunen Müll herauszukommen. Deshalb rufe ich andere Menschen, die eine Plattform haben, auf, klare Kante zu zeigen. Das tut nicht weh. Dafür musst du auch nicht Superman sein, das ist einfach eine Frage der Haltung.
Dieses Interview ist ursprünglich in der Ausgabe 12/18 im JOURNAL FRANKFURT erschienen. Der Text wurde für die Online-Version aktualisiert.
9. Januar 2019, 12.20 Uhr
Nicole Nadine Seliger
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Text: Detlef Kinsler / Foto: Dreifach-Torschützin Laura Freigang © Detlef Kinsler
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