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Gesichter der Stadt

Eintracht-Spielerin Anyomi: „Frauenfußball ist ehrlicher als der der Männer“

Stürmerin Nicole Anyomi steht seit 2021 bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag. Mit dem JOURNAL spricht sie u.a. über Frauen- und Männerfußball. Die Eintracht-Frauen spielen heute um den Einzug in die CL.
Frankfurt, Waldstadion, 9. September, Endspiel des Champions League-Miniturniers gegen Juventus Turin. Gerade einmal acht Minuten waren gespielt, da störte Nicole Anyomi ihre Gegenspielerin beim Spielaufbau und eroberte mit starkem Körpereinsatz den Ball, passte zu Lara Prašnikar, die aussichtsreich vorm Turiner Tor allerdings im Abseits stand. Das hätte die frühe Führung werden können. In der zweiten Halbzeit war es erneut Anyomi, die mit ihrer Schnelligkeit ein Laufduell gewann, in den Strafraum eindrang und mustergültig wie uneigennützig wiederum die mitgelaufene Prašnikar bediente, die zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich einschob.

„Man sieht jemandem an, wenn er auf der Straße gespielt hat“

Zwar war am Ende Torhüterin Stina Johannes nach zwei gehaltenen Elfmetern, die den 6:5-Sieg sicherten, die Matchwinnerin, aber Anyomi hatte mit ihrer Dynamik nicht unerheblichen Anteil daran, dass die Mannschaft weiter von Eintracht international träumen kann. Von klassischem Offensivfußball spricht Anyomi dann, auf den Spielstil der Eintracht-Frauen angesprochen. „Die Art und Weise, wie wir Fußball spielen, aggressiv, schnell, konterstark, nach vorne, das passt zu mir.“ Steckt in ihr also noch die Straßenfußballerin, als die sie mal bezeichnet wurde?

„Man sieht jemandem an, wenn er mal auf der Straße gespielt hat. Man sieht den Unterschied an der Technik, genauso den Unterschied, ob eine Spielerin mit Mädchen oder Jungs gespielt hat. Manchmal vermisse ich diese Zeit damals auf der Straße, mit den Jungs im Verein oder wenn ich mit meinem Bruder im Garten gekickt habe. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Es war vollkommen frei.“

Frankfurt-Spielerin Nicole Anyomi: Philosophie hinter der Eintracht stimmt

Als die 23-Jährige zur Saison 2021/22 nach Frankfurt kam, kannte sie die Stadt von Besuchen vorher schon. „Hier gibt es viele unterschiedliche Kulturen“, sagt sie zur Internationalität der Stadt und freut sich. „Die Skyline ist wunderschön. Mein erster Eindruck war, wow, wie groß Frankfurt ist… Dann der Hafenpark am Main, das ist eine Super­atmosphäre. Natürlich gibt es auch hier Ecken, die nicht so schön sind. Aber die gibt es in jeder Stadt.“ Was die Eintracht betrifft, hatte sie schon von Kolleginnen wie Sophia Kleinherne in den U-Nationalmannschaften nur Gutes gehört.

Als der Wechsel von Essen an den Main zur Diskussion stand, waren es die Gespräche mit Trainer Niko Arnautis, die sie überzeugten. „Mir gefiel die Philosophie, die hinter dem Verein steht, welche Ziele sie erreichen wollen. Deswegen habe ich den Schritt gewagt.“ Nach dem frühen Aus bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland – Anyomi wurde bei allen Gruppenspielen eingewechselt – war die Stürmerin nach einer kurzen Phase des Runterkommens froh, wieder bei ihrem Team zu sein. Dass hier das Teambuilding funktioniert und der Spirit stimmt, kann man schon spüren, wenn man ein Training beobachtet oder die Auftritte der Spielerinnen in den Social Media-Seiten verfolgt.

„Frauenfußball ist ehrlicher und nahbarer als der der Männer“

Man ist mit viel Spaß bei der Sache, alles wirkt so spielerisch. Alle sind bereit, die nächsten Schritte zu gehen. Dass das Scheitern der DFB-Auswahl die Euphorie, die die Vize-Europameisterschaft 2022 in England ausgelöst hat, ausbremsen könnte, glaubt Anyomi nicht. Die Zuschauerzahlen beim ersten Heimspiel der neuen Saison gegen den VfL Wolfsburg am 1. Oktober – ein so genanntes Highlightspiel – im Deutsche Bank Park wird das belegen. „Ich finde, dass der Frauenfußball sich in den letzten Jahren enorm entwickelt hat“, weiß Anyomi, und dass so neues Publikum gewonnen werden konnte, das begeistert ist vom Frauenfußball.

Bekäme sie jetzt einen PR-Auftrag, um für ihre Sportart zu werben, mit welchen Argumenten würde sie aufwarten? „Frauenfußball ist ehrlicher. Und er fühlt sich nahbarer an.“ Hier geht es nicht um den Marktwert jeder Spielerin, um immense Ablösesummen, ordinär hohe Gehälter. Nett, wenn der Kanzler populistisch beim DFB vorspricht, um Equal Pay zu reklamieren. Das sei vollkommen realitätsfern. „Klar, schön wärs, wenn wir so viel verdienen würden wie die Männer. Es geht aber darum, überhaupt vom Fußballspielen leben und sich auch etwas gönnen zu können“, erinnert sie sich daran, dass in ihrer Zeit bei Essen die Hälfte der Mannschaft noch neben dem Sport arbeiten gehen musste.

Nicole Anyomi: Profifußball und Modemanagement

Anyomi denkt aber auch an die Zeit nach dem Fußball. Es gibt eine Anzeige, wo sie für ein Fernstudium wirbt, und so erfährt man von ihren anderen Vorlieben neben dem Fußball. „Ich habe mir schon immer Gedanken gemacht, was wird wenn ich mal nicht mehr spielen kann, was wird nach der Karriere“, erzählt sie. „Jetzt studiere ich nebenbei Modemanagement und baue mir eine eigene Marke auf. Fußball hat aber auf jeden Fall die oberste Priorität.“

Aber die Frage nach der Lieblingsmusik muss auf alle Fälle auch sein. Nach einem Sieg darf es in der Kabine auch mal Schlager sein. „Ich höre sehr gerne Musik, Richtung R&B und Hip-Hop. Das hilft mir einfach, runter zu kommen oder mich für die Spiele zu motivieren.“ Chris Brown ist einer ihrer Favoriten. „Coldplay höre ich auch sehr gerne und Ed Sheeran, Burna Boy und Afrobeat.“ Musik, die direkt Freude und gute Laune bringt. Noch eine letzte Frage: Was bedeutet der Name Etonam? „Der hat eine schöne Bedeutung, das heißt ‚Gott hat mir geantwortet‘.“

Info
Am 10. Februar 2000 in Krefeld geboren, spielte Etonam Nicole Anyomi, deren Vater aus Togo und die Mutter aus Ghana stammt, in der Jugend beim SuS Krefeld und kam über die Stationen Borussia Mönchengladbach und die SGS Essen 2021 zu Eintracht Frankfurt. Im Februar 2021 bestritt sie ihr erstes A-Nationalmannschaftsländerspiel gegen Belgien.
 
Fotogalerie:
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10. Oktober 2023, 15.42 Uhr
Detlef Kinsler
 
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
 
 
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