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Verkehrsreform in Frankfurt
Siefert: Arbeitgeber sollen ÖPNV mitfinanzieren – CDU und FDP werfen Abzocke vor
Am Montag hat Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert die Ergebnisse einer neuen ÖPNV-Studie in Frankfurt vorgestellt. Seine Vorschläge: ein Arbeitgeberbeitrag und die City-Maut. Harte Kritik kommt von CDU und FDP.
„In Zeiten knapper öffentlicher Kassen braucht es neue Finanzierungspotenziale“, heißt es in einer Mitteilung vom 20. November der Stadt Frankfurt. Obwohl sie den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) jährlich mit über 200 Millionen Euro bezuschusse, benötige es weitere Mittel von Bund und Land sowie Gesetzesänderungen auf Landesebene, um den ÖPNV zu stärken und mehr Menschen zu seiner Nutzung zu bewegen. Schließlich sei dies das „gemeinsame Ziel von Landesregierung und der Stadt Frankfurt am Main“, sagt Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne). Am Montag stellte er die Ergebnisse einer Studie der Frankfurter Nahverkehrsgesellschaft traffiQ in Kooperation mit der Unternehmensberatung Civity vor.
Gleich sechs dieser Finanzierungspotenziale beleuchtet die Studie unter dem Mantel der sogenannten „Nutznießerfinanzierung“. Das bedeutet, dass Firmen oder Personen, die vom ÖPNV-Angebot in Frankfurt profitieren, ohne dass sie es selbst nutzen, ebenfalls einen Beitrag leisten, um die Verkehrswende in der Stadt voranzutreiben. Die Instrumente lauten: Arbeitgeberbeitrag, City-Maut, Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung (Anwohnerparken), Gästebeitrag, Wiedereinführung der Stellplatzablöse und städtebauliche Verträge. Insbesondere beim Arbeitgeberbeitrag und der City-Maut sieht Studienleiter Friedemann Brockmeyer „besonders hohes Potenzial“.
Brockmeyer: Besonders hohes Potenzial bei Arbeitgeberbeitrag und City-Maut
Ein Arbeitgeberbeitrag würde monatlich von der Stadt erhoben werden, und zwar für jedes in Frankfurt ansässige Unternehmen, je nach Anzahl der Beschäftigten. In der Studie wird mit einem Beitrag von zwei Euro pro Mitarbeitendem pro Woche gerechnet. Stellt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden ein Jobticket zur Verfügung, werde dies auf den Beitrag angerechnet, sodass dieser auf einen Euro sinke. Insgesamt kommt die Studie so auf einen Erlös von rund 65 Millionen Euro pro Jahr, die zurück in den ÖPNV investiert werden könnten; Anreiz zur Jobticket-Nutzung inklusive.
„Der Arbeitgeberbeitrag ist eine Möglichkeit, die Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte im ÖPNV finanziell zu meistern. Genannt seien hier neben dem Kapazitäts- und Netzausbau – wie den Verlängerungen der U-Bahnlinien U4 und U5 – der Ringstraßenbahn, die Netzverbesserung sowie die Steigerung der Attraktivität der Jobs im Fahrpersonal, um dem Fachkräftemangel zu begegnen“, fasst traffiQ-Geschäftsführer Tom Reinhold zusammen. Allerdings bedürfe es hierzu einer gesetzlichen Grundlage auf Landesebene. Ebendiese fordert Verkehrsdezernent Siefert „möglichst rasch“ von der Landesregierung.
Arbeitgeberbeitrag: Rund 65 Millionen Euro Erlös pro Jahr
Für die City-Maut – also eine PKW-Straßennutzungsgebühr, wie es sie in London oder Stockholm gibt – berechnet die Studie einen Gewinn von rund 47,6 Millionen Euro jährlich. Umgesetzt werden könnte diese laut Civity beispielsweise im inneren Alleenring in Form einer Kordon-Maut: Montags bis freitags von sechs bis zehn Uhr müsste pro Einfahrt dann einmalig fünf Euro gezahlt werden, Anwohnerinnen und Anwohner wären davon ausgenommen. Eine andere Möglichkeit wäre eine streckenbezogene Nutzungsgebühr in der Umweltzone. Auch die Einführung einer Maut bedarf der gesetzlichen Ermächtigung, wobei nicht eindeutig geklärt sei, ob die Kompetenz beim Bund oder beim Land liege.
Die jährlichen Berechnungen für die weiteren Instrumente lauten wie folgt: Rund 7,7 Millionen Euro durch die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung (keine Gesetzesänderung nötig); rund 3,8 Millionen Euro durch einen Gästebeitrag, der pro Übernachtung anfiele und ein ÖPNV-Nutzungsrecht beinhalte (Gesetzesänderung auf Landesebene); etwa 2,9 Millionen Euro durch die Stellplatzbörse (Änderung der Hessischen Bauordnung) und bis zu einer Millionen Euro durch städtebauliche Verträge, über die sich Investorinnen und Investoren oder Immobilieneigentümerinnen und Eigentümer am ÖPNV-Anschluss des Siedlungsgebietes beteiligen (keine Gesetzesänderung).
Arbeitgeberbeitrag und City-Maut: Ablehnung kommt aus der Opposition
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Nagel, weist den Vorschlag von Verkehrsdezernent Siefert zurück, Frankfurter Unternehmen in Form einer monatlichen Abgabe zur Finanzierung des ÖPNV zur Kasse zu bitten. „Das ist also der ‚geniale‘ Vorschlag der Koalition, die Finanzierung des Nahverkehrs auf sichere Füße zu stellen. Mit einem ÖPNV-Notopfer von 65 Mio. Euro im Jahr sollen diejenigen noch mehr bezahlen, die sowieso schon mit ihren steuerlichen Beiträgen die Stadt am Laufen halten. Das belastet die Frankfurter Unternehmen und ihre Beschäftigten zusätzlich, die aktuell sowieso schon wegen Inflation, Energiekosten und Fachkräftemangel viele Sorgen haben. Stadtrat Siefert hat wohl jede Bodenhaftung verloren, dass er das nicht mitbekommt!“
Nagel rechnet vor, dass ein Handwerksbetrieb mit 20 Beschäftigten im Jahr etwa 2.000 EUR an den Kämmerer überweisen müsste. „Das klingt erst mal nach gar so nicht viel, aber zusammen mit Steuern und Abgaben, steigenden Jobticket-Kosten, einer Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, mit hohen Gebühren für Gewerbe- und Handwerkerparkausweis, einer möglichen City-Maut, einem zusätzlichen Tourismusbeitrag und steigenden Servicegebühren für alles Mögliche summiert sich die Belastung enorm. Und die müssen am Ende alle Bürger über steigende Preise bezahlen. Frankfurt wird langsam aber sicher ein wirklich teures Pflaster und damit für ansässige und zuziehende Unternehmen immer unattraktiver.“
Auch die FDP ist gegen die Einführung eines Arbeitgeberbeitrags
Mit Ablehnung reagiert auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Yanki Pürsün auf die Pläne von Siefert. „Seit Jahrzehnten leiden die Stadt und ihre Verbindungen ins Umland unter dem mangelhaften Ausbau des ÖPNV. Nur mit einer Aufstockung der Landesmittel können Angebot und Qualität verbessert werden. Leider hat das von den Grünen geführte Verkehrsministerium in der Vergangenheit die falschen Prioritäten gesetzt.“ Hessen fördere den ÖPNV bisher zu wenig, hier müsse die neue Landesregierung ansetzen. Denn über die Landesförderung hinaus könnten nur die Nutzer den ÖPNV finanzieren. „Entscheidend ist ein attraktives Angebot, um mehr Fahrgäste zu gewinnen und nicht eine neue Zwangsabgabe. Ich erwarte, dass mit städtischen Geldern vernünftig umgegangen wird und wichtige Ausgaben priorisiert werden“, erklärt Pürsün.
Auch FDP-Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst kritisiert den Vorstoß. „Frankfurt steht als Wirtschaftsstandort in einem scharfen Wettbewerb mit dem Umland und trägt mit einer im Vergleich schon heute sehr hohen Gewerbesteuer eine schwere Bürde. 2,5 Mrd. Euro erwirtschafteten unsere Betriebe 2022 auf diesem Weg für die Stadt, Tendenz steigend. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir brauchen gute und sichere Arbeitsplätze für die Menschen in Frankfurt, nicht immer neue Ideen, die uns bei Ansiedlungs- und Haltungsbemühungen wie Mühlsteine um den Hals hängen.“
Gleich sechs dieser Finanzierungspotenziale beleuchtet die Studie unter dem Mantel der sogenannten „Nutznießerfinanzierung“. Das bedeutet, dass Firmen oder Personen, die vom ÖPNV-Angebot in Frankfurt profitieren, ohne dass sie es selbst nutzen, ebenfalls einen Beitrag leisten, um die Verkehrswende in der Stadt voranzutreiben. Die Instrumente lauten: Arbeitgeberbeitrag, City-Maut, Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung (Anwohnerparken), Gästebeitrag, Wiedereinführung der Stellplatzablöse und städtebauliche Verträge. Insbesondere beim Arbeitgeberbeitrag und der City-Maut sieht Studienleiter Friedemann Brockmeyer „besonders hohes Potenzial“.
Ein Arbeitgeberbeitrag würde monatlich von der Stadt erhoben werden, und zwar für jedes in Frankfurt ansässige Unternehmen, je nach Anzahl der Beschäftigten. In der Studie wird mit einem Beitrag von zwei Euro pro Mitarbeitendem pro Woche gerechnet. Stellt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden ein Jobticket zur Verfügung, werde dies auf den Beitrag angerechnet, sodass dieser auf einen Euro sinke. Insgesamt kommt die Studie so auf einen Erlös von rund 65 Millionen Euro pro Jahr, die zurück in den ÖPNV investiert werden könnten; Anreiz zur Jobticket-Nutzung inklusive.
„Der Arbeitgeberbeitrag ist eine Möglichkeit, die Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte im ÖPNV finanziell zu meistern. Genannt seien hier neben dem Kapazitäts- und Netzausbau – wie den Verlängerungen der U-Bahnlinien U4 und U5 – der Ringstraßenbahn, die Netzverbesserung sowie die Steigerung der Attraktivität der Jobs im Fahrpersonal, um dem Fachkräftemangel zu begegnen“, fasst traffiQ-Geschäftsführer Tom Reinhold zusammen. Allerdings bedürfe es hierzu einer gesetzlichen Grundlage auf Landesebene. Ebendiese fordert Verkehrsdezernent Siefert „möglichst rasch“ von der Landesregierung.
Für die City-Maut – also eine PKW-Straßennutzungsgebühr, wie es sie in London oder Stockholm gibt – berechnet die Studie einen Gewinn von rund 47,6 Millionen Euro jährlich. Umgesetzt werden könnte diese laut Civity beispielsweise im inneren Alleenring in Form einer Kordon-Maut: Montags bis freitags von sechs bis zehn Uhr müsste pro Einfahrt dann einmalig fünf Euro gezahlt werden, Anwohnerinnen und Anwohner wären davon ausgenommen. Eine andere Möglichkeit wäre eine streckenbezogene Nutzungsgebühr in der Umweltzone. Auch die Einführung einer Maut bedarf der gesetzlichen Ermächtigung, wobei nicht eindeutig geklärt sei, ob die Kompetenz beim Bund oder beim Land liege.
Die jährlichen Berechnungen für die weiteren Instrumente lauten wie folgt: Rund 7,7 Millionen Euro durch die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung (keine Gesetzesänderung nötig); rund 3,8 Millionen Euro durch einen Gästebeitrag, der pro Übernachtung anfiele und ein ÖPNV-Nutzungsrecht beinhalte (Gesetzesänderung auf Landesebene); etwa 2,9 Millionen Euro durch die Stellplatzbörse (Änderung der Hessischen Bauordnung) und bis zu einer Millionen Euro durch städtebauliche Verträge, über die sich Investorinnen und Investoren oder Immobilieneigentümerinnen und Eigentümer am ÖPNV-Anschluss des Siedlungsgebietes beteiligen (keine Gesetzesänderung).
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Nagel, weist den Vorschlag von Verkehrsdezernent Siefert zurück, Frankfurter Unternehmen in Form einer monatlichen Abgabe zur Finanzierung des ÖPNV zur Kasse zu bitten. „Das ist also der ‚geniale‘ Vorschlag der Koalition, die Finanzierung des Nahverkehrs auf sichere Füße zu stellen. Mit einem ÖPNV-Notopfer von 65 Mio. Euro im Jahr sollen diejenigen noch mehr bezahlen, die sowieso schon mit ihren steuerlichen Beiträgen die Stadt am Laufen halten. Das belastet die Frankfurter Unternehmen und ihre Beschäftigten zusätzlich, die aktuell sowieso schon wegen Inflation, Energiekosten und Fachkräftemangel viele Sorgen haben. Stadtrat Siefert hat wohl jede Bodenhaftung verloren, dass er das nicht mitbekommt!“
Nagel rechnet vor, dass ein Handwerksbetrieb mit 20 Beschäftigten im Jahr etwa 2.000 EUR an den Kämmerer überweisen müsste. „Das klingt erst mal nach gar so nicht viel, aber zusammen mit Steuern und Abgaben, steigenden Jobticket-Kosten, einer Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, mit hohen Gebühren für Gewerbe- und Handwerkerparkausweis, einer möglichen City-Maut, einem zusätzlichen Tourismusbeitrag und steigenden Servicegebühren für alles Mögliche summiert sich die Belastung enorm. Und die müssen am Ende alle Bürger über steigende Preise bezahlen. Frankfurt wird langsam aber sicher ein wirklich teures Pflaster und damit für ansässige und zuziehende Unternehmen immer unattraktiver.“
Mit Ablehnung reagiert auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Yanki Pürsün auf die Pläne von Siefert. „Seit Jahrzehnten leiden die Stadt und ihre Verbindungen ins Umland unter dem mangelhaften Ausbau des ÖPNV. Nur mit einer Aufstockung der Landesmittel können Angebot und Qualität verbessert werden. Leider hat das von den Grünen geführte Verkehrsministerium in der Vergangenheit die falschen Prioritäten gesetzt.“ Hessen fördere den ÖPNV bisher zu wenig, hier müsse die neue Landesregierung ansetzen. Denn über die Landesförderung hinaus könnten nur die Nutzer den ÖPNV finanzieren. „Entscheidend ist ein attraktives Angebot, um mehr Fahrgäste zu gewinnen und nicht eine neue Zwangsabgabe. Ich erwarte, dass mit städtischen Geldern vernünftig umgegangen wird und wichtige Ausgaben priorisiert werden“, erklärt Pürsün.
Auch FDP-Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst kritisiert den Vorstoß. „Frankfurt steht als Wirtschaftsstandort in einem scharfen Wettbewerb mit dem Umland und trägt mit einer im Vergleich schon heute sehr hohen Gewerbesteuer eine schwere Bürde. 2,5 Mrd. Euro erwirtschafteten unsere Betriebe 2022 auf diesem Weg für die Stadt, Tendenz steigend. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir brauchen gute und sichere Arbeitsplätze für die Menschen in Frankfurt, nicht immer neue Ideen, die uns bei Ansiedlungs- und Haltungsbemühungen wie Mühlsteine um den Hals hängen.“
21. November 2023, 12.28 Uhr
Sina Claßen/Jasmin Schülke
Sina Claßen
Studium der Publizistik und des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2023 beim Journal Frankfurt. Mehr von Sina
Claßen >>
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