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Verkehrspolitik in Frankfurt
„Oeder Weg wurde zur Symboldebatte der Mobilitätswende hochstilisiert“
Kann Barcelona beispielhaft für Frankfurt sein? Das Konzept der Superblocks reduziert dort den Autoverkehr. Über Superblocks und Verkehrspolitik sprach das JOURNAL mit Martin Huber von Volt.
JOURNAL: Herr Huber, in Frankfurt wird darum gerungen, wie die Stadt autoärmer und fußgängerfreundlicher werden könnte. Welche Positionen stehen sich hier gegenüber?
Martin Huber: Bei der Mobilitätswende geht es sehr stark darum, die Macht der Gewohnheit und jahrzehntelange Politik fürs Auto zu durchbrechen. Einige Menschen fühlen sich dadurch bevormundet, zu Unrecht, wie ich finde. Denn uns geht es ganz explizit um die freie Wahl der Verkehrsmittel, die eben mehr einschließt, als bloß das Auto. Ich freue mich, wenn wir mehr über das „wie”, als über das „ob” der Mobilitätswende diskutieren.
Was heißt das konkret?
Wir leben in einer Zeit, in der wir ehrlich sein müssen und Menschen nicht mehr glaubhaft machen können, es könnte alles so weitergehen, wie bisher. Zu viele klimaschädliche Autos sind derzeit auf Frankfurts Straßen unterwegs, das führt zu Staus, Schadstoffemissionen, Lärm, Stress und verschwendeter Lebenszeit. Wenn wir den Autoverkehr insgesamt reduzieren, werden wir nicht nur effizienter und nachhaltiger, es profitieren auch diejenigen, die auf eine Autofahrt tatsächlich nicht verzichten können, beispielsweise Rettungsdienste, mobilitätseingeschränkte Personen oder Zulieferer, denn die kommen dann einfacher und schneller durch die Straßen.
„Die Diskussion im Oeder Weg wurde zu einer Symboldebatte der Mobilitätswende hochstilisiert“
Besonders kontrovers diskutiert werden die Maßnahmen im Oeder Weg im Frankfurter Nordend. Was läuft Ihrer Meinung nach falsch?
Die Diskussion im Oeder Weg wurde zu einer Symboldebatte der Mobilitätswende hochstilisiert, auch weil Parteien, wie die CDU, die Stimmung aktiv angeheizt haben. Teilweise wurde in diesem Zusammenhang auch gelogen und behauptet, die Rettungsdienste könnten im Holzhausenviertel die gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfristen nicht mehr einhalten, das ist natürlich Quatsch. Glücklicherweise sind auch viele Befürworter*innen der Maßnahmen laut geworden.
Welchen Beitrag kann Volt leisten?
Als Volt sehen wir unseren Beitrag vor allem darin, zur Versachlichung und zum Fortschritt in der Diskussion beizutragen. Wir wollen schließlich nichts Böses, sondern dass Menschen noch sehr viel mobiler werden, als das jetzt der Fall ist. Das ist auch eine Chance für den Einzelhandel, mehr Kundschaft zu gewinnen. Wir halten die Maßnahmen im Oeder Weg insgesamt für sinnvoll, sind aber auch der Meinung, dass Straßen nicht isoliert betrachtet werden können. Zukünftig sollte die Stadt gleich von vornherein das ganze Wohngebiet in den Blick nehmen und überlegen, wie der Verkehr dort klug zu organisieren ist. Dann ist es auch nicht mehr nötig, hinterher nachzujustieren, wie in der Cronstettenstraße, das führte verständlicherweise zu Akzeptanz- und Verständnisproblemen.
Auch die Leipziger Straße und Umgebung soll verkehrsberuhigt werden. In der Diskussion ist der sogenannte „Superblock“. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Die Idee der Superblocks stammt aus Barcelona, es geht bei dem Konzept darum, die Mobilität innerhalb eines ganzen Wohngebietes neu zu organisieren und Autos nicht mehr dominieren zu lassen. Es geht darum, den Straßenraum den Menschen zurückzugeben und neue urbane Quartiere mit mehr Aufenthaltsqualität, mehr Fuß- und Radverkehr und Begrünung zu schaffen. Das gelingt unter anderem durch die Umleitung und Bündelung des Autoverkehrs auf die umliegenden Hauptstraßen. Autos haben zwar weiterhin Zugang zum Wohngebiet, können aber nicht mehr durch den Superblock hindurch fahren. Dadurch entsteht eine ruhige und entschleunigte Umgebung, in der die Nachbarschaft miteinander agieren kann und Menschen verschiedener Altersgruppen und Hintergründe zusammenkommen können.
Durch den „Superblock“ sollen neue soziale Räume für die Menschen entstehen
Neue öffentliche Aufenthaltsplätze können genutzt werden, ohne dass dabei etwas konsumiert werden muss, wie das beispielsweise der Fall ist, wenn man sich draußen in ein Café setzen möchte. Solche Orte sind ganz wichtig für eine Demokratie, Junge wie auch ältere Menschen brauchen mehr solcher Freiräume, gerade in Anbetracht zunehmender Einsamkeit. In Barcelona wurde zudem festgestellt, dass die neue Umgebung zu einem verstärkten Gefühl von Zusammenhalt, Sicherheit und weniger Stress führte.
Kann man Barcelona wirklich mit Frankfurt vergleichen?
Barcelona ist bekannt für den rasterartigen Aufbau der Stadt, das macht ein solches Konzept intuitiver, es ist aber keine notwendigen Voraussetzungen. Das Kernkonzept kann auf ganz viele Städte übertragen werden, die Superblocks können dabei ganz individuelle Formen annehmen. In vielen Städten Europas wird das Konzept bereits adaptiert. In Frankfurt sehe ich in einigen Stadtteilen Potential, vielerorts gibt es zudem schon Einbahnstraßensysteme und andere Verkehrsberuhigungselemente, wie verengte Fahrbahnen oder Durchfahrtssperren, diese Gebiete lassen sich sehr gut zu Superblocks weiterentwickeln.
Was wären die Vorteile für Frankfurt?
Frankfurt brächte das große Klima- und Umweltvorteile und würde zu einer Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit der Menschen beitragen. Die Umgestaltung würde auch dazu beigetragen, dass die Stadt für Tourist*innen, den Einzelhandel oder die Gastronomie attraktiver würde. Was sich ebenfalls sehr gut mit Barcelona vergleichen lässt, ist der politisch-kritische Diskussionsverlauf. Auch in Barcelona gab es anfangs Unsicherheiten seitens Bürger*innen und Gewerbetreibende. Besonders wichtig bei der Umsetzung der Maßnahmen sind gute Kommunikations-, Beteiligungs- und Dialogprozesse, Offenheit für die unterschiedlichen Bedürfnisse sowie eine sorgfältige Verkehrsplanung und Flexibilität bei der konkreten Ausgestaltung.
„In Barcelona gab es anfangs Unsicherheiten seitens Bürger*innen und Gewerbetreibende“
Steht das Superblock-Konzept nicht dem Wunsch entgegen, die Stadt autofrei zu bekommen? Oder anders: Wäre es nicht sinnvoller, etwa Park & Ride-Konzepte bzw. den ÖPNV auszubauen, um die Autos erst gar nicht nach Frankfurt reinfahren zu lassen?
Das Superblock-Konzept steht gar nicht im Widerspruch zu anderen Maßnahmen der Mobilitätswende, im Gegenteil. Wir müssen alles machen, was hilft, und wir kommen nicht umhin, den Autoverkehr in Gänze zu verringern. Der Vorteil der Superblocks ist, dass sie sich vergleichsweise schnell, kleinräumig und kosteneffizient umsetzen lassen, außerdem bin ich der Meinung, dass das Konzept konsensfähig ist.
In Barcelona haben sechs Superblocks, die in den Jahren zwischen 2016-2019 entstanden sind, gerade einmal elf Millionen Euro gekostet, das ist in Anbetracht der vielen positiven und greifbaren Veränderungen überschaubar. Für zum Beispiel die Straßenbemalung, Bepflanzung oder Stadtmöblierung ist auch zunächst kein großer Umbau nötig.
Wie ist der Stand in Bockenheim?
Wenn die Menschen mitziehen, wie das in Bockenheim mit einer Anwohnerinitiative und der Unterstützung vom Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) der Fall ist, bin ich zuversichtlich, dass wir diese Vision für ein effizientes Mobilitätssystem gemeinsam verwirklichen können. Die Koalition hat bereits hunderttausend Euro für die entsprechende Bürger*innenbeteiligung bereitgestellt.
Info
Zur Person: Martin Huber ist Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der Fraktion Volt im Römer. In der Stadtverordnetenversammlung setzt Martin sich unter anderem für eine nachhaltige Stadtplanung, ein grüneres Stadtbild, mehr Freiraum für Menschen und eine zukunftsorientierte Finanzpolitik ein. Martin sitzt für Volt im Römer in den Ausschüssen für Klima und Umwelt, Mobilität und Smart City sowie Finanzen.
Martin Huber: Bei der Mobilitätswende geht es sehr stark darum, die Macht der Gewohnheit und jahrzehntelange Politik fürs Auto zu durchbrechen. Einige Menschen fühlen sich dadurch bevormundet, zu Unrecht, wie ich finde. Denn uns geht es ganz explizit um die freie Wahl der Verkehrsmittel, die eben mehr einschließt, als bloß das Auto. Ich freue mich, wenn wir mehr über das „wie”, als über das „ob” der Mobilitätswende diskutieren.
Was heißt das konkret?
Wir leben in einer Zeit, in der wir ehrlich sein müssen und Menschen nicht mehr glaubhaft machen können, es könnte alles so weitergehen, wie bisher. Zu viele klimaschädliche Autos sind derzeit auf Frankfurts Straßen unterwegs, das führt zu Staus, Schadstoffemissionen, Lärm, Stress und verschwendeter Lebenszeit. Wenn wir den Autoverkehr insgesamt reduzieren, werden wir nicht nur effizienter und nachhaltiger, es profitieren auch diejenigen, die auf eine Autofahrt tatsächlich nicht verzichten können, beispielsweise Rettungsdienste, mobilitätseingeschränkte Personen oder Zulieferer, denn die kommen dann einfacher und schneller durch die Straßen.
„Die Diskussion im Oeder Weg wurde zu einer Symboldebatte der Mobilitätswende hochstilisiert“
Besonders kontrovers diskutiert werden die Maßnahmen im Oeder Weg im Frankfurter Nordend. Was läuft Ihrer Meinung nach falsch?
Die Diskussion im Oeder Weg wurde zu einer Symboldebatte der Mobilitätswende hochstilisiert, auch weil Parteien, wie die CDU, die Stimmung aktiv angeheizt haben. Teilweise wurde in diesem Zusammenhang auch gelogen und behauptet, die Rettungsdienste könnten im Holzhausenviertel die gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfristen nicht mehr einhalten, das ist natürlich Quatsch. Glücklicherweise sind auch viele Befürworter*innen der Maßnahmen laut geworden.
Welchen Beitrag kann Volt leisten?
Als Volt sehen wir unseren Beitrag vor allem darin, zur Versachlichung und zum Fortschritt in der Diskussion beizutragen. Wir wollen schließlich nichts Böses, sondern dass Menschen noch sehr viel mobiler werden, als das jetzt der Fall ist. Das ist auch eine Chance für den Einzelhandel, mehr Kundschaft zu gewinnen. Wir halten die Maßnahmen im Oeder Weg insgesamt für sinnvoll, sind aber auch der Meinung, dass Straßen nicht isoliert betrachtet werden können. Zukünftig sollte die Stadt gleich von vornherein das ganze Wohngebiet in den Blick nehmen und überlegen, wie der Verkehr dort klug zu organisieren ist. Dann ist es auch nicht mehr nötig, hinterher nachzujustieren, wie in der Cronstettenstraße, das führte verständlicherweise zu Akzeptanz- und Verständnisproblemen.
Auch die Leipziger Straße und Umgebung soll verkehrsberuhigt werden. In der Diskussion ist der sogenannte „Superblock“. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Die Idee der Superblocks stammt aus Barcelona, es geht bei dem Konzept darum, die Mobilität innerhalb eines ganzen Wohngebietes neu zu organisieren und Autos nicht mehr dominieren zu lassen. Es geht darum, den Straßenraum den Menschen zurückzugeben und neue urbane Quartiere mit mehr Aufenthaltsqualität, mehr Fuß- und Radverkehr und Begrünung zu schaffen. Das gelingt unter anderem durch die Umleitung und Bündelung des Autoverkehrs auf die umliegenden Hauptstraßen. Autos haben zwar weiterhin Zugang zum Wohngebiet, können aber nicht mehr durch den Superblock hindurch fahren. Dadurch entsteht eine ruhige und entschleunigte Umgebung, in der die Nachbarschaft miteinander agieren kann und Menschen verschiedener Altersgruppen und Hintergründe zusammenkommen können.
Durch den „Superblock“ sollen neue soziale Räume für die Menschen entstehen
Neue öffentliche Aufenthaltsplätze können genutzt werden, ohne dass dabei etwas konsumiert werden muss, wie das beispielsweise der Fall ist, wenn man sich draußen in ein Café setzen möchte. Solche Orte sind ganz wichtig für eine Demokratie, Junge wie auch ältere Menschen brauchen mehr solcher Freiräume, gerade in Anbetracht zunehmender Einsamkeit. In Barcelona wurde zudem festgestellt, dass die neue Umgebung zu einem verstärkten Gefühl von Zusammenhalt, Sicherheit und weniger Stress führte.
Kann man Barcelona wirklich mit Frankfurt vergleichen?
Barcelona ist bekannt für den rasterartigen Aufbau der Stadt, das macht ein solches Konzept intuitiver, es ist aber keine notwendigen Voraussetzungen. Das Kernkonzept kann auf ganz viele Städte übertragen werden, die Superblocks können dabei ganz individuelle Formen annehmen. In vielen Städten Europas wird das Konzept bereits adaptiert. In Frankfurt sehe ich in einigen Stadtteilen Potential, vielerorts gibt es zudem schon Einbahnstraßensysteme und andere Verkehrsberuhigungselemente, wie verengte Fahrbahnen oder Durchfahrtssperren, diese Gebiete lassen sich sehr gut zu Superblocks weiterentwickeln.
Was wären die Vorteile für Frankfurt?
Frankfurt brächte das große Klima- und Umweltvorteile und würde zu einer Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit der Menschen beitragen. Die Umgestaltung würde auch dazu beigetragen, dass die Stadt für Tourist*innen, den Einzelhandel oder die Gastronomie attraktiver würde. Was sich ebenfalls sehr gut mit Barcelona vergleichen lässt, ist der politisch-kritische Diskussionsverlauf. Auch in Barcelona gab es anfangs Unsicherheiten seitens Bürger*innen und Gewerbetreibende. Besonders wichtig bei der Umsetzung der Maßnahmen sind gute Kommunikations-, Beteiligungs- und Dialogprozesse, Offenheit für die unterschiedlichen Bedürfnisse sowie eine sorgfältige Verkehrsplanung und Flexibilität bei der konkreten Ausgestaltung.
Steht das Superblock-Konzept nicht dem Wunsch entgegen, die Stadt autofrei zu bekommen? Oder anders: Wäre es nicht sinnvoller, etwa Park & Ride-Konzepte bzw. den ÖPNV auszubauen, um die Autos erst gar nicht nach Frankfurt reinfahren zu lassen?
Das Superblock-Konzept steht gar nicht im Widerspruch zu anderen Maßnahmen der Mobilitätswende, im Gegenteil. Wir müssen alles machen, was hilft, und wir kommen nicht umhin, den Autoverkehr in Gänze zu verringern. Der Vorteil der Superblocks ist, dass sie sich vergleichsweise schnell, kleinräumig und kosteneffizient umsetzen lassen, außerdem bin ich der Meinung, dass das Konzept konsensfähig ist.
In Barcelona haben sechs Superblocks, die in den Jahren zwischen 2016-2019 entstanden sind, gerade einmal elf Millionen Euro gekostet, das ist in Anbetracht der vielen positiven und greifbaren Veränderungen überschaubar. Für zum Beispiel die Straßenbemalung, Bepflanzung oder Stadtmöblierung ist auch zunächst kein großer Umbau nötig.
Wie ist der Stand in Bockenheim?
Wenn die Menschen mitziehen, wie das in Bockenheim mit einer Anwohnerinitiative und der Unterstützung vom Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) der Fall ist, bin ich zuversichtlich, dass wir diese Vision für ein effizientes Mobilitätssystem gemeinsam verwirklichen können. Die Koalition hat bereits hunderttausend Euro für die entsprechende Bürger*innenbeteiligung bereitgestellt.
Zur Person: Martin Huber ist Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der Fraktion Volt im Römer. In der Stadtverordnetenversammlung setzt Martin sich unter anderem für eine nachhaltige Stadtplanung, ein grüneres Stadtbild, mehr Freiraum für Menschen und eine zukunftsorientierte Finanzpolitik ein. Martin sitzt für Volt im Römer in den Ausschüssen für Klima und Umwelt, Mobilität und Smart City sowie Finanzen.
29. November 2023, 11.57 Uhr
Katja Thorwarth
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Katja
Thorwarth >>
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