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Varoufakis in Frankfurt
„Ich verurteile nicht die Hamas, sondern jeden Akt der Gewalt gegen Zivilisten“
Bei einer Wahlkampfveranstaltung der Partei Mera25 im Frankfurter Gallus Theater spricht der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis über den Krieg in Nahost und sympathisiert mit der Hamas.
„Wir haben unsere Zukunft verloren“, proklamiert der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis am Sonntagabend, 18. Februar, im Gallus Theater Frankfurt. Woher er das wisse? Nun, die Sex Pistols hätten das schon 1978 vorausgesagt, im Jahr darauf wurde Margaret Thatcher Premierministerin des Vereinigten Königreichs und der Rest sei Geschichte. Viel wichtiger sei jetzt jedoch die Frage danach, „wie wir unsere Zukunft zurückbekommen“. Seine Antwort: Mera25 – auch wenn der Versuch wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt sei.
Mera25 ist eine 2021 in Deutschland gegründete Flügelpartei der paneuropäischen Bewegung „Democracy in Europe Movement 2025“ (DiEM25), die ein Demokratiedefizit in der Europäischen Union sieht und deren Demokratisierung anstrebt. Zu diesem Zweck will die Partei bei der diesjährigen Europawahl am 9. Juni antreten. In der vergangenen Woche war Mera25 gemeinsam mit ihrem Mitgründer Varoufakis auf Deutschland-Tournee in Berlin, München und Frankfurt, um bis Ende des Monats 5000 Unterschriften zu sammeln. Nach aktuellem Stand haben sie es nämlich noch nicht auf den Wahlzettel geschafft.
Mera25: das Grundsatzprogramm der Partei und der Krieg in Nahost
Zu den sogenannten „10+1“-Zielen aus dem Grundsatzprogramm der Partei gehören neben der Demokratisierung der EU folgende Punkte: die Abschaffung der Schuldenbremse, der „Green New Deal“ inklusive Klimaneutralität bis 2030, eine bedingungslose Rentengarantie, mehr Gehalt für Sozial- und Dienstleistungsberufe, ein Corona-Impfangebot für die gesamte Weltbevölkerung, sichere Flucht- und Migrationsmöglichkeiten durch die Abschaffung von Frontex, die Einführung einer Vier-Tage-Woche, eine staatliche Jobgarantie, eine universelle Grunddividende und die Enteignung großer Immobilienkonzerne.
Ein Fokus der Partei liegt momentan generell – aber vor allem auch an dem Abend in Frankfurt – auf dem Krieg in Nahost: „Ich verurteile nicht die Hamas, sondern jeden einzelnen Akt der Gewalt gegen Zivilisten“ sagt Varoufakis. „Ich verurteile die Unmenschlichkeit, aber ich unterstütze die Rebellion.“ Die Schuld an dem Krieg sieht er weder bei den israelischen Siedlern noch bei Ministerpräsident Netanjahu, sondern einzig und allein in Europa, wo es in verschiedenen Ländern Pogrome gegen Jüdinnen und Juden gab, die dem Holocaust vorangingen.
Varoufakis: „Ich verurteile nicht die Hamas, sondern uns Europäer“
Varoufakis kritisiert die Entstehungsgeschichte Israels, wirft dem Land im Umgang mit den Palästinenserinnen und Palästinensern „Apartheid“ vor und spricht von einem „Genozid in Gaza“. Im Publikum, das laut Veranstaltenden aus knapp 200 Menschen besteht, stoßen diese Sentiments größtenteils auf Zustimmung und Beifall. Es wirkt jedoch, als hätten nicht alle im Saal mit diesen Aussagen gerechnet. Eine der Moderatorinnen dankt Varoufakis für seine „seltsame“ Antwort und Helge Peukert, der als Ökonom und Gast geladen, jedoch kein Mera25-Mitglied ist, stößt eine hitzige Diskussion bezüglich des Begriffs „Genozid“ und dem damit einhergehenden Vergleich zum Holocaust an.
Als Peukert im Zuge dessen später sagt, die Hamas würde nicht stellvertretend für alle Palästinenserinnen und Palästinenser stehen, werden Buhrufe im Saal laut. Eine Frau springt aus dem Publikum auf und ruft: „Sie repräsentiert die Palästinenser. Ich bin Palästinenserin. Wer sind Sie, dass Sie diese Meinung haben? Wir haben das Recht, uns selbst zu verteidigen.“ Varoufakis gesteht sogar ein, dass er nicht mehr für eine Zwei-Staaten-Lösung plädiert, führt aber nicht aus, was er sich stattdessen erhofft.
Aussichtschancen und Unterstützung bei der Europawahl
Wer in Deutschland Stimmen bei einer Wahl gewinnen wolle, mache sich nicht dadurch beliebt, eine propalästinensische Haltung einzunehmen, resümiert Eric Edman, strategischer Koordinator der Partei, am Ende des Abends. Wenn das dazu führe, dass Mera25 nicht gewählt werde, dann würde man es nicht anders wollen. Die einzige Stärke des Europäischen Parlaments sei es ohnehin, eine Bühne mit einem Mikrofon zu bieten, und wenn man es dort hin schaffe, werde man diese nutzen, um „Ärger“ zu stiften.
Zuspruch findet Mera25 unter anderem auch von Pink Floyd-Gründungsmitglied Roger Waters, dem seit seiner erstmaligen öffentlichen Unterstützung der israelfeindlichen BDS-Kampagne in der Mitte der 2000er-Jahre immer wieder Antisemitismus und das Verbreiten von Verschwörungstheorien vorgeworfen werden. Zuletzt standen auch die Festhalle und das Verwaltungsgericht Frankfurt in der Kritik, die dem Künstler im Mai vergangenen Jahres nach monatelangem Streit einen Auftritt in der Stadt ermöglicht hatten.
Mera25 ist eine 2021 in Deutschland gegründete Flügelpartei der paneuropäischen Bewegung „Democracy in Europe Movement 2025“ (DiEM25), die ein Demokratiedefizit in der Europäischen Union sieht und deren Demokratisierung anstrebt. Zu diesem Zweck will die Partei bei der diesjährigen Europawahl am 9. Juni antreten. In der vergangenen Woche war Mera25 gemeinsam mit ihrem Mitgründer Varoufakis auf Deutschland-Tournee in Berlin, München und Frankfurt, um bis Ende des Monats 5000 Unterschriften zu sammeln. Nach aktuellem Stand haben sie es nämlich noch nicht auf den Wahlzettel geschafft.
Zu den sogenannten „10+1“-Zielen aus dem Grundsatzprogramm der Partei gehören neben der Demokratisierung der EU folgende Punkte: die Abschaffung der Schuldenbremse, der „Green New Deal“ inklusive Klimaneutralität bis 2030, eine bedingungslose Rentengarantie, mehr Gehalt für Sozial- und Dienstleistungsberufe, ein Corona-Impfangebot für die gesamte Weltbevölkerung, sichere Flucht- und Migrationsmöglichkeiten durch die Abschaffung von Frontex, die Einführung einer Vier-Tage-Woche, eine staatliche Jobgarantie, eine universelle Grunddividende und die Enteignung großer Immobilienkonzerne.
Ein Fokus der Partei liegt momentan generell – aber vor allem auch an dem Abend in Frankfurt – auf dem Krieg in Nahost: „Ich verurteile nicht die Hamas, sondern jeden einzelnen Akt der Gewalt gegen Zivilisten“ sagt Varoufakis. „Ich verurteile die Unmenschlichkeit, aber ich unterstütze die Rebellion.“ Die Schuld an dem Krieg sieht er weder bei den israelischen Siedlern noch bei Ministerpräsident Netanjahu, sondern einzig und allein in Europa, wo es in verschiedenen Ländern Pogrome gegen Jüdinnen und Juden gab, die dem Holocaust vorangingen.
Varoufakis kritisiert die Entstehungsgeschichte Israels, wirft dem Land im Umgang mit den Palästinenserinnen und Palästinensern „Apartheid“ vor und spricht von einem „Genozid in Gaza“. Im Publikum, das laut Veranstaltenden aus knapp 200 Menschen besteht, stoßen diese Sentiments größtenteils auf Zustimmung und Beifall. Es wirkt jedoch, als hätten nicht alle im Saal mit diesen Aussagen gerechnet. Eine der Moderatorinnen dankt Varoufakis für seine „seltsame“ Antwort und Helge Peukert, der als Ökonom und Gast geladen, jedoch kein Mera25-Mitglied ist, stößt eine hitzige Diskussion bezüglich des Begriffs „Genozid“ und dem damit einhergehenden Vergleich zum Holocaust an.
Als Peukert im Zuge dessen später sagt, die Hamas würde nicht stellvertretend für alle Palästinenserinnen und Palästinenser stehen, werden Buhrufe im Saal laut. Eine Frau springt aus dem Publikum auf und ruft: „Sie repräsentiert die Palästinenser. Ich bin Palästinenserin. Wer sind Sie, dass Sie diese Meinung haben? Wir haben das Recht, uns selbst zu verteidigen.“ Varoufakis gesteht sogar ein, dass er nicht mehr für eine Zwei-Staaten-Lösung plädiert, führt aber nicht aus, was er sich stattdessen erhofft.
Wer in Deutschland Stimmen bei einer Wahl gewinnen wolle, mache sich nicht dadurch beliebt, eine propalästinensische Haltung einzunehmen, resümiert Eric Edman, strategischer Koordinator der Partei, am Ende des Abends. Wenn das dazu führe, dass Mera25 nicht gewählt werde, dann würde man es nicht anders wollen. Die einzige Stärke des Europäischen Parlaments sei es ohnehin, eine Bühne mit einem Mikrofon zu bieten, und wenn man es dort hin schaffe, werde man diese nutzen, um „Ärger“ zu stiften.
Zuspruch findet Mera25 unter anderem auch von Pink Floyd-Gründungsmitglied Roger Waters, dem seit seiner erstmaligen öffentlichen Unterstützung der israelfeindlichen BDS-Kampagne in der Mitte der 2000er-Jahre immer wieder Antisemitismus und das Verbreiten von Verschwörungstheorien vorgeworfen werden. Zuletzt standen auch die Festhalle und das Verwaltungsgericht Frankfurt in der Kritik, die dem Künstler im Mai vergangenen Jahres nach monatelangem Streit einen Auftritt in der Stadt ermöglicht hatten.
22. Februar 2024, 07.23 Uhr
Sina Claßen
Sina Claßen
Studium der Publizistik und des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2023 beim Journal Frankfurt. Mehr von Sina
Claßen >>
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22. November 2024
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