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Paragraf 265a

Wiesbaden prescht bei Fahren ohne Fahrschein vor

Wer ohne Fahrschein fährt, begeht keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat - aber nicht mehr überall. Frankfurt hat abgelehnt, das Delikt zu entkriminalisieren. Das macht jetzt Wiesbaden.
Wer beim Fahren ohne Fahrschein erwischt wird und das Bußgeld nicht bezahlen kann, landet möglicherweise im Gefängnis. Das liegt daran, dass Fahren ohne Fahrschein in Deutschland als Straftat gilt und nicht als Ordnungswidrigkeit. Vielen ist dies längst zu drastisch. So war etwa die AG Recht der SPD im Bund vorgeprescht und hatte eine „Entkriminalisierung“ gefordert und eine Streichung des Paragrafen, der 1935 von den Nationalsozialisten eingeführt wurde.

„Wer die Miete oder eine Rechnung nicht bezahlt, kann zivilrechtlich verklagt werden, macht sich aber nicht strafbar“, heißt es in dem SPD-Entwurf, der betont, dass der Paragraf 265a aus dem StGB unverhältnismäßig sei und zudem die Justiz, die Strafgerichte und die Staatsanwaltschaften belaste. Mit dem 265a wird das „Erschleichen von Leistungen“ mit einer Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet.

Frankfurt will keine Vorreiterrolle bei Entkriminalisierung vom Fahren ohne Fahrschein


Auch in Frankfurt wurde die Debatte aufgegriffen. In einer Sitzung des Mobilitätsausschusses hatte Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Die Grüne) formuliert, in dieser Causa aktuell nicht auf „Entkriminalisierung“ setzen zu wollen. Das berichtete die FNP. Demnach habe er aber festgestellt, dass „bundespolitisch Bewegung drin“ ist.

Daniela Mehler-Würzbach von der Linken fordert längst, dass Fahren ohne Fahrschein keine Straftat mehr ist: „Menschen ohne Fahrschein sollten keine Strafanzeige mehr erhalten“, wird sie von der FNP zitiert. Und weiter könne Frankfurt „mit pragmatischem Beispiel vorangehen“. Betroffen seien in erster Linie Menschen in prekären Situationen, also eine „sehr verletzliche Gruppe von Betroffenen“. So träfen die Anzeigen zu 87 Prozent Arbeitslose und zu 15 Prozent Wohnsitzlose.

Wiesbaden entkriminalisiert Fahren ohne Fahrschein

Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden hat nun vorgemacht, was für Frankfurt noch nicht umsetzbar scheint. Die Vier-Parteien-Koalition aus Grünen, SPD, Linken und Volt entschied bei der Stadtverordnetenversammlung am 2. November, Fahren ohne Fahrschein künftig entkriminalisieren zu wollen. Die Stadt verzichtet künftig auf einen Strafantrag. In der Begründung, die dem JOURNAL vorliegt, heißt es:

„Für Nutzung von Bus und Bahn ohne gültigen Fahrschein wird ein erhöhtes Beförderungsentgelt erhoben. Darüber hinaus ist das Erschleichen von Beförderungsleistungen gemäß § 265a StGB eine Straftat. Allerdings wird diese Straftat bei Geringwertigkeit gemäß §248a StGB nur auf Antrag verfolgt. Die Grenze der Geringwertigkeit liegt bei 25 bis 50 Euro.“ Eine Fahrt ohne Fahrschein im Wiesbadener Stadtgebiet würde „immer darunter liegen“. Entsprechend sei zur Strafverfolgung in der Regel ein Antrag erforderlich, den Wiesbaden nun nicht mehr stellen wird.

Insbesondere ärmere Menschen seien von der Verhängung der Freiheitsstrafen betroffen, da sie die verhängten Geldstrafen nicht zahlen können: „Gemessen am angerichteten Schaden ist dies eine unverhältnismäßig schwere Bestrafung.“

Info
Frankfurt ist mit einem Einzelpreis von 3,40 Euro und einer Kurzstrecke von 2,10 Euro im hohen Preissegment angekommen. Im Vergleich: In Hamburg kostet die Kurzstrecke 1,80 Euro, die Einzelfahrt (Zone 1) 2,50 Euro.
Wer in Frankfurt beim Fahren ohne Fahrschein angetroffen wird, muss 60 Euro Strafe zahlen. Ist die Zahlung nach sieben Tagen nicht erfolgt, erhöht sich das Bußgeld. Im schlimmsten Fall muss eine Haftstrafe angetreten werden. Bundesweit betrifft das bis zu 9000 Personen (Deutschlandfunk).
 
Fotogalerie:
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6. November 2023, 01.02 Uhr
Katja Thorwarth
 
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Katja Thorwarth >>
 
 
 
 
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