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OB-Kandidaten im Gespräch
Boris Rhein: "Mit Wahlversprechen sollte man vorsichtig sein"
Der hessische Innenminister und Oberbürgermeisterkandidat der CDU, Boris Rhein, spricht im Interview über Fluglärm, die Macht eines Stadtoberhaupts und warum er die Wehrpflicht verweigert hat.
Journal Frankfurt: Wir wollen hier den ehrlichen Boris Rhein.
Boris Rhein: Der ehrliche Boris Rhein? Der ist immer ehrlich!
Wirklich?
Es kann nur einen geben.
Das wäre zumindest schon mal eine gute Überschrift. Auch für Ihre Wahlplakate.
… und noch dazu ist es wahr. Allerdings ist es in genauso absurder Weise wahr, wie der Spruch meines sozialdemokratischen Mitbewerbers, dass es einen arbeitenden Oberbürgermeister brauche. Ja, was denn sonst? Alles andere wäre eine Katastrophe!
Es ist aber doch eher eine repräsentative Funktion, die die Demokratie da bereithält.
Petra Roth hat die Stadt nicht nur außerordentlich gut repräsentiert, sie hat vor allem auch unzählige wichtige Projekte angestoßen. Das zeigt: man kann schon gestalten.
Kommen wir noch einmal kurz auf den Begriff der Ehrlichkeit zurück. Sie haben sich bei Ihrer Nominierungsrede fürs Nachtflugverbot eingesetzt, danach war im Spiegel zu lesen, Ministerpräsident Volker Bouffier habe Ihnen dafür einen Einlauf verpasst …
Der Ministerpräsident und ich arbeiten in einer sehr engen, vertrauensvollen Weise zusammen – da herrscht ein anderes Verhältnis als das geschilderte. Natürlich haben wir darüber diskutiert. Ergebnis: wir stehen nach wie vor zum Ergebnis der Mediation, die ein Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr vorsieht. Davon weichen wir nicht ab.
Interessanterweise geht mittlerweile selbst Volker Bouffier darüber hinaus. Er sprach davon, die Flugbewegungen insgesamt zu deckeln. Da ist er auf Ihre Position zugegangen.
Ich merke schon, dass sich seit dem CDU-Parteitag im Dezember einiges verändert. Betonen muss ich aber an dieser Stelle, dass der Reichtum und der Wohlstand in unserer Region zum größten Teil mit dem Flughafen zusammenhängen. Aber er entfaltet enorme Belastungen, bei denen die Balance zwischen den berechtigten Interessen von Anwohnern und Wirtschaft nicht mehr gewahrt ist. Diese Balance müssen wir wieder herstellen.
Ein erstaunlicher Satz für jemanden aus der hessischen Landesregierung. Haben die Demonstrationen etwas mit diesem Wandel zu tun?
Politiker sind immer gut beraten, wenn sie sich die Anliegen der Bürger nicht nur teilnahmslos anschauen, sondern wenn sie sie auch ernstnehmen. Lange bevor mein sozialdemokratischer Mitbewerber bei betroffenen Familien auf der Couch gesessen hat, habe ich mit Bürgerinitiativen gesprochen. Wenn man sieht, was los ist, dann muss man feststellen, dass sich etwas ändern muss. Auch hier kommt wieder der Begriff der Ehrlichkeit ins Spiel: eine Kapazitätserweiterung bringt nun mal zusätzliche Belastungen mit sich, da wird es kein Zurück geben können. Doch ein Maßnahmenpaket ist unterwegs.
Sonst müsste man die Landebahn ja auch gar nicht erhalten. Mit dieser Forderung tun sich ja einige Ihrer Konkurrentinnen hervor.
Wir reden hier über ein Projekt über drei Milliarden Euro! Sollten wir die Landebahn wieder aufforsten, würden wir der Fraport damit einen existentiellen Schlag versetzen, der auch die Arbeitsplätze, die der Flughafen bietet, ebenso existenziell gefährden würde. Die Forderung ist Verbalradikalismus - auch weil sie juristisch wie faktisch nicht zu leisten ist.
Sie meinen, weil dem Oberbürgermeisteramt in diesem Punkt die Macht fehlt?
Mit Wahlversprechen sollten die Kandidaten für die Wahl eben deshalb vorsichtig sein. Der Oberbürgermeister ist primus inter pares, er hat keine Richtlinienkompetenz, kann keine Gesetze erlassen. Bei all den Sträußen an Versprechungen, die ja vom 100 Millionen Euro teuren Wohnungsprogramm über Freifahrtscheine für alle bis hin zum Aufkaufen von Wohnhäusern reichen, wird derjenige, der sie mit sich herumträgt, später enorme Lieferschwierigkeiten bekommen. Ein Oberbürgermeister braucht eine Mehrheit im Parlament und eine Mehrheit im Magistrat.
Sind Sie eigentlich persönlich vom Fluglärm betroffen?
Interessanterweise hat ein Mitbewerber von mir der Bevölkerung melodramatisch mitgeteilt, dass er bislang morgens immer von seiner Tochter geweckt worden sei, seit neuestem aber vom Flughafen. Der Mann wohnt in Bonames, ich ganz in der Nähe in Nieder-Eschbach. Dort hört man wie fast überall in Frankfurt Flugzeuge, aber es gibt es keinen Fluglärm.
Warum wollen Sie überhaupt Oberbürgermeister werden? Bislang haben wir Ihre Karriereoptionen eher in Wiesbaden verortet.
Ich war hier lange Jahre Dezernent, bevor ich Innenminister in Wiesbaden wurde – und auch dann habe ich den Kontakt zu Frankfurt nie abreißen lassen. Ich bin in dieser Stadt geboren, ich bin hier aufgewachsen, ich habe hier studiert und lebe hier gerne. Ich kann schon sagen: ich liebe diese Stadt. Und es reizt mich, sie auch politisch gestalten zu können - ganz in der Tradition von Petra Roth.
Sie wollen ihre Politik fortführen?
Auf jeden Fall. Das gilt zum Beispiel für den Wohnungsbau, wo wir die Voraussetzungen dafür schaffen werden, dass mehr Menschen zu bezahlbaren Preisen in die Stadt ziehen können.
Viele Flächen sind nicht mehr übrig …
Da gebe ich Ihnen Recht, doch ich nenne Ihnen nur einmal die Stichworte Nachverdichtung und Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum. Von Fechenheim bis Höchst gilt, dass wir noch näher an den Fluss heranrücken können - an einigen Stellen auch an den Grüngürtel, ohne ihn anzutasten. Frankfurt muss noch mehr als bisher zur Familienstadt werden. Der massive Zuwachs an Betreuungsplätzen steht dafür. Mittlerweile stehen wir vor dem Problem, kaum noch Erzieher zu finden. Deswegen müssen wir mit Hochdruck an neuen und kreativen Modellen zur Personalgewinnung arbeiten, beispielsweise durch den Einsatz von Müttern und Vätern, die sich in der Betreuung ehrenamtlich engagieren möchten, durch einfachere Anerkennung ausländischer Abschlüsse, durch ein Stipendiatenprogramm, durch Reaktivierung beurlaubter Erzieherinnen und Erzieher oder dadurch, Teilzeitbeschäftigte zum Aufstocken ihrer Arbeitszeit zu motivieren.
Jetzt klingen Sie fast wie ein Sozialdemokrat, dabei sind Sie doch CDU-Innenminister …
Das klingt sozial, aber was ist daran falsch? Auch das Thema Sicherheit, das mein Thema ist, sorgt dafür, dass sich Familien in dieser Stadt wohlfühlen. Was wir brauchen, ist eine starke Stadtpolizei, einen Ausbau der Präventionsarbeit und ein weiteres Haus des Jugendrechts im Frankfurter Norden.
Sie sehen eine mangelnde Effizienz?
Nein, nicht unbedingt. Aber die Erfahrungen mit dem Haus des Jugendrechts in Höchst zeigen, dass es gerade im Bereich der Jugendkriminalität hilft, wenn alle, die an Jugendstrafverfahren beteiligt sind, unter einem Dach sitzen. Kurze Wege, direkter Kontakt und schnelle staatliche Reaktion. Das ist es, was bei jungen Straftätern Eindruck hinterlässt.
Wo bleibt der Hardliner Boris Rhein?
Richtig ist: Ich stehe für eine strikte Politik der inneren Sicherheit. Die Vorwürfe, ich sei ein Rechtsaußen und so weiter, das sind doch nur Sprüche.
Nun, es gab da in den 90ern so Sprüche von Ihnen …
Die Arbeit als Stadtrat hier in Frankfurt hat viele meiner Ansichten verändert. Sie hat mir gezeigt, dass die Dinge komplex sind, dass Sachverhalte nicht auf schwarz-weiß zu reduzieren sind.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Als ich Ordnungsdezernent war, lief die Altfallregelung aus. Früher hätte ich gesagt: wenn eine Regelung ausläuft, läuft sie aus - die Menschen gehen zurück in ihre Heimatländer. Als Ordnungsdezernent habe ich mir die Sache genauer besehen, mich mit den Menschen beschäftigt. Allesamt Menschen, die perfekt integriert sind, deren Kinder die besten Noten von der Schule mitbringen, die Frankfurt als ihre Heimat bezeichnen. Solche Leute „nach Hause“ zu schicken, wäre eine völlig widersinnige Ausländerpolitik.
Die aber leider der Gesetzeslage entspricht.
Es gibt Spielräume. Meine Frage an den Personalrat damals war: können Sie die Akten nicht einfach liegen lassen? Die Beamten konnten das nicht, aber jede einzelne Akte kam fortan auf den Tisch des Dezernenten. Und da hat sie dann gelegen, bis dann die Altfallregelung unter den Innenministern Schäuble und Bouffier kam.
Ein festes Konzept hinsichtlich dieser Fälle fehlt aber nach wie vor.
Da werden wir aber zu einer Regelung kommen, selbst wenn einige meiner Innenministerkollegen das anders sehen mögen. Die Zeiten haben sich geändert.
Und Sie sich mit Ihnen - bezeichnen Sie sich noch als Konservativer?
In Fragen der inneren Sicherheit: ja. Wir brauchen in diesem Bereich einen starken Staat.
Solche Sätze sind ja Einstellungsvoraussetzung für Innenminister.
Stimmt schon, der Ministerpräsident müsste mich abberufen, wenn ich das Gegenteil behauptete.
Hat er Sie vorher eigentlich gefragt, ob Sie gedient haben?
Hat er nicht, weil er weiß, dass ich die Wehrpflicht verweigert habe. Ich war Zivi bei den Praunheimer Werkstätten.
Langsam machen Sie uns Angst. Wie ist denn das passiert?
Das soll jetzt ja kein urlanges Gespräch werden, also erzähle ich die kurze Variante: nach meinem ersten juristischen Staatsexamen bekam ich als Zivildienstleistender passenderweise einen Verwaltungsjob zugewiesen, in dem ich grüne auf blaue auf gelbe Belege sortiert habe. Dabei wollte ich echten Zivildienst leisten - also bat ich um Versetzung. Letztlich kam ich ins Wohnheim Praunheimer Mühle der Praunheimer Werkstätten. Da habe ich Schwerstbehinderte betreut, mit allem, was dazu gehört. Die Beziehung zu diesen Menschen ist heute noch eng.
Was haben denn Ihre Freunde von der Jungen Union dazu gesagt?
Ach, das ist ein Klischee - in meiner JU-Generation war das fifty-fifty. Ich bin ohnehin dafür, ein soziales Jahr einzuführen, das für alle gilt - für Männer wie für Frauen. Diese alten Pfade muss man endlich mal verlassen.
Zurück zur Oberbürgermeisterwahl: Sagen Sie doch mal was Nettes über Peter Feldmann!
Ich kann ihn leider nicht genügend beurteilen, da er in der Stadtverordnetenversammlung nicht besonders aufgefallen ist. Nach dem, was ich von ihm lese, weiß ich nur, dass er ein sehr linker Sozialdemokrat ist.
Mit wem würden Sie denn gerne in die Stichwahl kommen?
Mein Ziel ist es am 11. März mit 50,01 Prozent die Wahl zu gewinnen.
Und die 0,01 Prozent kommen von der FDP?
Sie sind ja böse. Für mehr sind die schon noch gut. Ich würde die FDP nicht abschreiben.
Wie würde sich die Zusammenarbeit mit Frau Heilig gestalten?
Das wird sich zeigen.
Dass die Grünen antreten, macht es Ihnen natürlich schwerer…
Die Grünen sind bei der Kommunalwahl zweitstärkste Kraft geworden, ein Nichtantreten wäre den Wählern gar nicht zu vermitteln gewesen.
Daniel Cohn-Bendit will in einer Stichwahl für Peter Feldmann werben.
Viel Spaß dabei! Im Übrigen: glaubt er nicht an einen Erfolg seiner Kandidatin?
Was halten Sie eigentlich von Oliver Maria Schmitt?
Sehr unterhaltsam!
Abschlussfrage: Was machen Sie an ihrem ersten Tag als Oberbürgermeister?
Richtig lange mit Petra Roth frühstücken.
Boris Rhein: Der ehrliche Boris Rhein? Der ist immer ehrlich!
Wirklich?
Es kann nur einen geben.
Das wäre zumindest schon mal eine gute Überschrift. Auch für Ihre Wahlplakate.
… und noch dazu ist es wahr. Allerdings ist es in genauso absurder Weise wahr, wie der Spruch meines sozialdemokratischen Mitbewerbers, dass es einen arbeitenden Oberbürgermeister brauche. Ja, was denn sonst? Alles andere wäre eine Katastrophe!
Es ist aber doch eher eine repräsentative Funktion, die die Demokratie da bereithält.
Petra Roth hat die Stadt nicht nur außerordentlich gut repräsentiert, sie hat vor allem auch unzählige wichtige Projekte angestoßen. Das zeigt: man kann schon gestalten.
Kommen wir noch einmal kurz auf den Begriff der Ehrlichkeit zurück. Sie haben sich bei Ihrer Nominierungsrede fürs Nachtflugverbot eingesetzt, danach war im Spiegel zu lesen, Ministerpräsident Volker Bouffier habe Ihnen dafür einen Einlauf verpasst …
Der Ministerpräsident und ich arbeiten in einer sehr engen, vertrauensvollen Weise zusammen – da herrscht ein anderes Verhältnis als das geschilderte. Natürlich haben wir darüber diskutiert. Ergebnis: wir stehen nach wie vor zum Ergebnis der Mediation, die ein Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr vorsieht. Davon weichen wir nicht ab.
Interessanterweise geht mittlerweile selbst Volker Bouffier darüber hinaus. Er sprach davon, die Flugbewegungen insgesamt zu deckeln. Da ist er auf Ihre Position zugegangen.
Ich merke schon, dass sich seit dem CDU-Parteitag im Dezember einiges verändert. Betonen muss ich aber an dieser Stelle, dass der Reichtum und der Wohlstand in unserer Region zum größten Teil mit dem Flughafen zusammenhängen. Aber er entfaltet enorme Belastungen, bei denen die Balance zwischen den berechtigten Interessen von Anwohnern und Wirtschaft nicht mehr gewahrt ist. Diese Balance müssen wir wieder herstellen.
Ein erstaunlicher Satz für jemanden aus der hessischen Landesregierung. Haben die Demonstrationen etwas mit diesem Wandel zu tun?
Politiker sind immer gut beraten, wenn sie sich die Anliegen der Bürger nicht nur teilnahmslos anschauen, sondern wenn sie sie auch ernstnehmen. Lange bevor mein sozialdemokratischer Mitbewerber bei betroffenen Familien auf der Couch gesessen hat, habe ich mit Bürgerinitiativen gesprochen. Wenn man sieht, was los ist, dann muss man feststellen, dass sich etwas ändern muss. Auch hier kommt wieder der Begriff der Ehrlichkeit ins Spiel: eine Kapazitätserweiterung bringt nun mal zusätzliche Belastungen mit sich, da wird es kein Zurück geben können. Doch ein Maßnahmenpaket ist unterwegs.
Sonst müsste man die Landebahn ja auch gar nicht erhalten. Mit dieser Forderung tun sich ja einige Ihrer Konkurrentinnen hervor.
Wir reden hier über ein Projekt über drei Milliarden Euro! Sollten wir die Landebahn wieder aufforsten, würden wir der Fraport damit einen existentiellen Schlag versetzen, der auch die Arbeitsplätze, die der Flughafen bietet, ebenso existenziell gefährden würde. Die Forderung ist Verbalradikalismus - auch weil sie juristisch wie faktisch nicht zu leisten ist.
Sie meinen, weil dem Oberbürgermeisteramt in diesem Punkt die Macht fehlt?
Mit Wahlversprechen sollten die Kandidaten für die Wahl eben deshalb vorsichtig sein. Der Oberbürgermeister ist primus inter pares, er hat keine Richtlinienkompetenz, kann keine Gesetze erlassen. Bei all den Sträußen an Versprechungen, die ja vom 100 Millionen Euro teuren Wohnungsprogramm über Freifahrtscheine für alle bis hin zum Aufkaufen von Wohnhäusern reichen, wird derjenige, der sie mit sich herumträgt, später enorme Lieferschwierigkeiten bekommen. Ein Oberbürgermeister braucht eine Mehrheit im Parlament und eine Mehrheit im Magistrat.
Sind Sie eigentlich persönlich vom Fluglärm betroffen?
Interessanterweise hat ein Mitbewerber von mir der Bevölkerung melodramatisch mitgeteilt, dass er bislang morgens immer von seiner Tochter geweckt worden sei, seit neuestem aber vom Flughafen. Der Mann wohnt in Bonames, ich ganz in der Nähe in Nieder-Eschbach. Dort hört man wie fast überall in Frankfurt Flugzeuge, aber es gibt es keinen Fluglärm.
Warum wollen Sie überhaupt Oberbürgermeister werden? Bislang haben wir Ihre Karriereoptionen eher in Wiesbaden verortet.
Ich war hier lange Jahre Dezernent, bevor ich Innenminister in Wiesbaden wurde – und auch dann habe ich den Kontakt zu Frankfurt nie abreißen lassen. Ich bin in dieser Stadt geboren, ich bin hier aufgewachsen, ich habe hier studiert und lebe hier gerne. Ich kann schon sagen: ich liebe diese Stadt. Und es reizt mich, sie auch politisch gestalten zu können - ganz in der Tradition von Petra Roth.
Sie wollen ihre Politik fortführen?
Auf jeden Fall. Das gilt zum Beispiel für den Wohnungsbau, wo wir die Voraussetzungen dafür schaffen werden, dass mehr Menschen zu bezahlbaren Preisen in die Stadt ziehen können.
Viele Flächen sind nicht mehr übrig …
Da gebe ich Ihnen Recht, doch ich nenne Ihnen nur einmal die Stichworte Nachverdichtung und Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum. Von Fechenheim bis Höchst gilt, dass wir noch näher an den Fluss heranrücken können - an einigen Stellen auch an den Grüngürtel, ohne ihn anzutasten. Frankfurt muss noch mehr als bisher zur Familienstadt werden. Der massive Zuwachs an Betreuungsplätzen steht dafür. Mittlerweile stehen wir vor dem Problem, kaum noch Erzieher zu finden. Deswegen müssen wir mit Hochdruck an neuen und kreativen Modellen zur Personalgewinnung arbeiten, beispielsweise durch den Einsatz von Müttern und Vätern, die sich in der Betreuung ehrenamtlich engagieren möchten, durch einfachere Anerkennung ausländischer Abschlüsse, durch ein Stipendiatenprogramm, durch Reaktivierung beurlaubter Erzieherinnen und Erzieher oder dadurch, Teilzeitbeschäftigte zum Aufstocken ihrer Arbeitszeit zu motivieren.
Jetzt klingen Sie fast wie ein Sozialdemokrat, dabei sind Sie doch CDU-Innenminister …
Das klingt sozial, aber was ist daran falsch? Auch das Thema Sicherheit, das mein Thema ist, sorgt dafür, dass sich Familien in dieser Stadt wohlfühlen. Was wir brauchen, ist eine starke Stadtpolizei, einen Ausbau der Präventionsarbeit und ein weiteres Haus des Jugendrechts im Frankfurter Norden.
Sie sehen eine mangelnde Effizienz?
Nein, nicht unbedingt. Aber die Erfahrungen mit dem Haus des Jugendrechts in Höchst zeigen, dass es gerade im Bereich der Jugendkriminalität hilft, wenn alle, die an Jugendstrafverfahren beteiligt sind, unter einem Dach sitzen. Kurze Wege, direkter Kontakt und schnelle staatliche Reaktion. Das ist es, was bei jungen Straftätern Eindruck hinterlässt.
Wo bleibt der Hardliner Boris Rhein?
Richtig ist: Ich stehe für eine strikte Politik der inneren Sicherheit. Die Vorwürfe, ich sei ein Rechtsaußen und so weiter, das sind doch nur Sprüche.
Nun, es gab da in den 90ern so Sprüche von Ihnen …
Die Arbeit als Stadtrat hier in Frankfurt hat viele meiner Ansichten verändert. Sie hat mir gezeigt, dass die Dinge komplex sind, dass Sachverhalte nicht auf schwarz-weiß zu reduzieren sind.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Als ich Ordnungsdezernent war, lief die Altfallregelung aus. Früher hätte ich gesagt: wenn eine Regelung ausläuft, läuft sie aus - die Menschen gehen zurück in ihre Heimatländer. Als Ordnungsdezernent habe ich mir die Sache genauer besehen, mich mit den Menschen beschäftigt. Allesamt Menschen, die perfekt integriert sind, deren Kinder die besten Noten von der Schule mitbringen, die Frankfurt als ihre Heimat bezeichnen. Solche Leute „nach Hause“ zu schicken, wäre eine völlig widersinnige Ausländerpolitik.
Die aber leider der Gesetzeslage entspricht.
Es gibt Spielräume. Meine Frage an den Personalrat damals war: können Sie die Akten nicht einfach liegen lassen? Die Beamten konnten das nicht, aber jede einzelne Akte kam fortan auf den Tisch des Dezernenten. Und da hat sie dann gelegen, bis dann die Altfallregelung unter den Innenministern Schäuble und Bouffier kam.
Ein festes Konzept hinsichtlich dieser Fälle fehlt aber nach wie vor.
Da werden wir aber zu einer Regelung kommen, selbst wenn einige meiner Innenministerkollegen das anders sehen mögen. Die Zeiten haben sich geändert.
Und Sie sich mit Ihnen - bezeichnen Sie sich noch als Konservativer?
In Fragen der inneren Sicherheit: ja. Wir brauchen in diesem Bereich einen starken Staat.
Solche Sätze sind ja Einstellungsvoraussetzung für Innenminister.
Stimmt schon, der Ministerpräsident müsste mich abberufen, wenn ich das Gegenteil behauptete.
Hat er Sie vorher eigentlich gefragt, ob Sie gedient haben?
Hat er nicht, weil er weiß, dass ich die Wehrpflicht verweigert habe. Ich war Zivi bei den Praunheimer Werkstätten.
Langsam machen Sie uns Angst. Wie ist denn das passiert?
Das soll jetzt ja kein urlanges Gespräch werden, also erzähle ich die kurze Variante: nach meinem ersten juristischen Staatsexamen bekam ich als Zivildienstleistender passenderweise einen Verwaltungsjob zugewiesen, in dem ich grüne auf blaue auf gelbe Belege sortiert habe. Dabei wollte ich echten Zivildienst leisten - also bat ich um Versetzung. Letztlich kam ich ins Wohnheim Praunheimer Mühle der Praunheimer Werkstätten. Da habe ich Schwerstbehinderte betreut, mit allem, was dazu gehört. Die Beziehung zu diesen Menschen ist heute noch eng.
Was haben denn Ihre Freunde von der Jungen Union dazu gesagt?
Ach, das ist ein Klischee - in meiner JU-Generation war das fifty-fifty. Ich bin ohnehin dafür, ein soziales Jahr einzuführen, das für alle gilt - für Männer wie für Frauen. Diese alten Pfade muss man endlich mal verlassen.
Zurück zur Oberbürgermeisterwahl: Sagen Sie doch mal was Nettes über Peter Feldmann!
Ich kann ihn leider nicht genügend beurteilen, da er in der Stadtverordnetenversammlung nicht besonders aufgefallen ist. Nach dem, was ich von ihm lese, weiß ich nur, dass er ein sehr linker Sozialdemokrat ist.
Mit wem würden Sie denn gerne in die Stichwahl kommen?
Mein Ziel ist es am 11. März mit 50,01 Prozent die Wahl zu gewinnen.
Und die 0,01 Prozent kommen von der FDP?
Sie sind ja böse. Für mehr sind die schon noch gut. Ich würde die FDP nicht abschreiben.
Wie würde sich die Zusammenarbeit mit Frau Heilig gestalten?
Das wird sich zeigen.
Dass die Grünen antreten, macht es Ihnen natürlich schwerer…
Die Grünen sind bei der Kommunalwahl zweitstärkste Kraft geworden, ein Nichtantreten wäre den Wählern gar nicht zu vermitteln gewesen.
Daniel Cohn-Bendit will in einer Stichwahl für Peter Feldmann werben.
Viel Spaß dabei! Im Übrigen: glaubt er nicht an einen Erfolg seiner Kandidatin?
Was halten Sie eigentlich von Oliver Maria Schmitt?
Sehr unterhaltsam!
Abschlussfrage: Was machen Sie an ihrem ersten Tag als Oberbürgermeister?
Richtig lange mit Petra Roth frühstücken.
5. März 2012, 10.22 Uhr
Interview: Nils Bremer und Julia Lorenz
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