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Neue Form der Gewalt gegen Frauen
Was ist eigentlich smarte Gewalt?
Im Jahresbericht des Frauennotruf Frankfurt geht es unter anderem um das Thema „smarter Gewalt“. Aber was ist das eigentlich und wie ernst ist die Gefahr? Ein Interview mit Julia Jawtusch.
JOURNAL: Im Bericht des Frauennotrufs Frankfurt für das Jahr 2023 ist die Rede von „smarter Gewalt“. Was ist unter dem Begriff zu verstehen?
Julia Jawtusch: Smarte Gewalt ist eine Unterkategorie der digitalen Gewalt. Sprich Gewalt mithilfe von smarten Geräten, die in irgendeiner Form dem Internet of Things angehören, die über WLAN und Ähnliches funktionieren.
Info
„Internet of Things" (IoT) oder „Internet der Dinge" ist ein Begriff aus der IT. Er steht für eine vernetzte Welt aus „smarten", das heißt intelligenten, Geräten. Diese IoT-Geräte verhalten sich wie Computer und sind lokal oder über das Internet mit anderen Geräten vernetzt.
Wie viele Fälle von smarter Gewalt gab es im vorherigen Jahr?
Wir zählen bisher noch nicht explizit die smarten Gewaltfälle, sondern die digitale Gewalt. Da hatten wir im letzten Jahr 28 Fälle. Und in den letzten zehn Jahren 318 Fälle. Die Dunkelziffer ist sicher deutlich höher.
„Er weigerte sich, die Heizung anzudrehen. Frau und Kind haben im kalten Winter gefroren"
Ist es möglich, von außerhalb des Wohnraums auf die Geräte zuzugreifen?
Ja, wenn auf dem Handy Apps zum Spionieren installiert wurden oder Zugriff auf das WLAN des Hauses besteht. Um das zu beheben, lassen sich Haushaltsgeräte natürlich rebooten / zurücksetzen und W-Lan Passwörter neu einstellen. Dazu muss die betroffene Person natürlich erstmal bemerken, was los ist, und es ist mit Aufwand verbunden. Was auch schon vorkam, war ein Mann, der die Heizung über eine App gesteuert hat. Er weigerte sich, die Heizung anzudrehen. Frau und Kind haben im kalten Winter gefroren.
Welche Arten von smarter Gewalt sind Ihnen noch bekannt?
Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Air Tag irgendwo eingenäht oder versteckt wurde. Bisher sind es nur Einzelfälle. Umso wichtiger ist uns aber, dass das Thema bekannt wird. Wir glauben, dass es passieren kann, dass Frauen von ihrem Umfeld fälschlicherweise als „verrückt“ eingeschätzt werden, wenn sie sagen: „Er weiß immer, wo ich bin und taucht dort auf.“ Wir gehen davon aus, dass smarte Gewalt zunehmen wird, weil die Nutzung von smarten Geräten ebenfalls zunimmt.
„Manche Täter machen das so geschickt, dass sie subtile Fragen stellen"
Wie kann eine Frau bemerken, dass diese Dinge geschehen, wenn es oftmals versteckt abläuft?
Wenn die Frauen die smarte Gewalt erst nach einer Zeit bemerken kann es sein, dass sie den Mann zunächst als „mächtiger“ einschätzen, als er ist. Wenn Telefonate abgehört werden, Nachrichten mitgelesen und Ähnliches. Manche Täter machen das so geschickt, dass sie subtile Fragen stellen. Zum Beispiel: „Warst du wieder bei deiner Freundin XY?“ Und die Frau denkt sich: „Wahnsinn, woher kann der das wissen?“ Dann muss die Frau versiert sein und bemerken: „Ah, okay, der liest dort mit oder der hört das ab.“ Das kann eine Weile dauern, je nachdem, wie geschickt er sich dabei anstellt. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich aufgrund unserer Beratungspraxis von Frauen als Betroffenen und Männern als Tätern spreche, das muss natürlich nicht immer so herum sein.
An welche Stellen kann sich eine Frau wenden, wenn sie smarte Gewalt bemerkt?
Frauen können sich an uns wenden, weil wir die Problematik kennen. Die Polizei hat sie auch auf dem Schirm. Es gibt Stellen, die technisch helfen können. Außerdem gibt es diverse Anleitungen im Internet, wie man seine Geräte auf Spyware oder Ortung prüft und diese gegebenenfalls entfernt. Es gibt Organisationen, die dabei unterstützen. Was das Juristische angeht, gibt es Anwälte, Anwältinnen, die sich auf digitale Gewalt spezialisiert haben, aber auch andere AnwältInnen können helfen, da letztlich dieselben strafrechtlich relevante Delikte dahinter stehen wie bei Delikten in der analogen Welt. Es gibt definitiv Möglichkeiten und je schneller und je konsequenter die betroffene Person handelt, desto besser. Wichtig kann auch sein, rechtssichere Screenshots anzufertigen, um Stalking und Nachstellung nachzuweisen.
„Wir bieten Frauen einen Raum, um über ihre Situation zu sprechen und nehmen sie ernst"
Was passiert genau, wenn sich eine Frau an den Frauennotruf wendet?
Die Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Hessen, machen nichts über den Kopf der Frau hinweg. Wir bieten einen Raum, um über ihre Situation zu sprechen und nehmen sie ernst. Die Frau darf selbst entscheiden, was sie macht oder auch nicht. So ist das sehr niederschwellig. Sie darf auch anonym bleiben. Sie kann Beratungen jederzeit abbrechen und wird nur beraten, ohne dass Folgen eingeleitet werden.
Natürlich kann sich das Umfeld an uns wenden, wir würden aber ermutigen, dass die betroffene Person das selbst macht. Wir beraten telefonisch, online mit einem datensicheren Videotool, und persönlich bei uns in der Beratungsstelle.
Was würden Sie Frauen raten, wenn sich trotz Beratung an der Situation nichts ändert?
Ich würde gerne auf eine Broschüre hinweisen, die wir mit herausgegeben haben. Die gibt es auf der Webseite www.frauen-gegen-gewalt.de und sie heißt „Digitale Gewalt“. Da geht es unter anderem ums Ausspionieren und Abfangen von Daten, Ortung und digitale Kontrolle mit vernetzten Gegenständen. Es ist so aufgearbeitet, dass man jeweils für die verschiedenen digitalen Gewaltformen sieht, welche strafrechtlichen Verletzungen, welche juristische Einordnung dahinter stehen und welche Vorgehensweise sinnvoll ist, um die Gewalt zu stoppen.
Info
Julia Jawtusch arbeitet als psychosoziale Beraterin in der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt. Dort berät sie Frauen und Mädchen, die Gewalt erleben und
erlebt haben.
Die Beratungsstelle Frauennotruf in Frankfurt ist unter der Woche von 9 bis 14 Uhr unter der 069/70 94 94 erreichbar. Per Mail: beratung@frauennotruf-frankfurt.de, der Jahresbericht ist hier einzusehen.
Julia Jawtusch: Smarte Gewalt ist eine Unterkategorie der digitalen Gewalt. Sprich Gewalt mithilfe von smarten Geräten, die in irgendeiner Form dem Internet of Things angehören, die über WLAN und Ähnliches funktionieren.
„Internet of Things" (IoT) oder „Internet der Dinge" ist ein Begriff aus der IT. Er steht für eine vernetzte Welt aus „smarten", das heißt intelligenten, Geräten. Diese IoT-Geräte verhalten sich wie Computer und sind lokal oder über das Internet mit anderen Geräten vernetzt.
Wie viele Fälle von smarter Gewalt gab es im vorherigen Jahr?
Wir zählen bisher noch nicht explizit die smarten Gewaltfälle, sondern die digitale Gewalt. Da hatten wir im letzten Jahr 28 Fälle. Und in den letzten zehn Jahren 318 Fälle. Die Dunkelziffer ist sicher deutlich höher.
Ist es möglich, von außerhalb des Wohnraums auf die Geräte zuzugreifen?
Ja, wenn auf dem Handy Apps zum Spionieren installiert wurden oder Zugriff auf das WLAN des Hauses besteht. Um das zu beheben, lassen sich Haushaltsgeräte natürlich rebooten / zurücksetzen und W-Lan Passwörter neu einstellen. Dazu muss die betroffene Person natürlich erstmal bemerken, was los ist, und es ist mit Aufwand verbunden. Was auch schon vorkam, war ein Mann, der die Heizung über eine App gesteuert hat. Er weigerte sich, die Heizung anzudrehen. Frau und Kind haben im kalten Winter gefroren.
Welche Arten von smarter Gewalt sind Ihnen noch bekannt?
Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Air Tag irgendwo eingenäht oder versteckt wurde. Bisher sind es nur Einzelfälle. Umso wichtiger ist uns aber, dass das Thema bekannt wird. Wir glauben, dass es passieren kann, dass Frauen von ihrem Umfeld fälschlicherweise als „verrückt“ eingeschätzt werden, wenn sie sagen: „Er weiß immer, wo ich bin und taucht dort auf.“ Wir gehen davon aus, dass smarte Gewalt zunehmen wird, weil die Nutzung von smarten Geräten ebenfalls zunimmt.
Wie kann eine Frau bemerken, dass diese Dinge geschehen, wenn es oftmals versteckt abläuft?
Wenn die Frauen die smarte Gewalt erst nach einer Zeit bemerken kann es sein, dass sie den Mann zunächst als „mächtiger“ einschätzen, als er ist. Wenn Telefonate abgehört werden, Nachrichten mitgelesen und Ähnliches. Manche Täter machen das so geschickt, dass sie subtile Fragen stellen. Zum Beispiel: „Warst du wieder bei deiner Freundin XY?“ Und die Frau denkt sich: „Wahnsinn, woher kann der das wissen?“ Dann muss die Frau versiert sein und bemerken: „Ah, okay, der liest dort mit oder der hört das ab.“ Das kann eine Weile dauern, je nachdem, wie geschickt er sich dabei anstellt. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich aufgrund unserer Beratungspraxis von Frauen als Betroffenen und Männern als Tätern spreche, das muss natürlich nicht immer so herum sein.
An welche Stellen kann sich eine Frau wenden, wenn sie smarte Gewalt bemerkt?
Frauen können sich an uns wenden, weil wir die Problematik kennen. Die Polizei hat sie auch auf dem Schirm. Es gibt Stellen, die technisch helfen können. Außerdem gibt es diverse Anleitungen im Internet, wie man seine Geräte auf Spyware oder Ortung prüft und diese gegebenenfalls entfernt. Es gibt Organisationen, die dabei unterstützen. Was das Juristische angeht, gibt es Anwälte, Anwältinnen, die sich auf digitale Gewalt spezialisiert haben, aber auch andere AnwältInnen können helfen, da letztlich dieselben strafrechtlich relevante Delikte dahinter stehen wie bei Delikten in der analogen Welt. Es gibt definitiv Möglichkeiten und je schneller und je konsequenter die betroffene Person handelt, desto besser. Wichtig kann auch sein, rechtssichere Screenshots anzufertigen, um Stalking und Nachstellung nachzuweisen.
Was passiert genau, wenn sich eine Frau an den Frauennotruf wendet?
Die Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Hessen, machen nichts über den Kopf der Frau hinweg. Wir bieten einen Raum, um über ihre Situation zu sprechen und nehmen sie ernst. Die Frau darf selbst entscheiden, was sie macht oder auch nicht. So ist das sehr niederschwellig. Sie darf auch anonym bleiben. Sie kann Beratungen jederzeit abbrechen und wird nur beraten, ohne dass Folgen eingeleitet werden.
Natürlich kann sich das Umfeld an uns wenden, wir würden aber ermutigen, dass die betroffene Person das selbst macht. Wir beraten telefonisch, online mit einem datensicheren Videotool, und persönlich bei uns in der Beratungsstelle.
Was würden Sie Frauen raten, wenn sich trotz Beratung an der Situation nichts ändert?
Ich würde gerne auf eine Broschüre hinweisen, die wir mit herausgegeben haben. Die gibt es auf der Webseite www.frauen-gegen-gewalt.de und sie heißt „Digitale Gewalt“. Da geht es unter anderem ums Ausspionieren und Abfangen von Daten, Ortung und digitale Kontrolle mit vernetzten Gegenständen. Es ist so aufgearbeitet, dass man jeweils für die verschiedenen digitalen Gewaltformen sieht, welche strafrechtlichen Verletzungen, welche juristische Einordnung dahinter stehen und welche Vorgehensweise sinnvoll ist, um die Gewalt zu stoppen.
Julia Jawtusch arbeitet als psychosoziale Beraterin in der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt. Dort berät sie Frauen und Mädchen, die Gewalt erleben und
erlebt haben.
Die Beratungsstelle Frauennotruf in Frankfurt ist unter der Woche von 9 bis 14 Uhr unter der 069/70 94 94 erreichbar. Per Mail: beratung@frauennotruf-frankfurt.de, der Jahresbericht ist hier einzusehen.
30. Oktober 2024, 11.15 Uhr
Lukas Mezler
Lukas Mezler
Jahrgang 1997, Studium der Sozial- und Kulturanthropologie an der Goethe-Universität Frankfurt, EHESS in Paris. Seit Oktober 2024 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Lukas
Mezler >>
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