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Nach der OB-Wahl
„Das Ergebnis der OB-Wahl ist keine eindrucksvolle Legitimation“
Was kann der neue OB Mike Josef von der SPD für Frankfurt bewirken? ÖkoLinX-Politikerin und Römer-Abgeordnete Jutta Ditfurth spricht mit dem JOURNAL über die Folgen der OB-Wahl.
Frau Ditfurth, Sie waren seinerzeit gegen die Abwahl von Peter Feldmann. Inwiefern wird Josef vom Erbe seines Vorgängers belastet?
ÖkoLinX und ich waren dafür, dass Peter Feldmann zurücktritt. Das hatte er am Ende angeboten und der Magistrat und Parteien hätten das annehmen sollen. Das hätte auch Neuwahlen ermöglicht, die zeitfressende Abwahlkampagne erspart sowie 1,6 Mio Euro. Die SPD bleibt durch die AWO-Affäre belastet. Niemand weiß, ob alles wirklich aufgeklärt ist. Wer durchblickt die jahrzehntelangen Beziehungen zwischen SPD und AWO?
Und Mike Josef?
Mike Josef kommt nicht aus dem AWO-Sumpf. Seine Biographie ist eine andere. Er kam als Kind aus Syrien und als Student nach Frankfurt und ging dann zum DGB. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir vor rund 20 Jahren, da war er AStA-Vorsitzender, im Protest gegen die zu hohen Studiengebühren gemeinsam mit vielen anderen die Autobahn besetzt.
© Foto: Philipp von Ditfurth
„Feldmann hat nicht genug für bezahlbare Mieten getan“
Was sollte er in Feldmanns Sinne weiterführen?
Feldmann hat betont, dass Mieten bezahlbar sein müssen, aber er hat längst nicht genug dafür getan. Es sind in den letzten Jahrzehnten unter Koalitionen an denen die SPD, die CDU, die Grünen und die FDP beteiligt waren, mehr als 40 000 Sozialwohnungen verloren gegangen. Auch jetzt und in Zukunft fallen viele aus der Sozialbindung, aber nur maximal ein paar Tausend wurden und werden neu gebaut.
Also müssen sich die Verhältnisse ändern?
In meiner Nachbarschaft wurden so viele früher bezahlbare Mietwohnungen zu Luxuseigentumswohnungen – mit Genehmigung der Stadt –, dass ich über die Jahre leider rund 90 Prozent meiner Nachbar:innen verloren habe. Der Anteil von Leuten mit starken Autos und schwachem Sozialverhalten ist sehr stark gestiegen. Nicht schön. Berlin zum Beispiel hat eine viel größere Fläche, dort werden Mieter:innen bei Gentrifizierung erstmal in die ärmeren Stadtteile vertrieben und müssen deshalb als Wähler:innen von der etablierten Politik noch berücksichtig werden. Im kleineren Frankfurt hingegen werden Mieter:innen, die ihre Miete nicht mehr schaffen, schnell über die Stadtgrenze verdrängt und sind dann Wähler:innen in Maintal, Offenbach oder Hofheim.
„In Frankfurt werden Mieter:innen aus der Stadt verdrängt“
Was konkret erwarten Sie von Mike Josef und seinem neuen Planungsdezernenten Marcus Gwechenberger, der im Juni gewählt werden soll?
Von seiner politischen Einstellung her ist Mike Josef ähnlich sozial eingestellt wie Feldmann. Aber was bedeutet das in der Praxis? Frankfurt ist das Zentrum des Immobilienkapitals, mit diesem eng verflochten sind die Banken und Finanzinstitute. Haben der neue OB Josef und sein neuer Planungsdezernent Marcus Gwechenberger genug Rückgrat, um dem scharfen ökonomischen und psychologischen Druck zu widerstehen? Unterstützt der Magistrat sie? Sind beide in der Lage, ernsthaft gegen die Klimakatastrophe vorzugehen?
Das war im Wahlkampf kein SPD-Kernthema …
Frankfurt ist im weltweiten Vergleich zwar hochprivilegiert, aber auch diese Stadt wird zu heiß und zu trocken. Das ist für viele Menschen lebensgefährlich und wird unbezahlbar. Die Grundwasserreservoirs in Frankfurt und im Umland verschwinden. Der Stadtwald ist schwerkrank. Ohne Umstellung vieler Produktionen und ohne die Verdrängung des Autoverkehrs, vor allem des Pendlerverkehrs aus der City und in den ÖPNV, gibt es keine Chance. Haben der Oberbürgermeister und der künftige Planungsdezernent das verstanden, oder stecken sie noch im sozialdemokratischen technokratischen Aberglauben des 20. Jahrhunderts fest?
Josef hat im OB-Wahlkampf damit für sich geworben, dass er „ökologisch“ ist. Begreift er wirklich, dass Grünflächen, Frisch- und Kaltluftschneisen in Frankfurt nicht mehr zugebaut werden dürfen? Weiß das auch sein neuer Planungsdezernent? Ich erinnere daran, wie mühsam es war, den Planungsdezernenten Josef vom Bau der Günthersburghöfe abzubringen.
„Begreift Josef, dass in Frankfurt Grünflächen nicht mehr zugebaut werden dürfen?“
Die älteren Frankfurterinnen haben den CDU-Kandidaten Uwe Becker gewählt. Was heißt das für die Stadtregierung?
Dieser Block von 48,3 Prozent für den CDU-Kandidaten zeigt, wie konservativ ein großer Teil der Frankfurter:innen inzwischen ist und wie unsozial, unökologisch und autofreundlich. Dieser Block bietet viel Spielraum für Frauenfeindlichkeit, christlichen Fundamentalismus und Rassismus. Da nützt es auch nichts, dass Uwe Becker im persönlichen Umgang freundlich ist und gute Reden gegen Antisemitismus hält. Die Interessen hinter ihm sind wie viele seiner Anhänger:innen weniger freundlich.
Uwe Becker sieht sich im Nachgang als Einzelkämpfer. Er habe „allein gegen den Rest“ gestanden. Waren die Römer-Fraktionen tatsächlich geschlossen für Josef?
„Alle gegen mich“ ist der Versuch einer rührseligen Heldenerzählung. Auch große Teile der FDP und der AfD sowie kleinere der Grünen haben Becker gewählt. Becker hat sich sogar gegen eine gemäßigte Verdrängung des Autoverkehrs aus der Stadt ausgesprochen! Er hat einen Bürger:innenaufstand gegen die viel zu moderaten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im und um den Oeder Weg zu mobilisieren versucht. Damit ist er glücklicherweise auf die Nase gefallen. Er ist auch der Kandidat einer Partei, die große Mühe hat, zu begreifen, was es bedeutet, dass die Mehrheit der jungen Leute in Frankfurt eine Herkunft mit Migrationsgeschichte hat. Da muss er sich nicht wundern.
„Nur 28 Prozent der erwachsenen Menschen in Frankfurt haben sich an der OB-Wahl beteiligt oder beteiligen dürfen“
Was sagen Sie zur schlechten Wahlbeteiligung?
Tatsächlich ist sehr interessant, dass 64,6 Prozent der 508 510 Wahlberechtigten in Frankfurt überhaupt nicht zur Wahl gegangen sind. Dazu kommen noch einmal 123 000 Menschen, die nicht wählen dürfen, obwohl sie ihren Hauptwohnsitz in Frankfurt haben oder sogar hier aufgewachsen sind – nur weil sie keinen deutschen oder EU-Pass haben. Das ist eine undemokratische und rassistische Schweinerei. Grob gesagt haben nur 28 Prozent der erwachsenen Menschen in Frankfurt sich an der OB-Wahl beteiligt oder beteiligen dürfen, davon gingen jeweils rund die Hälfte an den CDU- bzw. den SPD-Kandidaten. Das ist keine eindrucksvolle Legitimation.
Was erwarten Sie von Mike Josef? Inwiefern kann er als Bürgermeister der Stadt seinen Stempel aufdrücken?
Ich hab in meinem politischen Leben allzu oft beobachtet, wie hart die Strukturen politischer Institutionen auf Individuen einwirken und Menschen zu ihrem Nachteil verändern. Ich hoffe, Mike Josef hebt nicht so schnell ab wie Peter Feldmann. Der änderte ja sogar seinen Gang, als er OB wurde. Er fing an zu schreiten, so beeindruckt war er von der eigenen Bedeutung.
Was ist an Josef „linkssozialdemokratisch“, wie Sie es auf Twitter formulieren?
Es gibt einen großen rechten Flügel in der SPD, zu dem gehört er noch nicht. Und ich hab schon viele Jusos von links nach rechts an mir vorbeiziehen sehen. Mike Josef hat eine migrantische Herkunftsgeschichte und Erfahrungen mit Rassismus, die ihn eher nach links gedrängt haben. Wie verdächtig ihn das in den Augen vieler traditioneller SPD-Wähler:innen gemacht hat, zeigen die sinkenden SPD-Wähler:innen-Anteile.
„Das eigentlich spektakuläre dieser OB-Wahl ist ja das Desaster der SPD“
Das eigentlich spektakuläre und folgenreiche Ergebnis dieser OB-Wahl ist ja das Desaster der SPD, das sich hinter dem Sieg von Mike Josef verbirgt – ein Paradoxon. Mike Josef hat in der Stichwahl am 26. März zwar 51,7 Prozent aller Wahlstimmen bekommen, aber nur 23,1 Prozent der SPD-Wahlstimmen von der Kommunalwahl 2021! Die restlichen 76,9 Prozent seiner Wahlstimmen kamen jetzt von Wähler:innen der Grünen, der Linken, von ÖkoLinX, Volt und von Nichtwähler:innen. Josef war also nicht der Kandidat der SPD, sondern all derjenigen, die in Frankfurt – auf höchst unterschiedliche Weise – eher auf der sozialer denkenden, tendenziell fortschrittlichen Seite stehen und sich überhaupt noch an Wahlen beteiligen.
Was heißt das für die Hessen-SPD?
Die Josef-Wähler:innen haben bei künftigen Kommunalwahlen in Frankfurt mehr Optionen als nur die SPD und wählen potentiell wieder andere Parteien. Das könnte die SPD auf 10-15 Prozent der Stimmen drücken. Beim schwarzen Block der CDU wird weniger abschmelzen. Diese Last drückt auf Josef. So was drängt die meisten Menschen eher in die Anpassung. Die hauptsächliche gesellschaftliche Entwicklung läuft auch eher nach rechts. Die soziale Gegenmacht in Frankfurt, die politischen Druck gegen die Interessen des Kapitals und der politischen Rechten entfalten könnte, ist nicht stark genug. Wir werden sehen. Was ÖkoLinX zur Stärkung emanzipatorischer linker Gegenmacht in der Stadt beitragen kann, werden wir tun.
INFO_______________________________________________________
Jutta Ditfurth ist Autorin, Soziologin und Politikerin. Für die kommunale Wählervereinigung ÖkoLinX-Antirassistische Liste wurde sie 2021 erneut in den Römer gewählt. Dort ist sie Fraktionsvorsitzende von ÖkoLinX-ELF. Ditfurth schreibt historische und politische Sachbücher.
ÖkoLinX und ich waren dafür, dass Peter Feldmann zurücktritt. Das hatte er am Ende angeboten und der Magistrat und Parteien hätten das annehmen sollen. Das hätte auch Neuwahlen ermöglicht, die zeitfressende Abwahlkampagne erspart sowie 1,6 Mio Euro. Die SPD bleibt durch die AWO-Affäre belastet. Niemand weiß, ob alles wirklich aufgeklärt ist. Wer durchblickt die jahrzehntelangen Beziehungen zwischen SPD und AWO?
Und Mike Josef?
Mike Josef kommt nicht aus dem AWO-Sumpf. Seine Biographie ist eine andere. Er kam als Kind aus Syrien und als Student nach Frankfurt und ging dann zum DGB. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir vor rund 20 Jahren, da war er AStA-Vorsitzender, im Protest gegen die zu hohen Studiengebühren gemeinsam mit vielen anderen die Autobahn besetzt.
© Foto: Philipp von Ditfurth
„Feldmann hat nicht genug für bezahlbare Mieten getan“
Was sollte er in Feldmanns Sinne weiterführen?
Feldmann hat betont, dass Mieten bezahlbar sein müssen, aber er hat längst nicht genug dafür getan. Es sind in den letzten Jahrzehnten unter Koalitionen an denen die SPD, die CDU, die Grünen und die FDP beteiligt waren, mehr als 40 000 Sozialwohnungen verloren gegangen. Auch jetzt und in Zukunft fallen viele aus der Sozialbindung, aber nur maximal ein paar Tausend wurden und werden neu gebaut.
Also müssen sich die Verhältnisse ändern?
In meiner Nachbarschaft wurden so viele früher bezahlbare Mietwohnungen zu Luxuseigentumswohnungen – mit Genehmigung der Stadt –, dass ich über die Jahre leider rund 90 Prozent meiner Nachbar:innen verloren habe. Der Anteil von Leuten mit starken Autos und schwachem Sozialverhalten ist sehr stark gestiegen. Nicht schön. Berlin zum Beispiel hat eine viel größere Fläche, dort werden Mieter:innen bei Gentrifizierung erstmal in die ärmeren Stadtteile vertrieben und müssen deshalb als Wähler:innen von der etablierten Politik noch berücksichtig werden. Im kleineren Frankfurt hingegen werden Mieter:innen, die ihre Miete nicht mehr schaffen, schnell über die Stadtgrenze verdrängt und sind dann Wähler:innen in Maintal, Offenbach oder Hofheim.
„In Frankfurt werden Mieter:innen aus der Stadt verdrängt“
Was konkret erwarten Sie von Mike Josef und seinem neuen Planungsdezernenten Marcus Gwechenberger, der im Juni gewählt werden soll?
Von seiner politischen Einstellung her ist Mike Josef ähnlich sozial eingestellt wie Feldmann. Aber was bedeutet das in der Praxis? Frankfurt ist das Zentrum des Immobilienkapitals, mit diesem eng verflochten sind die Banken und Finanzinstitute. Haben der neue OB Josef und sein neuer Planungsdezernent Marcus Gwechenberger genug Rückgrat, um dem scharfen ökonomischen und psychologischen Druck zu widerstehen? Unterstützt der Magistrat sie? Sind beide in der Lage, ernsthaft gegen die Klimakatastrophe vorzugehen?
Das war im Wahlkampf kein SPD-Kernthema …
Frankfurt ist im weltweiten Vergleich zwar hochprivilegiert, aber auch diese Stadt wird zu heiß und zu trocken. Das ist für viele Menschen lebensgefährlich und wird unbezahlbar. Die Grundwasserreservoirs in Frankfurt und im Umland verschwinden. Der Stadtwald ist schwerkrank. Ohne Umstellung vieler Produktionen und ohne die Verdrängung des Autoverkehrs, vor allem des Pendlerverkehrs aus der City und in den ÖPNV, gibt es keine Chance. Haben der Oberbürgermeister und der künftige Planungsdezernent das verstanden, oder stecken sie noch im sozialdemokratischen technokratischen Aberglauben des 20. Jahrhunderts fest?
Josef hat im OB-Wahlkampf damit für sich geworben, dass er „ökologisch“ ist. Begreift er wirklich, dass Grünflächen, Frisch- und Kaltluftschneisen in Frankfurt nicht mehr zugebaut werden dürfen? Weiß das auch sein neuer Planungsdezernent? Ich erinnere daran, wie mühsam es war, den Planungsdezernenten Josef vom Bau der Günthersburghöfe abzubringen.
„Begreift Josef, dass in Frankfurt Grünflächen nicht mehr zugebaut werden dürfen?“
Die älteren Frankfurterinnen haben den CDU-Kandidaten Uwe Becker gewählt. Was heißt das für die Stadtregierung?
Dieser Block von 48,3 Prozent für den CDU-Kandidaten zeigt, wie konservativ ein großer Teil der Frankfurter:innen inzwischen ist und wie unsozial, unökologisch und autofreundlich. Dieser Block bietet viel Spielraum für Frauenfeindlichkeit, christlichen Fundamentalismus und Rassismus. Da nützt es auch nichts, dass Uwe Becker im persönlichen Umgang freundlich ist und gute Reden gegen Antisemitismus hält. Die Interessen hinter ihm sind wie viele seiner Anhänger:innen weniger freundlich.
Uwe Becker sieht sich im Nachgang als Einzelkämpfer. Er habe „allein gegen den Rest“ gestanden. Waren die Römer-Fraktionen tatsächlich geschlossen für Josef?
„Alle gegen mich“ ist der Versuch einer rührseligen Heldenerzählung. Auch große Teile der FDP und der AfD sowie kleinere der Grünen haben Becker gewählt. Becker hat sich sogar gegen eine gemäßigte Verdrängung des Autoverkehrs aus der Stadt ausgesprochen! Er hat einen Bürger:innenaufstand gegen die viel zu moderaten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im und um den Oeder Weg zu mobilisieren versucht. Damit ist er glücklicherweise auf die Nase gefallen. Er ist auch der Kandidat einer Partei, die große Mühe hat, zu begreifen, was es bedeutet, dass die Mehrheit der jungen Leute in Frankfurt eine Herkunft mit Migrationsgeschichte hat. Da muss er sich nicht wundern.
„Nur 28 Prozent der erwachsenen Menschen in Frankfurt haben sich an der OB-Wahl beteiligt oder beteiligen dürfen“
Was sagen Sie zur schlechten Wahlbeteiligung?
Tatsächlich ist sehr interessant, dass 64,6 Prozent der 508 510 Wahlberechtigten in Frankfurt überhaupt nicht zur Wahl gegangen sind. Dazu kommen noch einmal 123 000 Menschen, die nicht wählen dürfen, obwohl sie ihren Hauptwohnsitz in Frankfurt haben oder sogar hier aufgewachsen sind – nur weil sie keinen deutschen oder EU-Pass haben. Das ist eine undemokratische und rassistische Schweinerei. Grob gesagt haben nur 28 Prozent der erwachsenen Menschen in Frankfurt sich an der OB-Wahl beteiligt oder beteiligen dürfen, davon gingen jeweils rund die Hälfte an den CDU- bzw. den SPD-Kandidaten. Das ist keine eindrucksvolle Legitimation.
Was erwarten Sie von Mike Josef? Inwiefern kann er als Bürgermeister der Stadt seinen Stempel aufdrücken?
Ich hab in meinem politischen Leben allzu oft beobachtet, wie hart die Strukturen politischer Institutionen auf Individuen einwirken und Menschen zu ihrem Nachteil verändern. Ich hoffe, Mike Josef hebt nicht so schnell ab wie Peter Feldmann. Der änderte ja sogar seinen Gang, als er OB wurde. Er fing an zu schreiten, so beeindruckt war er von der eigenen Bedeutung.
Was ist an Josef „linkssozialdemokratisch“, wie Sie es auf Twitter formulieren?
Es gibt einen großen rechten Flügel in der SPD, zu dem gehört er noch nicht. Und ich hab schon viele Jusos von links nach rechts an mir vorbeiziehen sehen. Mike Josef hat eine migrantische Herkunftsgeschichte und Erfahrungen mit Rassismus, die ihn eher nach links gedrängt haben. Wie verdächtig ihn das in den Augen vieler traditioneller SPD-Wähler:innen gemacht hat, zeigen die sinkenden SPD-Wähler:innen-Anteile.
„Das eigentlich spektakuläre dieser OB-Wahl ist ja das Desaster der SPD“
Das eigentlich spektakuläre und folgenreiche Ergebnis dieser OB-Wahl ist ja das Desaster der SPD, das sich hinter dem Sieg von Mike Josef verbirgt – ein Paradoxon. Mike Josef hat in der Stichwahl am 26. März zwar 51,7 Prozent aller Wahlstimmen bekommen, aber nur 23,1 Prozent der SPD-Wahlstimmen von der Kommunalwahl 2021! Die restlichen 76,9 Prozent seiner Wahlstimmen kamen jetzt von Wähler:innen der Grünen, der Linken, von ÖkoLinX, Volt und von Nichtwähler:innen. Josef war also nicht der Kandidat der SPD, sondern all derjenigen, die in Frankfurt – auf höchst unterschiedliche Weise – eher auf der sozialer denkenden, tendenziell fortschrittlichen Seite stehen und sich überhaupt noch an Wahlen beteiligen.
Was heißt das für die Hessen-SPD?
Die Josef-Wähler:innen haben bei künftigen Kommunalwahlen in Frankfurt mehr Optionen als nur die SPD und wählen potentiell wieder andere Parteien. Das könnte die SPD auf 10-15 Prozent der Stimmen drücken. Beim schwarzen Block der CDU wird weniger abschmelzen. Diese Last drückt auf Josef. So was drängt die meisten Menschen eher in die Anpassung. Die hauptsächliche gesellschaftliche Entwicklung läuft auch eher nach rechts. Die soziale Gegenmacht in Frankfurt, die politischen Druck gegen die Interessen des Kapitals und der politischen Rechten entfalten könnte, ist nicht stark genug. Wir werden sehen. Was ÖkoLinX zur Stärkung emanzipatorischer linker Gegenmacht in der Stadt beitragen kann, werden wir tun.
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Jutta Ditfurth ist Autorin, Soziologin und Politikerin. Für die kommunale Wählervereinigung ÖkoLinX-Antirassistische Liste wurde sie 2021 erneut in den Römer gewählt. Dort ist sie Fraktionsvorsitzende von ÖkoLinX-ELF. Ditfurth schreibt historische und politische Sachbücher.
3. April 2023, 11.32 Uhr
Katja Thorwarth
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Katja
Thorwarth >>
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