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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Jahrestag Ukraine-Krieg

„Weder Russland noch die Ukraine haben eine Chance, den Krieg zu gewinnen“

Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine, und nicht wenige sind im dritten Jahr kriegsmüde. Das JOURNAL sprach mit dem Friedensaktivisten Schwoerer über Kriegstüchtigkeit und die Forderung nach mehr Diplomatie.
Herr Schwoerer, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine jährt sich zum zweiten Mal. Inwiefern hat der Krieg die Friedensbewegung verändert?
Thomas Carl Schwoerer: Die Friedensbewegung hat noch weniger Verständnis als vor einem Jahr für Waffenlieferungen, die diesen Krieg verlängern oder weiter eskalieren. Sie fordert um so energischer einen Waffenstillstand und Verhandlungen, natürlich in Absprache mit der Ukraine. Sie stellt fest, dass Hunderttausende gestorben sind und die ukrainische Gegenoffensive gescheitert und zum Stillstand gekommen ist.

Was heißt das?
Weder Russland noch die Ukraine haben eine realistische Chance, diesen Krieg zu gewinnen, in dem es nur Verlierer geben kann. Die Lösung auf dem Schlachtfeld zu suchen, ist für die Friedensbewegung keine verantwortungsvolle Alternative. Zudem erhöht sich laut Jürgen Habermas mit jedem Tag, an dem Verhandlungen nicht eingeleitet werden, die Gefahr eines Kapitulationsfriedens der Ukraine oder – um diesen abzuwenden – einer noch stärkeren, direkten Kriegsbeteiligung der Nato. Es ist zu befürchten, dass diese sich zu einem Dritten Weltkrieg ausweiten würde, der wahrscheinlich ein atomarer wäre.

Krieg in der Ukraine geht in das dritte Jahr

Oder anders. Wie hat sich die Gesellschaft verändert, wenn man den Worten vom Verteidigungsminister Boris Pistorius von der „Kriegstüchtigkeit“ folgt?
Vorletzten Donnerstag haben sich über Hundert Zwölftklässler:innen in einer Dreieicher Schule am Anfang einer Veranstaltung räumlich aufgestellt, um ihre Haltung zu mehreren Statements auszudrücken. 95 Prozent haben damit ihre große Skepsis gegen Militär und Krieg zum Ausdruck gebracht. Das ist ein Indiz dafür, dass die Gesellschaft der Rhetorik des Ministers zur Rechtfertigung des Hochrüstungskurses noch lange nicht folgt, die auch in seiner Partei hoch umstritten ist und dem Friedensgebot des Grundgesetzes widerspricht.

Info
Zur Person:

Thomas Carl Schwoerer ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Mitglied im Koordinierungskreis von „Sicherheit neu denken“ und vertritt beide im bundesweiten Bündnis „Stoppt das Töten in der Ukraine“. Er ist Verleger und Autor und war 20 Jahre lang Geschäftsführender Gesellschafter des Campus Verlags Frankfurt/New York.


Margot Käßmann wird in Frankfurt eine Rede halten. Sie wolle nicht „kriegstüchtig“ sein. Sehen sie keine Gefahr dahingehend, dass Russland auch andere Länder angreifen wird und sich Deutschland diesbezüglich wappnen muss?
Russland ist es im Laufe von zwei Jahren nicht gelungen, vier annektierte ukrainische Oblaste in Gänze einzunehmen. Da ist es kaum vorstellbar, dass es Nato-Staaten angreift mit den damit verbundenen weit höheren Risiken.

Schwoerer: Wir brauchen mehr diplomatische Initiative zur Beendigung des Krieges

Und schauen wir uns bitte an, welcher Preis uns für dieses „Wappnen“ zugemutet wird: Über 70 Milliarden Euro jährlich und eine zunehmende Unsicherheit statt Sicherheit. Wir sollten nicht den weltweit drittgrößten Rüstungsetat haben wollen, auf den dieses Aufrüstungsprogramm hinausläuft, zu Lasten der Sozial- und Klimaschutzausgaben. Zivile Konfliktprävention und eine soziale Verteidigung wären eine deutlich effektivere und kostengünstigere Alternative; letztere sollte bei uns eingeführt werden.

Sie sprechen von Verhandlungen, für die Sie sich einsetzen. Experten halten dagegen, dass Putin gar nicht verhandeln will. Was sagen Sie dazu?
Im Interview mit Tucker Carlson hat er seine Verhandlungsbereitschaft bekundet. Wir werden‘s erst wissen, wenn wir ihn beim Wort nehmen und ernsthaft zu verhandeln versuchen. Bisher investiert die Bundesregierung kaum Energie in das Zustandekommen solcher Verhandlungen, sondern führt die allermeisten Gespräche mit dem – bislang vergeblichen – Ziel, Druck auf Russland aufzubauen. Diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges kommen vor allem von Ländern des Globalen Südens. Das muss sich ändern.

Wie sehen Sie die Zukunft der Friedensbewegung?
Sie wird weiterhin beharrlich für diese Ziele eintreten, damit nicht weitere Abertausende dem Krieg zum Opfer fallen. Am 24. werden mehr Menschen an der Demo in Frankfurt teilnehmen als vor einem Jahr. Der nächste Schritt ist der Ostermarsch.
 
Fotogalerie:
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24. Februar 2024, 11.28 Uhr
Katja Thorwarth
 
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Katja Thorwarth >>
 
 
 
 
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