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Haus der Demokratie
„Die Paulskirche kann mehr als Preisverleihungen“
Der Neubau eines Hauses der Demokratie auf dem Frankfurter Paulsplatz ist nicht unumstritten. Der Architekt Nikolaus Hirsch erklärt im JOURNAL, warum es keines Neubaus bedarf.
Herr Hirsch, warum braucht Frankfurt ein „Haus der Demokratie“? Wir haben doch die Paulskirche.
Ich halte die Trennung zwischen Paulskirche einerseits und einem Haus der Demokratie andererseits für falsch. Die Paulskirche ist ein Haus der Demokratie. Sie ist dies aufgrund ihrer Geschichte als Ort des ersten deutschen Parlaments, aber auch aufgrund ihrer Geschichte in der Nachkriegszeit, als die Paulskirche zu einem Ort der demokratischen Repräsentation wurde. Und so möchte ich hinzufügen: Sie kann in Zukunft der Ort für neue demokratische Formate und Debatten sein. Das Gebäude der Paulskirche kann aus meiner Sicht viel mehr als es heute tut. Es kann mehr als Preisverleihungen, Ehrungen, Sonntagsreden. Ein Hinterfragen der derzeitigen starren Sitzordnung kann zu neuen Versammlungs- und Vermittlungsformen führen, die wesentliche Funktionen eines Hauses der Demokratie – auch gerade für jüngere Generationen – kreieren können. Die Paulskirche muss als öffentliche Sache erfahrbar werden – als res publica.
„Die Paulskirche muss eindeutig im Zentrum stehen“
Der Magistrat strebt nun mehrere Standorte an: Ratskeller, den Römerkeller, das Stadthaus am Markt, die Evangelische Akademie und den Leopold-Sonnemann-Saal im Historischen Museum. Warum braucht es trotz all dieser Räume noch einen Neubau?
Die Paulskirche muss eindeutig im Zentrum stehen, während untergeordnete Funktionen ohne Neubauten im Bestand untergebracht werden sollten. Deshalb halte ich die Strategie des Magistrats für richtig: Funktionen eines Hauses der Demokratie im unmittelbaren Kontext, also im Bestand unterzubringen. Die Notwendigkeit eines Neubaus sehe ich nicht – ganz im Gegenteil: Ein Neubau würde die Strahlkraft der Paulskirche unterminieren.
Wie sehen Sie das Problem, dass mit einem Neubau der Paulsplatz an Fläche verliert und zahlreiche Platanen abgeholzt werden müssten?
Der Paulsplatz sollte nicht bebaut werden. Nicht weil der Paulsplatz ein idealer urbaner Raum wäre, sondern weil Freiflächen in einer wachsenden und sich immer weiter verdichtenden Stadt wie Frankfurt ein wertvolles Gut sind. Zudem scheint mir ein Neubau etwas aus der Zeit gefallen, wie eine Antwort von gestern. Die Antwort auf inhaltliche Fragestellungen und Probleme ist heute eben nicht mehr automatisch der Ruf nach Tausenden von Quadratmetern (mit entsprechendem CO2-Ausstoß), sondern der ressourcenschonende Umbau im Bestand. Wenn bei diesem Projekt von Demokratie die Rede sein soll, so muss auch die Klimagerechtigkeit für zukünftige Generationen im Blick behalten werden.
„Ein Neubau scheint etwas aus der Zeit gefallen“
Der FR ist zu entnehmen, dass Reisebusse nicht mehr den Blick auf die Paulskirche versperren sollen. Wie ist das mit einem Neubau vereinbar?
Hier zeigt sich das übliche Dilemma – auf der einen Seite das Bestreben, die Paulskirche national und international zu einem Publikumsmagnet zu machen, zum anderen das schamhafte Verstecken der Nebenerscheinungen des Tourismus. Selbstverständlich sind die Busse ein Thema, doch dies sollte im Maßstab der gesamten Innenstadt gelöst werden und nicht allein aus der verengten Perspektive der Paulskirche. Das Ziel ist ein lebendiges Denkmal Paulskirche – wenn einige Reisebusse die Sicht zuweilen beinträchtigen, so ist das nicht schön, aber man wird damit leben können. Ein möglicher Neubau auf dem Paulsplatz hingegen wäre eine Beeinträchtigung nicht nur räumlicher, sondern auch vor allem auch inhaltlicher Art.
Info
Zur Person:
Nikolaus Hirsch ist Direktor des Architekturmuseums CIVA in Brüssel und war zuvor Rektor der Städelschule und Direktor des Portikus in Frankfurt. Sein architektonisches Werk umfasst u.a. die Gedenkstätte Börneplatz in Frankfurt, die preisgekrönte Synagoge in Dresden, „Do We Dream Under The Same Sky“ für die Art Basel und das „Fliegende Künstlerzimmer“ für die Crespo Foundation. Er kuratierte u.a. „Wohnungsfrage“ am HKW in Berlin und den Deutschen Pavillon der Architektur-Biennale 2021 in Venedig.
Ich halte die Trennung zwischen Paulskirche einerseits und einem Haus der Demokratie andererseits für falsch. Die Paulskirche ist ein Haus der Demokratie. Sie ist dies aufgrund ihrer Geschichte als Ort des ersten deutschen Parlaments, aber auch aufgrund ihrer Geschichte in der Nachkriegszeit, als die Paulskirche zu einem Ort der demokratischen Repräsentation wurde. Und so möchte ich hinzufügen: Sie kann in Zukunft der Ort für neue demokratische Formate und Debatten sein. Das Gebäude der Paulskirche kann aus meiner Sicht viel mehr als es heute tut. Es kann mehr als Preisverleihungen, Ehrungen, Sonntagsreden. Ein Hinterfragen der derzeitigen starren Sitzordnung kann zu neuen Versammlungs- und Vermittlungsformen führen, die wesentliche Funktionen eines Hauses der Demokratie – auch gerade für jüngere Generationen – kreieren können. Die Paulskirche muss als öffentliche Sache erfahrbar werden – als res publica.
Der Magistrat strebt nun mehrere Standorte an: Ratskeller, den Römerkeller, das Stadthaus am Markt, die Evangelische Akademie und den Leopold-Sonnemann-Saal im Historischen Museum. Warum braucht es trotz all dieser Räume noch einen Neubau?
Die Paulskirche muss eindeutig im Zentrum stehen, während untergeordnete Funktionen ohne Neubauten im Bestand untergebracht werden sollten. Deshalb halte ich die Strategie des Magistrats für richtig: Funktionen eines Hauses der Demokratie im unmittelbaren Kontext, also im Bestand unterzubringen. Die Notwendigkeit eines Neubaus sehe ich nicht – ganz im Gegenteil: Ein Neubau würde die Strahlkraft der Paulskirche unterminieren.
Wie sehen Sie das Problem, dass mit einem Neubau der Paulsplatz an Fläche verliert und zahlreiche Platanen abgeholzt werden müssten?
Der Paulsplatz sollte nicht bebaut werden. Nicht weil der Paulsplatz ein idealer urbaner Raum wäre, sondern weil Freiflächen in einer wachsenden und sich immer weiter verdichtenden Stadt wie Frankfurt ein wertvolles Gut sind. Zudem scheint mir ein Neubau etwas aus der Zeit gefallen, wie eine Antwort von gestern. Die Antwort auf inhaltliche Fragestellungen und Probleme ist heute eben nicht mehr automatisch der Ruf nach Tausenden von Quadratmetern (mit entsprechendem CO2-Ausstoß), sondern der ressourcenschonende Umbau im Bestand. Wenn bei diesem Projekt von Demokratie die Rede sein soll, so muss auch die Klimagerechtigkeit für zukünftige Generationen im Blick behalten werden.
Der FR ist zu entnehmen, dass Reisebusse nicht mehr den Blick auf die Paulskirche versperren sollen. Wie ist das mit einem Neubau vereinbar?
Hier zeigt sich das übliche Dilemma – auf der einen Seite das Bestreben, die Paulskirche national und international zu einem Publikumsmagnet zu machen, zum anderen das schamhafte Verstecken der Nebenerscheinungen des Tourismus. Selbstverständlich sind die Busse ein Thema, doch dies sollte im Maßstab der gesamten Innenstadt gelöst werden und nicht allein aus der verengten Perspektive der Paulskirche. Das Ziel ist ein lebendiges Denkmal Paulskirche – wenn einige Reisebusse die Sicht zuweilen beinträchtigen, so ist das nicht schön, aber man wird damit leben können. Ein möglicher Neubau auf dem Paulsplatz hingegen wäre eine Beeinträchtigung nicht nur räumlicher, sondern auch vor allem auch inhaltlicher Art.
Zur Person:
Nikolaus Hirsch ist Direktor des Architekturmuseums CIVA in Brüssel und war zuvor Rektor der Städelschule und Direktor des Portikus in Frankfurt. Sein architektonisches Werk umfasst u.a. die Gedenkstätte Börneplatz in Frankfurt, die preisgekrönte Synagoge in Dresden, „Do We Dream Under The Same Sky“ für die Art Basel und das „Fliegende Künstlerzimmer“ für die Crespo Foundation. Er kuratierte u.a. „Wohnungsfrage“ am HKW in Berlin und den Deutschen Pavillon der Architektur-Biennale 2021 in Venedig.
5. April 2024, 09.50 Uhr
Katja Thorwarth
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Katja
Thorwarth >>
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