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Faktencheck zum Bürgerentscheid am 21. Juni
Galopprennbahn gegen DFB-Akademie
Millionen-Geschenke an den DFB? Vier neue Schulen statt Fußballakademie? Im Wahlkampf um den Bürgerentscheid zur Zukunft der Galopprennbahn fallen einige gewagte Behauptungen. Wir haben sie überprüft.
Einen fröhlich, witzigen und offensiven Wahlkampf hat Manfred Louven, der Präsident des Frankfurter Renn-Klubs, im März angekündigt. Sachorientiert, aber nicht persönlich sollte die Kampagne für den Erhalt der Galopprennbahn laufen. "Uns geht es nicht um Konfrontation", so Louven damals.
Sieht man sich allerdings die Plakate an, die die Bürgerinitiative Pro Rennbahn in der Stadt aufgestellt und aufgehängt hat, macht es einen anderen Eindruck: Da wird mit einem Bild von DFB-Chef Wolfgang Niersbach und Fifa-Chef Sepp Blatter von "Klügel" gesprochen, da ist von einem "Geschenk" in Höhe von 84 Millionen Euro an den DFB die Rede und dass man von dem Geld vier neue Schulen bauen könnte. Auf den neuesten Plakaten haben die Rennsportfreunde sogar das Design von CDU-Wahlplakaten übernommen – ein klarer Affront gegen den Magistrat. Die Pressekonferenz für den nächsten Renntag fand am Montag statt – ebenso wie die Bekanntgabe des Siegers im Architekturwettbewerb für die DFB-Akademie.
Um Argumente geht es schon lange nicht mehr: jetzt ist Polemik angesagt. Doch was ist dran an den Behauptungen des Renn-Klubs und der Bürgerinitiative Pro Rennbahn?
Geschenk, Subvention, Investition
Da sind zum einen die 84 Millionen Euro, die dem DFB angeblich geschenkt werden sollen. Der größte Teil davon (48 Millionen Euro) soll eine Subvention sein. Doch es gibt sie nicht. Fakt ist, dass die Stadt eine Erbpacht für das Gelände vereinbart hat, die sich nicht an einer gewerblichen, sondern einer sportlichen Nutzung orientiert – daher auch deutlich geringer ausfällt, als die Erbpacht für das benachbarte Hotel, das immer noch gebaut wird. Tatsächlich zahlt der DFB einen Erbbauzins von 1,84 Euro pro Quadratmeter. Die Hippodrom GmbH, die die Rennen veranstaltet hat, hat bloß 13 Cent pro Quadratmeter gezahlt. "Abgesehen davon wurde seit 2010 kein einziger Cent Pacht an die Hippodrom entrichtet", heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Auch in diesem Jahr darf der Renn-Klub seine Rennen veranstalten, ohne dass die Stadt Geld dafür verlangt.
Außerdem betont die Stadt, dass derzeit über die Hälfte des Areals kommerziell genutzt werde (Golfclub, Quotenhaus, Bistro), während der DFB das Gelände nur gemeinnützig nutzen dürfe. Auch die Gewinne der GmbHs dürften allein dem DFB zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden.
Eine weitere Behauptung lautet, dass die Subvention der Rennbahn deutlich geringer ausfalle als die für den Palmengarten oder den Zoo. Doch der Vergleich ist nicht nur unberechtigt, weil Palmengarten und Zoo städtische Einrichtungen sind (die übrigens das ganze Jahr über geöffnet sind und mehr Besucher anlocken) und die Rennbahn eine private Initiative. Auch verschweigt der Renn-Klub, dass die Stadt in den vergangenen 15 Jahren neun Millionen Euro in die Rennbahn investiert hat. Der DFB bezahlt 6,8 Millionen Euro auf einmal für das Gelände. "Das ist mehr als wir je vom Rennklub bekommen haben", sagt Mark Gellert, Sprecher des Bürgermeisters Olaf Cunitz (Grüne).
Abriss, Abfindung, Wertvernichtung
Bleiben noch drei Zahlen. Erstens: Eine Million Euro Abrisskosten? Der DFB reißt die Gebäude auf der Rennbahn auf eigene Kosten ab, die Stadt nur die Tribüne. Die Kosten dafür wurden noch nicht ermittelt. Zweitens: Zehn Millionen Euro Pächter-Abfindungen? Die Stadt hat bisher drei Millionen Euro für die Übernahme der Hippodrom GmbH an Manfred Hellwig, den ehemaligen Rennklub-Präsidenten und Gesellschafter, bezahlt, um ihn für seine privaten Investitionen zu entschädigen. Mit dem Golfklub wird über eine Abfindung verhandelt, aber "eine derart hohe Summe" stehe nicht zur Debatte. Drittens: Wird mit der Rennbahn ein Wert in Höhe von 25 Millionen Euro vernichtet? Diese Berechnung beruht dem Wert, den ein Neubau der Anlage hätte – was aber nicht geplant ist. Diese Summe entbehre jeglicher Grundlage, so die Stadt.
Darüber hinaus wiederholen die Rennbahn-Verteidiger auch andere Argumente: Zum einen, dass der DFB das grüne Gelände zubetoniere. Tatsächlich sollen 75 Prozent des Akademie Geländes grün bleiben. Bäume werden nach Angaben des DFB nicht gefällt, aber neue gepflanzt, außerdem wird es fünf Fußballplätze mit Rasenfläche geben. 1,9 Hektar von insgesamt 15 werden bebaut sein, derzeit sind es 1,4 Hektar. Zudem entsteht auf dem Rest des Geländes, rund zehn Hektar, ein öffentlicher Park. Renn-Klub-Präsident Louven bezeichnete das Projekt als Feigenblatt und unnütz angesichts des benachbarten Stadtwaldes. Andererseits argumentierte er, dass die Rennbahn die Funktion einer "grünen Lunge" habe. Die Darstellung der Pferdefreunde, der DFB werde sich hinter hohen Mauern und Zäunen verschanzen, kann der Fußballverband nicht bestätigen. Es werde Zäune geben, sagt ein Sprecher, aber keine Mauern. Außerdem sei ein öffentlicher Bereich mit Bistro und Fanshop geplant, von dem man aus auf einen Sportplatz schauen kann.
Schließlich ist da noch das Argument der Tradition. Über 150 Jahre lang gibt es den Galoppsport in Frankfurt. Der DFB kann da nicht mithalten. Die Behauptung aber, es handle sich bei dem Gelände um "jüdisches Erbe", entbehrt nach Angaben der Stadt jeglicher Grundlage. Dafür, dass die Rennbahn den Brüdern Carl und Arthur von Weinberg gehört haben soll, gibt es keinen Beleg. Das Gelände war schon immer im Besitz der Stadt Frankfurt.
>> Der Bürgerentscheid zur Galopprennbahn findet am 21. Juni statt. Am Mittwoch, 3. Juni veranstaltet die Frankfurter Rundschau im Haus am Dom, Domplatz 3, ein Stadtgespräch zum Thema. Beginn: 19.30 Uhr.
Dieser Artikel wurde weder vom DFB noch von der Stadt Frankfurt finanziert.
Sieht man sich allerdings die Plakate an, die die Bürgerinitiative Pro Rennbahn in der Stadt aufgestellt und aufgehängt hat, macht es einen anderen Eindruck: Da wird mit einem Bild von DFB-Chef Wolfgang Niersbach und Fifa-Chef Sepp Blatter von "Klügel" gesprochen, da ist von einem "Geschenk" in Höhe von 84 Millionen Euro an den DFB die Rede und dass man von dem Geld vier neue Schulen bauen könnte. Auf den neuesten Plakaten haben die Rennsportfreunde sogar das Design von CDU-Wahlplakaten übernommen – ein klarer Affront gegen den Magistrat. Die Pressekonferenz für den nächsten Renntag fand am Montag statt – ebenso wie die Bekanntgabe des Siegers im Architekturwettbewerb für die DFB-Akademie.
Um Argumente geht es schon lange nicht mehr: jetzt ist Polemik angesagt. Doch was ist dran an den Behauptungen des Renn-Klubs und der Bürgerinitiative Pro Rennbahn?
Geschenk, Subvention, Investition
Da sind zum einen die 84 Millionen Euro, die dem DFB angeblich geschenkt werden sollen. Der größte Teil davon (48 Millionen Euro) soll eine Subvention sein. Doch es gibt sie nicht. Fakt ist, dass die Stadt eine Erbpacht für das Gelände vereinbart hat, die sich nicht an einer gewerblichen, sondern einer sportlichen Nutzung orientiert – daher auch deutlich geringer ausfällt, als die Erbpacht für das benachbarte Hotel, das immer noch gebaut wird. Tatsächlich zahlt der DFB einen Erbbauzins von 1,84 Euro pro Quadratmeter. Die Hippodrom GmbH, die die Rennen veranstaltet hat, hat bloß 13 Cent pro Quadratmeter gezahlt. "Abgesehen davon wurde seit 2010 kein einziger Cent Pacht an die Hippodrom entrichtet", heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Auch in diesem Jahr darf der Renn-Klub seine Rennen veranstalten, ohne dass die Stadt Geld dafür verlangt.
Außerdem betont die Stadt, dass derzeit über die Hälfte des Areals kommerziell genutzt werde (Golfclub, Quotenhaus, Bistro), während der DFB das Gelände nur gemeinnützig nutzen dürfe. Auch die Gewinne der GmbHs dürften allein dem DFB zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden.
Eine weitere Behauptung lautet, dass die Subvention der Rennbahn deutlich geringer ausfalle als die für den Palmengarten oder den Zoo. Doch der Vergleich ist nicht nur unberechtigt, weil Palmengarten und Zoo städtische Einrichtungen sind (die übrigens das ganze Jahr über geöffnet sind und mehr Besucher anlocken) und die Rennbahn eine private Initiative. Auch verschweigt der Renn-Klub, dass die Stadt in den vergangenen 15 Jahren neun Millionen Euro in die Rennbahn investiert hat. Der DFB bezahlt 6,8 Millionen Euro auf einmal für das Gelände. "Das ist mehr als wir je vom Rennklub bekommen haben", sagt Mark Gellert, Sprecher des Bürgermeisters Olaf Cunitz (Grüne).
Abriss, Abfindung, Wertvernichtung
Bleiben noch drei Zahlen. Erstens: Eine Million Euro Abrisskosten? Der DFB reißt die Gebäude auf der Rennbahn auf eigene Kosten ab, die Stadt nur die Tribüne. Die Kosten dafür wurden noch nicht ermittelt. Zweitens: Zehn Millionen Euro Pächter-Abfindungen? Die Stadt hat bisher drei Millionen Euro für die Übernahme der Hippodrom GmbH an Manfred Hellwig, den ehemaligen Rennklub-Präsidenten und Gesellschafter, bezahlt, um ihn für seine privaten Investitionen zu entschädigen. Mit dem Golfklub wird über eine Abfindung verhandelt, aber "eine derart hohe Summe" stehe nicht zur Debatte. Drittens: Wird mit der Rennbahn ein Wert in Höhe von 25 Millionen Euro vernichtet? Diese Berechnung beruht dem Wert, den ein Neubau der Anlage hätte – was aber nicht geplant ist. Diese Summe entbehre jeglicher Grundlage, so die Stadt.
Darüber hinaus wiederholen die Rennbahn-Verteidiger auch andere Argumente: Zum einen, dass der DFB das grüne Gelände zubetoniere. Tatsächlich sollen 75 Prozent des Akademie Geländes grün bleiben. Bäume werden nach Angaben des DFB nicht gefällt, aber neue gepflanzt, außerdem wird es fünf Fußballplätze mit Rasenfläche geben. 1,9 Hektar von insgesamt 15 werden bebaut sein, derzeit sind es 1,4 Hektar. Zudem entsteht auf dem Rest des Geländes, rund zehn Hektar, ein öffentlicher Park. Renn-Klub-Präsident Louven bezeichnete das Projekt als Feigenblatt und unnütz angesichts des benachbarten Stadtwaldes. Andererseits argumentierte er, dass die Rennbahn die Funktion einer "grünen Lunge" habe. Die Darstellung der Pferdefreunde, der DFB werde sich hinter hohen Mauern und Zäunen verschanzen, kann der Fußballverband nicht bestätigen. Es werde Zäune geben, sagt ein Sprecher, aber keine Mauern. Außerdem sei ein öffentlicher Bereich mit Bistro und Fanshop geplant, von dem man aus auf einen Sportplatz schauen kann.
Schließlich ist da noch das Argument der Tradition. Über 150 Jahre lang gibt es den Galoppsport in Frankfurt. Der DFB kann da nicht mithalten. Die Behauptung aber, es handle sich bei dem Gelände um "jüdisches Erbe", entbehrt nach Angaben der Stadt jeglicher Grundlage. Dafür, dass die Rennbahn den Brüdern Carl und Arthur von Weinberg gehört haben soll, gibt es keinen Beleg. Das Gelände war schon immer im Besitz der Stadt Frankfurt.
>> Der Bürgerentscheid zur Galopprennbahn findet am 21. Juni statt. Am Mittwoch, 3. Juni veranstaltet die Frankfurter Rundschau im Haus am Dom, Domplatz 3, ein Stadtgespräch zum Thema. Beginn: 19.30 Uhr.
Dieser Artikel wurde weder vom DFB noch von der Stadt Frankfurt finanziert.
Fotogalerie: Wahlkampf Rennbahn Plakate der Rennbahnverteidiger
2. Juni 2015, 11.46 Uhr
Lukas Gedziorowski
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