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Ein Jahr Ukraine-Krieg

„Friedenspolitik ist realistischer als 'Realpolitik'“

Der russische Angriff auf die Ukraine jährt sich am 24. Februar. Ein Bündnis nutzt die Gelegenheit in Frankfurt zu Protesten gegen den Krieg und für Frieden. Das JOURNAL hat mit Initiatoren von Attac und der Deutschen Friedensgesellschaft gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Heute jährt sich der russische Angriffskrieg in der Ukraine zum ersten Mal. Welche Aktionen sind für Frankfurt geplant?
Bündnis: 23 Friedens-, Umwelt- und antifaschistische Gruppen rufen zur Demonstration am Freitag, um 17 Uhr ab der Konstablerwache auf. Mit Stationen an den Generalkonsulaten der Ukraine und Russlands sowie am Börsenplatz und einer Abschlusskundgebung am Opernplatz. Die Teilnehmenden werden hier ein großes Peace-Zeichen aus Kerzen aufstellen. Eine Vorkundgebung findet um 16 Uhr am Generalkonsulat der USA statt.

Ihr Motto ist „Stoppt das Töten – für Waffenstillstand und Verhandlungen“. Wie sollen diese Verhandlungen aussehen?
An den Verhandlungen sollen die Ukraine, Russland und alle weiteren relevanten Akteure teilnehmen. Wir fordern den Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine als ein Ergebnis dieser Verhandlungen. Wir rufen die Bundesregierung auf, diese Vorschläge aufzugreifen.

Kritiker sagen, dass es mit Putin keine Verhandlungen geben kann …
Es hat bereits erfolgreiche Verhandlungen mit ihm zum Getreideabkommen und zum Austausch von Gefangenen gegeben. Dieser Krieg hat bisher hunderttausende Kriegstote und -verletzte gefordert. Friedensverhandlungen unter Einbeziehung aller diplomatischen Möglichkeiten sind unabdingbar, um weitere abertausende Kriegstote zu verhindern.

Wie steht das Bündnis zu Waffenlieferungen an die Ukraine? Oder anders: Was ist Ihr Vorschlag jenseits von Waffenlieferungen, wenn Putin den Krieg nicht stoppt?
Wir sind solidarisch mit den Menschen in der Ukraine. Wir erkennen ihr Recht auf Selbstverteidigung an. Die immer weitere Eskalation von Waffenlieferungen erfüllt uns jedoch mit großer Sorge. Jürgen Habermas hat vorletzten Mittwoch auf die dringende Notwendigkeit von Friedensverhandlungen hingewiesen. Das ist auch unser wichtigster Vorschlag. Mit jedem Tag, an dem Verhandlungen nicht eingeleitet werden, erhöht sich laut Habermas die Gefahr eines Dritten Weltkriegs, der wahrscheinlich ein atomarer wäre.

Und weiter?
Wichtig sind außerdem nicht-militärische Beiträge zur Schwächung der zermalmenden Gewalt dieses Krieges, um wieder mit Habermas zu sprechen. Das sind humanitäre Visa und Asyl für alle Kriegsdienstverweigerer, Militärdienstentzieher und Deserteure aus den beteiligten Ländern, sowie ziviler Widerstand, wofür es zahlreiche Beispiele gibt.

Ihr Demonstrationszug führt an der ukrainischen und russischen Botschaft vorbei. Gibt es hierfür einen Grund, auch an der ukrainischen Botschaft vorbeizuziehen?
Erstens spricht sich die ukrainische Regierung bisher gegen Verhandlungen aus. Zweitens fordern wir die ukrainische Regierung auf, die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern einzustellen. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, das von der parlamentarischen Versammlung des Europarates und dem Europäischen Parlament anerkannt wurde, und das gerade in Kriegszeiten eingehalten werden muss.

Das Aufrüstungsprogramm wird mit der sogenannten „Zeitenwende“ gerechtfertigt bzw. mit einer neuen Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Sehen Sie hier keinen Handlungsbedarf?
Der Rüstungsetat ist bereits von 31,9 Milliarden Euro 2012 auf 50,3 Milliarden Euro in 2022 gewachsen – ein Plus von 58 Prozent. Der Begriff „kaputtgespart“ ist deshalb irreführend. Dieser Anstieg hat den russischen Angriffskrieg nicht verhindert. Auch die weitere, noch massivere Aufrüstung wird nicht zu mehr Sicherheit führen, sondern dazu, dass Deutschland bald einen der weltweit größten Rüstungsetats hat. Das wollen wir nicht! Zumal diese Mittel fehlen gegen die Klimakatastrophe und für andere dringende Aufgaben.

Stichwort Wagenknecht-Schwarzer-Initiative. Was sagen Sie dazu, wenn man Ihren Protest in die Nähe einer Querfront rückt und Friedensdemos Naivität vorwirft?
Auf unseren Aktionen ist für Menschen und Gruppen aus dem nationalistischen und antidemokratischen Spektrum kein Platz, wie wir es in unserem Aufruf klar benennen. Naiv sind diejenigen, die meinen, ein „Weiter so“ würde zur Beendigung dieses Krieges führen. Unverantwortlich ist es, den Tod von weiteren abertausenden Menschen dafür in Kauf zu nehmen. Friedenspolitik ist weitaus realistischer als das, was uns als „Realpolitik“ dargestellt wird.

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Interviewpartner und -Partnerinnen:
Thomas Carl Schwoerer, Presseverantwortlicher des Frankfurter Bündnisses und Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
Carmen Junge, Attac Frankfurt und Mitglied im Koordinierungskreis von Attac Deutschland. Attac ist Teil des bundesweiten Bündnisses „Stoppt das Töten in der Ukraine - für Waffenstillstand und Verhandlungen!"

Die Antworten spiegeln die Positionen des Frankfurter Bündnisses wider.
 
Fotogalerie:
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24. Februar 2023, 12.30 Uhr
ktho
 
 
 
 
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